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Heft Januar-Februar 2008
Kommunale Beteiligung an den Lasten der Deutschen Einheit
Die kommunale Finanzierungsbeteiligung an den Lasten der Deutschen Einheit darf die bundesrechtlich vorgegebene Obergrenze von rund 40 v.H. des Landessolidarbeitrags nicht überschreiten (nichtamtlicher Leitsatz).
VerfGH NRW, Urteil vom 11. Dezember 2007
- Az.: VerfGH 10/06 -
Die Bundesstadt Bonn und weitere 20 Gemeinden des Landes hatten in einem Verfahren gegen das Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 u.a. geltend gemacht, die Höhe der Zuweisungen des Landes an die Gemeinden im Haushaltsjahr 2006 verletze die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 78 Abs. 1, 79 Satz 2 der Landesverfassung NRW - LV), weil der kommunale Solidarbeitrag zu den finanziellen Lasten der Deutschen Einheit nicht angemessen ausgeglichen worden sei. Zudem werde die Finanzierungsbeteiligung an den einheitsbedingten Lasten überproportional den gewerbesteuerstarken Gemeinden auferlegt, während einkommensteuerstarke Kommunen geschont würden.
Dem ist der Verfassungsgerichtshof NRW insoweit gefolgt, als er klargestellt hat, dass der Landesgesetzgeber die Überzahlung des kommunalen Beitrags zu den Lasten der Deutschen Einheit im Haushaltsjahr 2006 unter Beachtung der bundesrechtlich vorgegebenen Obergrenze einer kommunalen Finanzierungsbeteiligung an den einigungsbedingten Lasten in Höhe von rund 40 v.H. des Landessolidarbeitrags auszugleichen hat. In der mündlichen Urteilsbegründung führte Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Bertrams hierzu u.a. aus:
Dem Landesgesetzgeber sei für die Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der aus Art. 78, 79 Satz 2 LV abzuleitende Anspruch der Kommunen auf eine angemessene Finanzausstattung sei allerdings u.a. dann verletzt, wenn der Landesgesetzgeber Maßgaben des Bundesrechts nicht beachte, die für die kommunale Finanzmittelausstattung bindend seien. Gemessen daran halte sich die Umstellung im vertikalen Finanzausgleichssystem von einer „Spitzabrechnung“ des kommunalen Solidarbeitrags zu einem Ausgleichssystem, das auf einem prognostisch ermittelten Ausgleichsbetrag beruhe, im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Landesgesetzgebers.
Für den Fall, dass der zunächst prognostizierte angemessene kommunale Solidarbeitrag der tatsächlichen Entwicklung nicht entspreche, sondern dieser - wie vorliegend in einer Größenordnung von ca. 450 Mio. Euro - eine signifikant höher ausfallende Überzahlung erkennen lasse, sei der Landesgesetzgeber jedoch gehalten, unter Berücksichtigung der bundesrechtlichen Maßgaben in § 6 Abs. 3, Abs. 5 des Gesetzes zur Neuordnung der Gemeindefinanzen (GFRG) einen weitergehenden Ausgleich herbeizuführen. Der Ausgleichbetrag müsse der Obergrenze von „rund 40 v.H.“ angemessen Rechnung tragen.
Die Systemumstellung im Bereich des horizontalen Finanzausgleichs sei verfassungsgemäß. Es sei vom Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers gedeckt, die gewerbesteuerstärkeren Gemeinden an den Kosten der Deutschen Einheit relativ stärker zu beteiligen als die gewerbesteuerschwächeren Gemeinden. Das Gemeindefinanzierungsgesetz 2006 sehe einen hinreichenden Belastungsausgleich vor, der mit der Funktion des Finanzausgleichs unvereinbare Ergebnisse verhindere.
Berufungen gegen den Braunkohlentagebau Garzweiler
Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans für den Braunkohlentagebau Garzweiler steht mit den Vorgaben des Bundesberggesetzes im Einklang und verletzt keine Grundrechte. Insbesondere ist das Abbauvorhaben auf der Grundlage der politischen Leitentscheidungen energiepolitisch erforderlich (nichtamtliche Leitsätze).
