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Hauptausschuss 2024
Heft Januar-Februar 2003
Zulässigkeit von Windenergie-Anlagen
Beabsichtigt eine Gemeinde, durch einen einfachen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Windenergieanlagen in einer im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone für Windenergieanlagen zum Schutz des Landschaftsbildes restriktiv zu steuern, kann eine solche Bebauungsplanung mit der Zurückstellung von Baugesuchen gesichert werden. (nichtamtlicher Leitsatz)
OVG NRW, Beschluß vom 2.7.2002
- Az: 7 B 918/02 -
Der Flächennutzungsplan der sauerländischen Stadt S. weist eine Konzentrationszone für Windenergieanlagen aus. Im Oktober 2001 beantragte der Antragsteller bei der Stadt S. die Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Windenergieanlagen in dieser Zone. Die Anlagen sollten eine Nabenhöhe von 100 m und einen Rotordurchmesser von 80 m, also eine Gesamthöhe von 140 m haben und jeweils 2 Megawatt leisten. Daraufhin fasste der Rat der Stadt am 20. Dezember 2001 den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 117 "Ellenberg". Dieser zielt darauf ab, für die im Flächennutzungsplan dargestellte Konzentrationszone für Windenergieanlagen für den Bereich "Ellenberg" einen einfachen Bebauungsplan aufzustellen, der die Zulässigkeit von Windenergieanlagen auf 100 m Höhe beschränken und wegen befürchteter nachteiliger optischer Wirkungen im Landschaftsbild Gestaltungsvorgaben enthalten soll.
Gleichzeitig erließ die Stadt gegen den Antragsteller einen für sofort vollziehbar erklärten Zurückstellungsbescheid, durch den die Entscheidung über den Bauantrag ausgesetzt wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Widerspruch. Außerdem beantragte er beim VG Arnsberg die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieses Widerspruchs. Diesen Antrag lehnte das VG im April 2002 ab. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde des Antragstellers hat das OVG NRW nunmehr mit dem o.g. Beschluss zurückgewiesen.
Die Stadt habe die Entscheidung über den Bauantrag zurückstellen dürfen, weil sie mit dem Aufstellungsbeschluss ein legitimes Planungsziel verfolge, das mit dem Instrument der Zurückstellung von Baugesuchen gesichert werden könne. Die hier eingeleitete Bebauungsplanung solle die Vorgaben des Flächennutzungsplans konkretisieren und insbesondere die Höhenentwicklung zulässiger Windenergieanlagen aus städtebaulichen Gründen steuern. Die Stadt wolle damit auf die gestiegene Sensibilisierung der Bevölkerung für den mit der noch ständig zunehmenden Größe der Anlagen auch dramatisch ansteigenden Eingriff in das Landschaftsbild reagieren.
Zutreffend sei auch der Hinweis der Stadt, in der Vergangenheit habe die durchschnittliche Größe von Windenergieanlagen noch deutlich unter der hier vom Antragsteller vorgesehenen Gesamthöhe von 140 m gelegen und bei Anlagenhöhen von mehr als 100 m seien spezifische Kennzeichnungen der Anlagen zum Schutz des Luftverkehrs (etwa Signalfarbanstrich der Rotorblätter) vorzusehen, die die optische Wirkung der Anlagen im Landschaftsbild, zumal einer Mittelgebirgslandschaft mit beachtlicher Erholungsfunktion, nachteilig verstärkten. Demgegenüber greife der lediglich behauptete Einwand des Antragstellers, im Bereich "Ellenberg" seien Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von 100 m schlicht unwirtschaftlich, nicht durch.
Im Rahmen der weiteren Abwicklung der eingeleiteten Bauleitplanung werde die Stadt allerdings im Einzelnen zu prüfen haben, ob die hier zu erwartenden nachteiligen Auswirkungen auf den betroffenen Landschaftsraum so gewichtig seien, dass sie die vorgesehene Einschränkung der vom Flächennutzungsplan vorgegebenen Errichtungsmöglichkeiten von Windenergieanlagen gerechtfertigt erscheinen ließen. Zu prüfen sei ferner, ob mit den vorgesehenen verbindlichen Regelungen des in Aussicht genommenen einfachen Bebauungsplans im Ergebnis eine Umsetzung des Flächennutzungsplans, namentlich der dort dargestellten Konzentrationszone für Windenergieanlagen im Bereich "Ellenberg", faktisch unterlaufen werde.
Reichweite des Informationsfreiheits-Gesetzes
Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG NRW) findet auch Anwendung, wenn sich eine öffentliche Stelle des Landes zur Erfüllung ihrer Aufgaben privatrechtlicher Handlungsformen bedient. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit gesehen und in Kauf genommen, daß ein Bürger Akteneinsicht ausschließlich zu dem Zweck begehrt, die gewonnenen Informationen im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses gegen die Behörde zu verwenden. (nichtamtliche Leitsätze)
OVG NRW, Beschluß vom 19.6.2002
- Az: 21 B 589/02 -
Das OVG hat mit diesem Beschluss erstmals zur Reichweite des IFG NRW Stellung genommen. Das am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Gesetz soll den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich freien Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen vorhandenen amtlichen Informationen gewähren, soweit nicht schützenswerte öffentliche oder private Belange entgegenstehen.
