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Hauptausschuss 2024
Heft Januar-Februar 2005
Gebührenfreiheit des Landesbetriebs Straßenbau
Der Landesbetrieb Straßenbau genießt nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) keine Gebührenfreiheit (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Köln, Urteil vom 24. September 2004
- Az.: 25 K 2038/04 -
In dem dem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt hatte die Kommune mit Gebührenbescheid von dem Landesbetrieb Straßenbau eine Verwaltungsgebühr für die Erteilung eines Zeugnisses zu den Vorkaufsrechten nach dem Baugesetzbuch gem. der Verwaltungsgebührensatzung gefordert. Mit dagegen erhobenem Widerspruch trug der Landesbetrieb Straßenbau u. a. vor:
Der Landesbetrieb Straßenbau NRW sei zwar formal ein organisatorisch abgesonderter Teil der Landesverwaltung, dessen Tätigkeit erwerbswirtschaftlich oder zumindest auf Kostendeckung ausgerichtet ist. Der durch eine entsprechende Formulierung im Landesorganisationsgesetz NRW erweckte Anschein eines wirtschaftlichen Unternehmens werde aber in der Praxis nicht verwirklicht, so dass die in § 8 Abs. 2 Gebührengesetz NRW in Gestalt eines ministeriellen Runderlasses eingeführte Gebührenfreiheit für Landesbetriebe auch im hier anwendbaren KAG Anwendung finden müsse.
Das VG Köln folgt dieser Argumentation nicht und stellt in dem Urteil ausdrücklich fest, dass die durch ministeriellen Erlass vom 24.03.2003 eingeführte Gebührenfreiheit für bestimmte Landesbetriebe im Geltungsbereich des Landesgebührenrechts auf das vorliegend anwendbare kommunale Gebührenrecht in Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden nicht übertragbar ist. § 5 Abs. 6 KAG enthalte keine Regelung, die dem im genannten Erlass in Bezug genommenen § 8 Abs. 3 GebG dem Wortlaut oder dem Sinn und Zweck nach vergleichbar ist. Angesichts dieser eindeutigen Nichtregelung einer Gebührenschuld bzw. Gebührenfreiheit für Landesbetriebe im KAG ist ein „Redaktionsversehen“ des Gesetzgebers ausgeschlossen.
Ob das Dienstleistungsunternehmen Landesbetrieb aktuell Gewinne erwirtschaftet oder im Wesentlichen auf Haushaltsmittel des Landes angewiesen ist, ist rechtlich nicht relevant; es kommt darauf an, wie ein Unternehmen intern verfasst ist und geführt wird und wie es nach außen hin auftritt.
Der Landesbetrieb Straßenbau NRW hat zwischenzeitlich die Zulassung der Berufung beantragt. Wir werden weiter berichten.
Fälligkeitstermine und Verzugszinspflicht für die Kreisumlage
Der Kreis ist aufgrund der Ermächtigung in § 56 Kreisordnung NRW zur Festsetzung der Kreisumlage auch befugt, in der Haushaltssatzung Fälligkeitstermine für deren Zahlung und eine angemessene Verzugszinspflicht für verspätete Zahlungen zu regeln.
OVG NRW, Urteil vom 12. Oktober 2004
- Az.: 15 A 4597/02 -
Nach der Haushaltssatzung des Kreises war die Kreisumlage in gleichen Monatsraten jeweils zum 20. eines jeden Monats zu zahlen. Erfolgte die Wertstellung der Zahlung nicht am Fälligkeitstag, fielen Verzugszinsen in Höhe von 6 % p.a. für die ausstehenden Beträge an. Die klagende kreisangehörige Gemeinde zahlte den Januarbetrag 2001 erst mit Wertstellung vom 07.02.2001. Den entsprechenden Zinsbescheid des Landrats des Kreises, des Beklagten, focht die Klägerin nach Durchlaufen des Widerspruchsverfahrens im Verwaltungsrechtsweg in beiden Instanzen erfolglos an.
