Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft Januar-Februar 2002
Elternbeitrag zum Kindergarten bei Blocköffnungszeit
Ein zusätzlicher Elternbeitrag für die Kinderbetreuung über Mittag kann nur dann erhoben werden, wenn sich an die Über-Mittag-Betreuung eine Öffnungszeit des Kindergartens auch am Nachmittag anschließt (nichtamtlicher Leitsatz).
- OVG NRW, Urteil vom 28. März 2001
- Az.: 16 A 4298/00 -
Die Stadt D. hatte die Eltern eines Kindes, das einen städtischen Kindergarten besuchte, zu einem zusätzlichen Elternbeitrag von monatlich 40,-- DM für die Kinderbetreuung über Mittag herangezogen. In dem Kindergarten war die so genannte Blocköffnungszeit eingeführt worden, d.h. der Kindergarten war durchgehend von 7.30 bis 14.00 Uhr geöffnet, ohne dass eine Betreuung auch am Nachmittag vorgesehen war.
Gegen diese Heranziehung hatten die Eltern beim Verwaltungsgericht (VG) mit Erfolg geklagt. Auf Veranlassung des zuständigen Ministeriums hatte der Vertreter des öffentlichen Interesses gegen das Urteil des VG Berufung eingelegt, die nunmehr vom OVG zurückgewiesen wurde. Das OVG hat damit das Urteil des VG bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Ein zusätzlicher Elternbeitrag für die Betreuung über Mittag (12.30 bis 14.00 Uhr) könne nur erhoben werden, wenn sich an diese Über-Mittag-Betreuung eine Öffnungszeit des Kindergartens auch am Nachmittag anschließe. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder und der Systematik dieses Gesetzes falle der zusätzliche Über-Mittag-Beitrag nur an, wenn die Betreuung über Mittag zu der üblichen Betreuungszeit hinzutrete. Das sei bei der nur 6 1/2-stündigen so genannten Blocköffnungszeit nicht der Fall. Die Öffnungsdauer bei einer Betreuung über Mittag betrage nach dem Gesetz in der Regel 8 1/2 Stunden.
Über die Frage, ob in den vom Gesetz neuerdings vorgesehenen Erprobungsfällen, die eine Blocköffnungszeit nur bis 14.00 Uhr vorsehen und besonders zu genehmigen sind, der halbe zusätzliche Über-Mittag-Beitrag zu entrichten ist, brauchte das OVG nicht zu entscheiden, weil der Kindergarten in D. kein Erprobungsfall war.
Errichtung von Windenergieanlagen
Die Gemeinden können die Errichtung von Windenergieanlagen restriktiv steuern (nichtamtlicher Leitsatz).
- OVG NRW, Urteil vom 30. November 2001
- Az.: 7 A 4857/00 -
Geklagt hatte ein Betreiber, der eine Windenergieanlage außerhalb der von der Stadt N. im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Vorrangzone errichten wollte. Diese Klage hatte nunmehr auch im Berufungsverfahren keinen Erfolg. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt:
Es sei nicht zu beanstanden, dass die Stadt N. nur eine einzige Vorrangzone im Gemeindegebiet festgelegt habe. Windenergieanlagen seien nicht uneingeschränkt privilegiert, sondern nur unter Beachtung des Planungswillens der Gemeinde. Die Gemeinde dürfe daher den Windenergieanlagen auch nur einzelne Flächen mit der Folge zuweisen, dass sie im übrigen Gemeindegebiet regelmäßig unzulässig seien. Erforderlich sei allerdings ein schlüssiges städtebauliches Konzept. Dabei könnten insbesondere Schutzzonen um Wohnbebauung, die Freihaltung von Erholungsbereichen sowie Gründe des Landschaftsschutzes von Bedeutung sein. Die Gemeinden hätten auch keine besondere Verpflichtung zur Förderung der Windenergie. Der Gesetzgeber habe vielmehr ausdrücklich festgelegt, nur vor Ort könne sachgerecht abgewogen und entschieden werden, ob der Nutzung der Windenergie oder anderen Belangen der Vorrang gebühre.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache hat das Oberverwaltungsgericht die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Abstimmungsrunden bei Bürgermeister oder Bürgermeisterin
Der Ausschluss einer Fraktion von Abstimmungsrunden beim Bürgermeister verletzt die Mitwirkungs- und Informationsrechte der benachteiligten Ratsmitglieder.
- Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. März 2000
- Az.: 8 TZ 815/00 -
Alle Ratsmitglieder sind Vertreter aller Gemeindeangehörigen. Da aber nicht einzelne Räte oder eine Gruppe von Ratsmitgliedern die Repräsentanten der Bevölkerung sind, haben alle gleiche Rechte und Pflichten. Dazu gehört nicht nur das Recht, im Rat und seinen Ausschüssen abzustimmen, sondern auch das Recht, zu beraten. Das gilt insbesondere für die Minderheit. Dementsprechend haben die Information und Beratung der Angelegenheiten, mit denen der Rat zu befassen ist, dort beziehungsweise in dessen Ausschüssen stattzufinden.