OVG NRW, Urteile vom 21. Dezember 2007
- Az.: 11 A 1194/02 (Einwohner), 11 A 3051/06 (BUND) -
Der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit zwei Urteilen die Berufung eines Einwohners aus Erkelenz-Immerath und die Berufung des Naturschutzverbandes BUND zurückgewiesen. Beide Kläger wollten die Fortführung des Braunkohlentagebaus Garzweiler durch die RWE Power AG verhindern.
Die Berufung des Einwohners war vom Oberverwaltungsgericht bereits 2005 zurückgewiesen worden. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig seine bisherige Rechtsprechung geändert hatte, musste sich das OVG erneut mit dem streitigen Rahmenbetriebsplan befassen. Es wies die Berufung wiederum zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans stehe mit den Vorgaben des Bundesberggesetzes im Einklang und verletze keine Grundrechte. Insbesondere sei das Abbauvorhaben auf der Grundlage der politischen Leitentscheidungen energiepolitisch erforderlich. Deshalb sei die großflächige Inanspruchnahme von Grundstücken mit der Umsiedlung zahlreicher Menschen unter völliger Umgestaltung der Landschaft mit öffentlichen Interessen vereinbar. Die erforderliche Umsiedlung der Bewohner des betroffenen Gebietes werde nach den Festlegungen der Braunkohlenpläne sozialverträglich gestaltet. Die Bestimmungen des Naturschutzrechts seien eingehalten.
Der BUND, dessen frühere Klage gegen die Zulassung des Rahmenbetriebsplans bereits 2005 rechtskräftig abgewiesen worden war, blieb auch mit seiner Klage und Berufung gegen die Enteignung (Grundabtretung) seiner Obstwiese erfolglos: Die Inanspruchnahme seines Grundstücks diene dem Allgemeinwohl. Auf das Grundstück könne bei sachgemäßer Weiterführung des Tagebaus nicht verzichtet werden.
In beiden Verfahren hat das Oberverwaltungsgericht die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht möglich.
Nachsortieren von Haushaltsabfällen
Der Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen verletzt seine Überlassungspflicht nicht, wenn er oder ein von ihm beauftragter Dritter aus einem auf seinem Grundstück stehenden Restabfallbehälter vor Überlassung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger werthaltige Abfälle entnimmt und der ordnungsgemäßen Entsorgung zuführt (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2007
- Az.: 7 C 42.07 -
Die Klägerin, ein Dienstleistungsunternehmen, wurde von einem Wohnungsunternehmen beauftragt, den Inhalt der Restabfallbehälter auf dem Wohngrundstück vor Ort nachzusortieren und werthaltige Abfälle wie Papier, Karton, Verpackungsmaterial und Altglas den dafür bestimmten Wertstoffbehältern zuzuführen. Das Abfallwirtschaftsunternehmen der Stadt Mannheim untersagte der Klägerin das Aussondern, weil sie damit in die Organisationshoheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers eingreife, eine unzulässige Abfallbehandlung vornehme und Gesundheitsgefahren verursache. Die dagegen erhobene Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt: Abfälle werden in der Regel bereitgestellt, bevor sie überlassen werden. Erst die Überlassung der Abfälle an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger löst dessen Entsorgungspflicht aus. Vor der Überlassung ist der Abfallbesitzer berechtigt, in den Restabfallbehälter geworfene werthaltige Abfälle auszusortieren und ordnungsgemäß entsorgen zu lassen. Der bundesrechtliche Begriff des Überlassens schließt eine landesrechtliche Regelung aus, die schon das Bereitstellen als Überlassen der Abfälle fingiert.
Durch Landesrecht dürfen nur Ort, Zeit sowie Art und Weise der Überlassung von Abfällen konkretisiert werden. Vor der Abfuhr der Abfälle darf der Abfallbesitzer Abfälle aus dem Abfallbehälter aussondern und der ordnungsgemäßen Entsorgung zuführen. Darin liegt auch keine unzulässige Abfallbehandlung. An die Feststellungen der Vorinstanz, dass die Sortiermaßnahmen im konkreten Fall keine Gesundheitsgefahren hervorrufen und mit den Bestimmungen der Abfallwirtschaftssatzung der Stadt Mannheim vereinbar sind, war das Bundesverwaltungsgericht aus prozessualen Gründen gebunden.
© StGB NRW 2008