Das OVG sieht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage zur Regelung der Fälligkeitstermine und Verzugszinspflicht durch die Kreise in § 56 KrO NRW.
Zwar regele § 56 KrO NRW unmittelbar nur die Ermächtigung zur Erhebung einer Kreisumlage, die Festsetzung des Umlagesatzes für jedes Haushaltsjahr und besondere Formen der Kreisumlage. Diese Regelungen seien für die Erhebung der Kreisumlage - auch unter Einbeziehung der Vorschriften über die Umlagegrundlagen in den jährlichen Gemeindefinanzierungsgesetzen - erkennbar unvollständig. Die Fälligkeit der Kreisumlagezahlungen sei nicht angesprochen, obwohl sich aus der Vorschrift über die Änderung des Umlagesatzes im Laufe eines Kalenderjahres in § 56 Abs. 2 und 3 KrO NRW ergibt, dass die Kreisumlage nicht erst zum Jahresende zu zahlen ist. Daraus folgt nach Auffassung des OVG NRW, dass der Kreis die Befugnis haben soll, Einzelheiten des Verfahrens der Festsetzung der Kreisumlage zu regeln.
Zu solchen Einzelheiten zählt auch die Rechtsfolge einer verspäteten Erfüllung der Zahlungspflicht in Form von Verzugszinsen. Der enge sachliche Zusammenhang von Zahlungspflichten und Verzugszinsen ergibt sich daraus, dass der Kreis schon nach allgemeinem Haushaltsrecht befugt ist, für gestundete Zahlungen angemessene Zinsen zu erheben, vgl. § 53 Abs. 1 KrO NRW i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 2 GemHVO NRW.
GVV-Versicherung ohne Ausschreibung
Städte und Gemeinden handeln nicht dadurch rechtswidrig, wenn sie ohne Durchführung eines förmlichen Ausschreibungsverfahrens ihre Aufgaben und Leistungen bei der GVV-Kommunalversicherung versichern lassen (In-House-Problematik).
LG Köln, Urteil vom 21. Oktober 2004
- Az.: 31 O 186/04 -
Die Provinzial Rheinland Versicherung AG hatte vor der Wettbewerbskammer des Landgerichts Köln Klage gegen die GVV-Kommunalversicherung mit dem Antrag eingelegt, es der GVV-Kommunalversicherung zu untersagen, mit öffentlichen Auftraggebern (Kommunen) Versicherungsverträge ab Erreichen der EU-Schwellenwerte ohne vorherige Ausschreibung abzuschließen. Die Klage wurde abgewiesen.
Zunächst weist das Gericht darauf hin, dass der GVV eigens zu dem Zweck gegründet worden sei, Versicherungsdienstleistungen für öffentliche Auftraggeber zu erbringen. Weiter stellt das Gericht fest, dass der GVV nicht unlauter handele, wenn er mit öffentlichen Auftraggebern entsprechende Verträge ohne vorherige Ausschreibung abschließe, solange die Rechtslage nicht eindeutig durch die hierzu berufenen Stellen geklärt sei.
Die Klage der Provinzial Rheinland Versicherung AG unterliege nicht den vergaberechtlichen Nachprüfungsbestimmungen der §§ 102 ff. GWB (Spezialvorschriften). Normadressat der Vergabevorschriften und dementsprechend alleiniger Anspruchsgegner sei im Nachprüfungsverfahren nur der öffentliche Auftraggeber, nicht aber der Mitbewerber (GVV-Versicherung).
Dementsprechend gehörten die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche vor die Zivilgerichte, weil insoweit eine Zuweisung im GWB fehle. Daran vermag nach Auffassung des Gerichts auch die - im Übrigen zutreffende - Auffassung der GVV-Versicherung (Beklagten) nichts zu ändern, dass es der Klägerin letztlich lediglich um die Klärung einer spezifischen vergaberechtlichen Rechtsfrage geht, für die die Zivilgerichte „an sich“ nicht zuständig sind.
