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Heft Juli-August 2007
Verfassungsmäßigkeit eines Nachtragshaushalts
Das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2005 ist wegen Überschreitung der Kreditgrenze verfassungswidrig.
VerfGH NRW, Urteil vom 24. April 2007
- Az.: VerfGH 9/06 -
Nach Art. 83 Satz 2 der Landesverfassung NRW (LV) dürfen die Einnahmen aus Krediten entsprechend den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in der Regel nur bis zur Höhe der Investitionsausgaben in den Haushaltsplan eingestellt werden. Die im Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2005 veranschlagte Netto-Neuverschuldung übersteigt die dort ausgewiesene Summe der Investitionen um 1,4251 Milliarden €. Nach Ansicht des Gesetzgebers rechtfertigt sich die Überschreitung der Kreditgrenze aus der Unmöglichkeit ihrer Einhaltung. Die nach der Landtagswahl 2005 vorgefundenen umfangreichen Haushaltsverschlechterungen hätten durch Einsparungen nicht kompensiert werden können.
Dem ist der Verfassungsgerichtshof NRW nicht gefolgt. Er hat festgestellt, dass die Überschreitung der Kreditgrenze gegen Art. 83 Satz 2 LV verstößt. In der mündlichen Urteilsbegründung hieß es:
Von der in Art. 83 Satz 2 LV normierten Regelverschuldungsgrenze dürfe grundsätzlich nur zur Abwehr einer - hier nicht in Rede stehenden - Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und darüber hinaus allenfalls zur Bewältigung exzeptioneller Sondersituationen abgewichen werden. Eine derartige Sondersituation liege nicht schon dann vor, wenn während des laufenden Haushaltsjahres ein Regierungswechsel erfolge und die neue Landesregierung sich aufgrund der vorgefundenen Haushaltssituation nicht in der Lage sehe, die von ihr als zwingend notwendig erachteten Ausgaben ohne Überschreitung der Kreditgrenze zu tätigen. Jeder neu gewählte Haushaltsgesetzgeber müsse von den konkret gegebenen Bedingungen ausgehen und sein Handeln danach einrichten. Die hierdurch bedingten temporären Einschränkungen stellten seine politischen Gestaltungsmöglichkeiten nicht grundsätzlich in Frage. Denn diese seien ihrerseits durch das geltende Verfassungsrecht begrenzt, zu dem auch die restriktive Kreditregelung des Art. 83 Satz 2 LV gehöre. Die Vorschrift sei haushaltsverfassungsrechtlicher Ausdruck des Demokratieprinzips. Indem sie den finanziellen Handlungsspielraum des aktuellen Gesetzgebers beschränke, sichere sie die Handlungsfähigkeit künftiger Gesetzgeber. Dieses Schutzanliegen beanspruche auch bei einem Regierungswechsel im laufenden Haushaltsjahr Beachtung.
Aufwendungsersatz für Beseitigung von Ölspuren
Gemeinden können vom Land für die Beseitigung von Ölspuren auf Landesstraßen durch die gemeindlichen Feuerwehren grundsätzlich keinen Aufwendungsersatz beanspruchen (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Urteil vom 16. Februar 2007
- Az.: 9 A 4239/04 -
Die Feuerwehr der Stadt Wesseling (Klägerin) entfernte an einem Sonntag im November 2000 nach entsprechender Benachrichtigung ihrer Leitstelle eine mehrere hundert Meter lange, etwa 50 cm breite Ölspur auf einer durch das Gemeindegebiet führenden Landesstraße (außerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrt). Die Beseitigung erfolgte durch Abstreuen sowie Aufnehmen und Entsorgen des Ölbindemittels. Da der Verursacher der Ölspur unbekannt blieb, verlangte die Klägerin vom beklagten Land als dem Träger der Straßenbaulast Ersatz der ihr entstandenen Aufwendungen in Höhe von etwa 250 €. Das erstinstanzlich angerufene Verwaltungsgericht Köln wies die Klage ab.
Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das OVG nunmehr zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Rechtsinstitut der öffentlich-rechtlichen Geschäftsbesorgung ohne Auftrag (GoA) sei hier nicht anwendbar. Die wirksame Beseitigung der Ölspur stelle eine Hilfeleistung in einem Unglücksfall dar. Die Hilfeleistung sei erst abgeschlossen, wenn das Ölbindemittel entsorgt sei. Der Gesetzgeber habe für derartige Pflichteinsätze der Feuerwehren den Grundsatz der Unentgeltlichkeit festgeschrieben. Daher scheide ein Anspruch aus GoA aus. Gleiches gelte für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Reichweite der Zweitwohnungssteuer
Auch eine Zweitwohnung, die der Trennung vor einer möglichen Ehescheidung dient, unterliegt der Zweitwohnungssteuer (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Beschluss vom 24. Mai 2007
- Az.: 14 A 2608/05 -
Der 14. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit dem Beschluss den Antrag eines Bielefelders auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Minden abgelehnt, mit dem die Klage gegen einen Zweitwohnungssteuerbescheid der Stadt Bielefeld aus dem Jahr 2003 abgewiesen worden war.