In dem Fall ging es um Aufzeichnungen der Stadt E. über den Ablauf einer Straßenbaumaßnahme. Der Inhaber einer Apotheke in E. war der Auffassung, die von der Stadt veranlasste Straßenbaumaßnahme im Bereich seines Geschäftslokals habe unnötig lange gedauert und sei unzulänglich durchgeführt worden; hierdurch habe er erhebliche Umsatzeinbußen erlitten. Er verklagte die Stadt deshalb vor dem Landgericht auf Schadensersatz. Das Gericht verlangte von ihm nähere Angaben zum konkreten Ablauf der Straßenbauarbeiten. Um diese Angaben machen zu können, beantragte der Apotheker bei der Stadt unter Berufung auf das IFG NRW Einsicht in die dort geführten Bautagebücher.
Die Stadt lehnte den Antrag ab. Sie war der Ansicht, das Gesetz eröffne dem Bürger nur Zugang zu solchen Informationen, die eine Behörde aufgrund einer öffentlich-rechlichen Tätigkeit besitze. Die Straßenbauarbeiten habe jedoch ein privater Bauunternehmer aufgrund eines Werkvertrages für sie ausgeführt; die Bautagebücher dienten lediglich der Dokumention und Kontrolle einer ordnungsgemäßen Vertragsabwickung. Im Übrigen gehe es nicht an, dass sie Informationen herausgeben müsse, die dem Apotheker zum Erfolg seiner Schadensersatzklage verhelfen könnten.
Der Apotheker erwirkte daraufhin beim VG Gelsenkirchen eine einstweilige Anordnung zur Einsicht in die Bautagebücher. Gegen diese Entscheidung legte die Stadt Beschwerde ein, die das OVG mit dem o.g. Beschluss zurückgewiesen hat.
Das IFG NRW finde auch Anwendung, wenn sich eine öffentliche Stelle des Landes zur Erfüllung ihrer Aufgaben privatrechtlicher Handlungsformen bediene. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers sei gewesen, die Transparenz und Akzeptanz behördlichen Handelns zu erhöhen sowie das Mitspracherecht und mittelbar auch die Kontrollmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf das Handeln staatlicher Organe des Landes zu verbessern.
Dieses Ziel würde angesichts der den öffentlichen Stellen zunehmend eröffneten und in Anspruch genommenen Möglichkeiten, bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf privatrechtliche Organisations- und Handlungsformen zurückzugreifen, weitgehend verfehlt, wenn das Gesetz auf öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit beschränkt wäre. Im Übrigen habe der Gesetzgeber auch die Möglichkeit gesehen und in Kauf genommen, dass ein Bürger Akteneinsicht ausschließlich zu dem Zweck begehre, die gewonnenen Informationen im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses gegen die Behörde zu verwenden.
Betrieb eines Swinger-Clubs
Ermöglicht ein Gastwirt sexuelles Geschehen Erwachsener durch Bereitstellung der Räumlichkeiten und Organisation in einem abgeschirmten Bereich, so fällt das Geschehen primär in den privaten Verantwortungsbereich der Teilnehmer, so daß der Vorwurf der Unsittlichkeit entfällt, auch wenn der Gastwirt Eintrittspreise erhebt. (nichtamtlicher Leitsatz)
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 6.11.2002
- Az: 6 C 16.02 -
Der Kläger erstrebte für eine im Außenbereich befindliche Liegenschaft eine gaststättenrechtliche Erlaubnis zum Betrieb eines sog. "Swinger-Clubs", der einem "privaten Partykreis" Gelegenheit zu Partnertausch bieten soll. Fraglich war, ob der Kläger damit "der Unsittlichkeit Vorschub leistet", was der Erteilung der Erlaubnis entgegengestanden hätte.
Das BVerwG hat wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass bei Fehlen strafrechtlich relevanten Geschehens die hier in Rede stehenden geschlechtsbezogenen Handlungen Erwachsener, die so abgeschirmt stattfinden, dass andere Personen, namentlich Jugendliche, hiervon nicht berührt werden können, nicht mit dem Verdikt der Unsittlichkeit im Sinne des Gaststättenrechts belegt werden können. Zwar haben in einem Gaststättenbetrieb geschlechtsbezogene Handlungen grundsätzlich nicht stattzufinden. Wenn indessen der Gastwirt sexuelles Geschehen Erwachsener durch Bereitstellung der Räumlichkeiten und Organisation in einem abgeschirmten Bereich ermöglicht, so falle das Geschehen primär in den privaten Verantwortungsbereich der Teilnehmer, so dass der Vorwurf der Unsittlichkeit entfalle.