Anspruchsnorm ist und bleibt gleichwohl allein das UWG, weil zu prüfen ist, ob die GVV-Versicherung sich durch das „Mitwirken“ an dem Rechtsverstoß eines öffentlichen Auftraggebers selbst wettbewerbswidrig verhält. Das aber ist eine Frage der Begründetheit der Klage und nicht der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den allgemeinen Zivilgerichten.
In der Sache selbst hält das LG das Petitum der Klägerin, der GVV-Versicherung den Abschluss von Verträgen der streitgegenständigen Art zu untersagen, für unbegründet, weil eine wettbewerbsrechtliche Störerhaftung der GVV-Versicherung, über die allein ein derartiger Anspruch begründet werden könnte, nicht bejaht werden kann.
Dabei hat es das LG offen gelassen, ob es sich bei der streitigen Vergabe von Kommunen an die GVV-Versicherung wegen der besonderen Strukturen der GVV-Satzung und der GVV-Versicherung als Selbsthilfeeinrichtung der Kommunen um ein so genanntes vergaberechtsfreies In-House-Geschäft handelt oder nicht. Denn selbst wenn zugunsten der Provinzialversicherung deren Rechtsauffassung nach einem Nichtvorliegen eines In-House-Geschäfts als zutreffend unterstellt werde, führe dies in Anbetracht der konkreten Umstände noch nicht zu einer Störerhaftung der GVV-Versicherung im vorliegenden Fall.
Zwar sei es nach Auffassung des LG richtig, dass die Rechtsprechung des BGH früher einen weiten Störerbegriff zugrunde legte, wonach auch derjenige wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden konnte, der zwar nicht selbst den (Norm-)Verstoß beging, der aber in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an dem Wettbewerbsverstoß eines Dritten mitwirkte, wozu auch das bloße Ausnutzen gehören konnte, wenn nur die Möglichkeit zur Verhinderung bestand. Diese Auffassung hat der BGH jedoch bereits seit einigen Jahren revidiert und in einer Mehrzahl jüngerer Entscheidungen Einschränkungen dahingehend vorgenommen, dass Voraussetzung für die Haftung zumindest die Verletzung von Prüfungspflichten sein müsse, deren Umfang sich nach den Umständen des Falles richte (vgl. BGH GRUR 2003, 969, GRUR 2004, 693 m. w. Nw.).
Unter Heranziehung dieser Maßstäbe lässt sich eine Haftung der GVV-Versicherung für die - unterstellte - vergaberechtswidrige Praxis öffentlicher Auftraggeber nicht rechtfertigen. Zwar geht auch das LG davon aus, dass die GVV-Versicherung gewisse Prüfungspflichten trafen. Wie aber zwischen den Parteien unstreitig ist, hat die GVV-Versicherung intensiv geprüft und sogar Gutachten in Auftrag gegeben, die ihre Rechtsauffassung nach Vorliegen eines In-House-Geschäfts bestätigen. Ferner kann sie auf eine Reihe von Literaturstimmen sowie einige gerichtliche Entscheidungen im Sinne ihrer Auffassung verweisen. Vor diesem Hintergrund kann der GVV-Versicherung nach Auffassung des LG nicht angesonnen werden, die ihr ungünstigste (strengste) Auffassung zur Richtschnur ihres Handelns zu machen, insbesondere wenn es bislang keine wirklich einschlägige obergerichtliche oder gar höchstrichterliche Entscheidung zu diesem Fragenkomplex (In-House-Problematik) gibt.
Zu demselben Ergebnis gelangt man erst recht, wenn man mit gewichtigen Literaturstimmen den Störerbegriff in der bisherigen Form aufgibt und als Haftungsvoraussetzung einer Anstifter- oder Gehilfeneigenschaft vorsätzliches Handeln für erforderlich hält. Dass die GVV-Versicherung bewusst eine falsche Rechtsauffassung vertreten habe, indem sie die angebotenen Leistungen der Kommunen ohne Ausschreibung nicht angenommen hat, wird ihr auch von der Klägerin nicht vorgeworfen.
Gegen das Urteil ist am 26.11.2004 Berufung einlegt worden.
© StGB NRW 2005