In dem fraglichen Fall fanden beim Bürgermeister interfraktionelle Runden statt; eine Fraktion war von der Teilnahme aber ausgeschlossen. Dass der Bürgermeister damit einzelnen Ratsmitgliedern gegen ihren Willen Informationen ganz oder teilweise vorenthielt, die anderen Ratsmitgliedern unmittelbar oder mittelbar gegeben wurden, war nicht zulässig. Unerheblich ist demgegenüber der Hinweis, die Informationen würden in den maßgeblichen Sitzungen zur Verfügung stehen. Von Bedeutung ist nämlich auch der Zeitpunkt, zu dem die Information erteilt werden.
Zulassung eines Schaustellers zu einem Volksfest
Zur Frage, ob ein jährlich durchgeführtes Volksfest eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde ist. Auch wenn die Gemeinde die Durchführung des Volksfestes einem Privaten überträgt, hat sie die wesentlichen Entscheidungen wie diejenige über den Rechtsanspruch der Bewerber auf Zulassung zu dieser Einrichtung selbst zu treffen (Zwei-Stufen-Theorie).
Die Entscheidung über die Auswahl der Bewerber um einen Standplatz darf nicht von einem Mitbewerber des Schaustellers getroffen werden (nichtamtliche Leitsätze).
- VG Augsburg vom 24.2.2000
- Az.: Au 8 K 99.1187 -
Der klagende Schausteller begehrte erfolgreich die Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Nichtzulassung zum Volksfest der beklagten Stadt. Diese hatte die Veranstaltung des jährlichen Volksfestes durch Vertrag für mehrere Jahre einer Agentur übertragen, die auch über die Vergabe der Standplätze zu entscheiden hatte. Der Kläger war mit seiner Bewerbung für zwei Fahrgeschäfte nicht angenommen worden.
Das Volksfest sei eine öffentliche Einrichtung der Stadt. Dies begründet das Gericht ausführlich anhand der Mitwirkungs- und Entscheidungsvorbehalte zugunsten der Stadt sowie den sonstigen Vorgaben in den Überlassungsverträgen, die der Stadt nach wie vor Einfluss auf den Kern der materiellen/qualitativen Gestaltung des Volksfestes geben. Außerdem wird dafür der traditionsbildende Charakter, der jahrzehntelange Bestand, die Identifikation des Festes mit der Stadt und nicht mit den wechselnden privaten Organisatoren sowie der speziell erschlossene gemeindeeigene Veranstaltungsplatz angeführt. Eine Satzung oder Widmung sei nicht erforderlich. Die Stadt sei nicht lediglich Vermieterin des Volksfestplatzes für ein in privater Hand liegendes Volksfest.
Die Stadt könne die Durchführung einer privaten juristischen oder natürlichen Person übertragen. Dabei gelte aber die Zwei-Stufen-Theorie: Die wesentlichen Entscheidungen - u.a. die über den gesetzlichen Anspruch der Benutzer und der Bewerber auf Zulassung (= das "Ob") - seien von der Gemeinde selbst zu treffen. Die Einzelheiten (das "Wie") könnten von dem Privaten entschieden werden. Insofern werde die Gemeinde hoheitlich tätig und unterliege den entsprechenden öffentlich-rechtlichen Bindungen. Dazu gehört das Verbot, einen Bewerber für die öffentliche Einrichtung aus sachfremden Gründen zurückzuweisen (Art. 20 Abs. 3 und Art. 3 Abs. 1 GG) und das Recht auf gleichen Zugang.
Wäre der über die Bewerbung entscheidende zuständige Bedienstete der Gemeinde ein Mitbewerber, wäre er als "selbst Beteiligter" gesetzlich von dieser Funktion ausgeschlossen (hier: Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwVfG NRW). Diesen aus dem darin angelegten Intressenkonflikt folgenden "bösen Schein" der mangelnden Objektivität soll ein Bewerber nach Ansicht des Gerichts auch im falle des Übertragungsmodells nicht hinnehmen müssen. Im vorliegenden Fall beschickten auch mehrere Gesellschafter der Veranstaltungsagentur, die über die Bewerbungen mitentschieden, selbst das Volksfest.
Unvereinbarkeit von Amt und Mandat
§ 13 Abs. 1 Satz 1 c) KWahlG NRW erfaßt mit dem Begriffspaar "allgemeine Aufsicht oder Sonderaufsicht" auch die staatliche Aufsicht über Kommunen in Auftragsangelegenheiten.
Die auf der Ermächtigung des Art. 137 GG beruhende Beschränkung des in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten passiven Wahlrechts auf kommunaler Ebene durch § 13 Abs. 1 Satz 1 c) KWahlG NRW ist nicht verfassungswidrig, da für den Eingriff ein rechtfertigender Grund gegeben ist.
§ 13 Abs. 1 Satz 1 c) KWahlG NRW dient dem Schutz von Rechtsgütern mit Verfassungsrang.