Der Kläger ist Miteigentümer eines Einfamilienhauses in Bielefeld, das melderechtlich seine Hauptwohnung ist. Tatsächlich bewohnt er eine knapp 45 qm große ebenfalls in Bielefeld gelegene Mietwohnung, weil er sich von seiner Frau getrennt hat und die Scheidung der Ehe in Betracht zieht. Im Oktober 2003 zog die Stadt Bielefeld den Kläger aufgrund der städtischen Zweitwohnungssteuersatzung für die Zweitwohnung zu einer Jahressteuer von 216,-- Euro heran. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Minden ab. Gegen dieses Urteil beantragte der Kläger beim OVG die Zulassung der Berufung im Wesentlichen mit der Begründung, die Zweitwohnungssteuer bedeute für ihn eine unzulässige "Doppelbesteuerung", weil er weiterhin alle für die Hauptwohnung anfallenden Abgaben entrichte; außerdem diene die Zweitwohnung der räumlichen Trennung von seiner Ehefrau, um die für eine etwaige Ehescheidung notwendige Trennungszeit zu erreichen.
Das OVG hat den Antrag auf Zulassung der Berufung als unbegründet abgelehnt. Solange der Kläger neben seiner Hauptwohnung in Bielefeld eine Zweitwohnung unterhalte, unterliege er der von der Stadt Bielefeld eingeführten Zweitwohnungssteuer. Dass er wegen der Trennung von seiner Ehefrau die Hauptwohnung nicht, sondern nur die Zweitwohnung nutze, sei unerheblich. Selbst wenn die Trennung von seiner Ehefrau schon endgültig wäre, dürfte die Zweitwohnungssteuer erhoben werden, solange er mit einer Haupt- und einer Nebenwohnung melderechtlich erfasst sei. Er könne der Zweitwohnungssteuer entgehen, wenn er die jetzige Nebenwohnung zu seiner Hauptwohnung mache. Es sei anerkannt, dass mit der Zweitwohnungssteuer neben der Einnahmeerzielung auch Lenkungszwecke verfolgt werden dürften. So dürfe auch die Motivation gefördert werden, sich im melderechtlich zulässigen Rahmen zur Verlegung des Erstwohnsitzes zu entscheiden.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.
Erhöhung von Kindergartenbeiträgen
Die kommunalaufsichtliche Verfügung der Bezirksregierung Münster, mit der die Stadt Gelsenkirchen verpflichtet wird, die Elternbeiträge für Tageseinrichtungen für Kinder zu erhöhen, um die Verringerung von Landeszuweisungen für die Finanzierung der Tageseinrichtungen für Kinder auszugleichen, ist rechtmäßig (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Beschluss vom 24. Mai 2007
- Az.: 15 B 778/07 -
Der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit dem Beschluss die Beschwerde der Stadt Gelsenkirchen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 22.05.2007 zurückgewiesen. In diesem Beschluss hatte das Verwaltungsgericht den Eilantrag der Stadt Gelsenkirchen abgelehnt, mit dem sie sich gegen eine kommunalaufsichtliche Verfügung der Bezirksregierung Münster wehrte.
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die Verringerung von Landeszuweisungen für die Finanzierung von Tageseinrichtungen für Kinder dürfe eine Gemeinde nicht ausschließlich durch Aufnahme von Krediten oder durch Steuern ausgleichen. Vielmehr müsse die Gemeinde auch eine Erhöhung der Elternbeiträge für solche Einrichtungen prüfen. Dabei dürfe sie von einer Erhöhung der Elternbeiträge nur dann absehen, wenn die Elternbeiträge bereits in ihrer gegenwärtigen Höhe ein sozial noch vertretbares Maß erreicht hätten. Diese Ausnahme liege im Fall der Stadt Gelsenkirchen schon deshalb nicht vor, weil die Stadt zuletzt im Jahr 1993 die Elternbeiträge für Tageseinrichtungen für Kinder angehoben habe. Deshalb sei die Bezirksregierung Münster als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde berechtigt, die erforderliche Erhöhung der Elternbeiträge im Wege der Kommunalaufsicht vorzunehmen.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.
© StGB NRW 2007