Allein der Umstand, dass mit der Ermöglichung geschlechtsbezogener Handlungen finanzielle Vorteile verbunden sind, müsse nicht zwingend zu einem rechtlichen Unwerturteil führen. Das Gericht hat sich auch davon leiten lassen, dass nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts "Swinger-Clubs" in nicht unerheblicher Anzahl bestehen, ohne dass sich eine eindeutige Beurteilung als sittenwidrig herausgestellt hat. Gerichte und Verwaltungsbehörden beurteilen derartige Betriebe unterschiedlich, eine eindeutig negative Reaktion der Bevölkerung sei nicht feststellbar.
Die Erteilung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis, die nicht im Ermessen der Behörde steht, hängt von einer Vielzahl weiterer Voraussetzungen ab, die die Vorinstanz noch nicht überprüft hatte. Daher musste die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Geltung des Verkehrszeichens "Landwirtschaftlicher Verkehr frei"
Eine Fahrt im Sinne des Zusatzzeichens "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" muß zum Zwecke landwirtschaftlicher Bodennutzung erfolgen. Hierbei ist auf ein umgangssprachliches Begriffsverständnis abzustellen. Als Landwirtschaft wird gemeinhin die Bewirtschaftung des Bodens zum Zwecke der Erzeugung pflanzlicher oder tierischer Rohstoffe verstanden, wobei der allgemeine Sprachgebrauch die hobbygärtnerische Landbestellung ausnimmt. (nichtamtliche Leitsätze)
OVG NRW, Beschluß vom 17.6.2002
- Az: 5 A 1533/01
Der 5. Senat des OVG hat in dem Beschluß entschieden, dass das Zusatzzeichen 1026-36 "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" Fahrten, die nur der hobbygärtnerischen Landbestellung dienen, nicht von dem durch Zeichen 250 StVO "Verbot für Fahrzeuge aller Art" verfügten Verkehrsverbot ausnimmt.
Am 23. Oktober 1999 hatte der Kläger seinen PKW auf den Rheinwiesen in D. geparkt. Dieses Gelände ist nur über einen Zufahrtsweg zu erreichen, an dessen Anfang das Verkehrszeichen "Verbot für Fahrzeuge aller Art" mit dem Zusatzeichen "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" steht. Die Polizei sah den geparkten Wagen und rief einen Abschleppwagen herbei. Als dieser eintraf, kam der Kläger von einem nahe gelegenen Kleingartengelände und setzte das Auto selbst weg. Im März 2000 erhielt er einen Leistungs- und Gebührenbescheid des Polizeipräsidiums D. über 75,63 DM für eine Leerfahrt des Abschleppwagens und 48,-- DM Verwaltungsgebühren.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er sich darauf berief, die Sperrung der Straße gelte nicht für ihn, weil er Landwirtschaft betreibe; er habe in der Nähe der Rheinwiesen eine Fläche von 420 m² gepachtet, auf der er Kartoffeln, Gemüse, Kräuter, Gewürze und Obst anbaue. Am 23. Oktober 1999 habe er Werkzeug, Erde und Torf zu und von seinem Land befördert. Nachdem der Widerspruch von der Bezirksregierung zurückgewiesen worden war, hat der Kläger beim VG Düsseldorf Klage erhoben, das die Klage im Februar 2001 als unbegründet abgewiesen hat. Die gegen dieses Urteil vom Kläger beabsichtigte Berufung hat das OVG nicht zugelassen.
Die Fahrt des Klägers auf die Rheinwiesen sei kein landwirtschaftlicher Verkehr im Sinne des Zusatzzeichens "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" gewesen. Zwar könne auch die Fahrt mit einem PKW dem landwirtschaftlichen Verkehr zuzuordnen sein; sie müsse aber zum Zwecke landwirtschaftlicher Bodennutzung erfolgen. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Die Auslegung des Begriffs "Landwirtschaft" im straßenverkehrsrechtlichen Sinn müsse berücksichtigen, dass der Verkehrsteilnehmer in der Lage sein muss, sein Verhalten vor Ort ohne zeitliche Verzögerung auf die getroffene Regelung einzurichten.
Aus diesem Grund sei auf ein umgangssprachliches Begriffsverständnis abzustellen. Als Landwirtschaft werde gemeinhin die Bewirtschaftung des Bodens zum Zwecke der Erzeugung pflanzlicher oder tierischer Rohstoffe verstanden, wobei der allgemeine Sprachgebrauch die bloß hobbygärtnerische Landbestellung ausnehme. Sie sei gekennzeichnet durch die kleinparzellige Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf als Mittel zur Freizeitgestaltung und weiche damit von der Typik landwirtschaftlicher Produktionsweise deutlich ab; sie gehöre damit schon umgangssprachlich nicht zur Landwirtschaft. Da der Kläger seine Gartenparzelle lediglich hobbymäßig bestelle, könne ihm die durch das Zusatzzeichen "Landwirtschaftlicher Verkehr frei" getroffene Ausnahmeregelung nicht zugute kommen.
© StGB NRW 2003