- VG Aachen, Urteil vom 25.10.2001
- Az.: 4 K 782/00 -
Der Kläger ist Ratsmitglied und seit 1995 im damaligen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, seit einer Umorganisation im Jahre 1998 im -heutigen - Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung (MSWF) tätig. Er ist dort Leiter der Gruppe mit den Tätigkeitsfeldern "hochschulinterne Forschungsförderung, Technologietransfer im Bereich der Hochschulmedizin" und leitet das Referat mit den Aufgaben "Querschnittsfragen, Mitwirkung bei der Hochschulplanung, Forschungspreis für Nachwuchswissenschaftler". Mit Schreiben vom 30.06.1999 wies die Bezirksregierung Köln den Beklagten im Wege der Kommunalaufsicht an, gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 KWahlG NRW festzustellen, daß die Mitgliedschaft des Klägers im Rat mit seiner beruflichen Anstellung inkompatibel sei. Gegen den daraufhin ergangenen Bescheid der Beklagten, wonach der Kläger als Bediensteter des MSWF nicht der Vertretung der Stadt angehören könne, legte der Kläger am 02.08.1999 Widerspruch ein, über den der Beklagte bis zu den Kommunalwahlen 1999 nicht entschied.
Nachdem der Kläger bei diesen Kommunalwahlen seine Wiederwahl in den Rat angenommen hatte, stellte der Beklagte auf Weisung der Bezirksregierung erneut fest, der Kläger könne als Bediensteter des MSWF nicht der Vertretung der Stadt angehören. Er setzte dem Kläger eine Frist von einer Woche, um sein Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis nachzuweisen. Anderenfalls scheide der Kläger kraft Gesetzes aus dem Rat aus. Dies habe der Beklagte als Wahlleiter dann folglich festzustellen.
Zur Begründung führte der Beklagte aus, nach der Rechtsauffassung des Innenministeriums NRW können Bedienstete des MSWF nicht der Vertretung der Stadt angehören, weil das MSWF eine Sonderaufsichtsbehörde sei. Der Begriff der Sonderaufsicht in § 13 KWahlG NRW sei seit Jahrzehnten so verstanden worden, daß er jede Form der Fach- und Rechtsaufsicht umfasse. Sinn und Zweck der Regelung sei es, Konfliktsituationen von vornherein generell zu vermeiden.
Nachdem der Kläger schriftlich erklärt hatte, er werde sein Dienstverhältnis zum Land NRW nicht beenden, stellte der Beklagte per Bescheid fest, daß der Kläger seine Mitgliedschaft im Rat verloren habe. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, zu dessen Begründung er ausführte, das MSWF übe weder die allgemeine Aufsicht noch eine Sonderaufsicht über Gemeinden oder Gemeindeverbände aus. Eine extensive Auslegung des § 13 KWahlG NRW sei nicht zulässig, da diese Norm als Durchbrechung der in Artikel 38 GG normierten Wahlrechtsgrundsätze eng auszulegen sei.
Die Widersprüche wies der Beklagte zurück. Der Kläger hat schließlich Klage erhoben und ergänzend vorgetragen, nur in Selbstverwaltungsangelegenheiten könne es zu einem Konflikt zwischen staatlichen und gemeindlichen Interessen kommen. Fachaufsichtliche Weisungen an die Gemeinde in Auftragsangelegenheiten gingen den Rat nichts an. Sie würden nicht unter der Kontrolle des Rates und nicht in Verantwortung ihm gegenüber ausgeführt. Daher sei es auch normzweckwidrig, Fachaufsicht unter dem Begriff der Sonderaufsicht in § 13 KWahlG NRW zu subsumieren.
Das VG Aachen hat die Klage abgewiesen und sich im Ergebnis der Argumentation der Bezirksregierung Köln angeschlossen. Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 2 KWahlG NRW liegen vor, da der Kläger nach § 13 Abs. 1 KWahlG NRW an der Zugehörigkeit des Rates gehindert war (und ist). Die Unvereinbarkeit der Ratsmitgliedschaft mit der Anstellung des Klägers am MSWF folge aus § 13 Abs. 1 Satz 1 c) KWahlG NRW, wonach Inkompatibilität dann vorliegt, wenn der Ratsvertreter im Dienste des Landes steht und in einer staatlichen Behörde beschäftigt ist, die die allgemeine Aufsicht oder die Sonderaufsicht über Gemeinden und Gemeindeverbände führt. Das MSWF übt nach Auffassung des VG jedenfalls die (mittelbare) Sonderaufsicht im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 c) KWahlG NRW über die betreffende Stadt im Bereich der Ausbildungsförderung aus. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AG BAFÖG NRW ist die Stadt als kreisfreie Stadt Amt für Ausbildungsförderung, das nach § 3 Abs. 1 AG BAFÖG NRW dem MSWF als oberster Landesbehörde für Ausbildungsförderung nachgeordnet ist.
Der Begriff der Sonderaufsicht in § 13 Abs. 1 Satz 1 c) KWahlG NRW umfasse - wie von der Kommunalaufsichtsbehörde zurecht angenommen - auch die Aufsicht in Auftragsangelegenheiten, die als Fachaufsicht verstanden wird.
© StGB NRW 2002