Heft Juli-August 2020

Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen

Das Oberverwaltungsgericht hat in einem Eilverfahren entschieden, dass sowohl die Maskenpflicht als auch die Kontaktbeschränkungen nach der nordrhein-westfälischen Coronaschutzverordnung derzeit voraussichtlich rechtmäßig sind.

OVG NRW, Beschluss vom 19.05.2020
- Az.: 13 B 557/20.NE -

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Pflicht, in bestimmten sozialen Situationen, etwa beim Einkaufen, in Arztpraxen oder während des Benutzens öffentlicher Verkehrsmittel, eine textile Mund-Nase-Bedeckung zu tragen. Sie beanstandet außerdem die geltenden Kontaktbeschränkungen. Danach dürfen mehrerer Personen im öffentlichen Raum nur zusammentreffen, wenn es sich um Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Ehegatten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, Personen aus maximal zwei verschiedenen häuslichen Gemeinschaften, die Begleitung minderjähriger und unterstützungsbedürftiger Personen sowie zwingend notwendige Zusammenkünfte aus betreuungsrelevanten Gründen handelt. Weitere Ausnahmen betreffen lediglich nach anderen Bestimmungen zulässige Ansammlungen und Zusammenkünfte (z. B. bei der Nutzung von Beförderungsleistungen im Personenverkehr oder der Teilnahme an kontaktfreien sportlichen Betätigungen). Außerhalb dieser zulässigen Gruppen ist im öffentlichen Raum zu allen anderen Personen grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Die Antragstellerin macht unter anderem geltend, diese Vorschriften seien unverhältnismäßig. Aufgrund der Regelungen sei es ihr nur noch eingeschränkt möglich, soziale Kontakte zu pflegen. Insbesondere könne sie sich nicht wie früher mit mehreren Freundinnen in der Öffentlichkeit treffen, was sie psychisch schwer belaste. Die Maskenpflicht sei darüber hinaus weder geeignet noch erforderlich.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die angegriffene Beschränkung von Zusammenkünften und Ansammlungen von Personen im öffentlichen Raum und das damit im Zusammenhang stehende Gebot zur Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern seien derzeit voraussichtlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Verordnungsgeber verfolge mit diesen Regelungen den legitimen Zweck, die Ansteckungsgefahr trotz der stufenweisen (Wiederer-)Öffnung nahezu aller Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens weiterhin einzudämmen. Dem liege die nach derzeitigem Erkenntnisstand tragfähige Annahme zugrunde, dass durch eine Reduzierung unmittelbarer persönlicher Kontakte und die Einhaltung bestimmter Abstände zu anderen Personen die Ausbreitung des sich primär im Wege einer Tröpfcheninfektion besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren neuartigen Coronavirus verlangsamt und die Infektionsdynamik verzögert werden könne. Vor diesem Hintergrund sei der mit den Bestimmungen verbundene Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und gegebenenfalls in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sowohl die Kontaktbeschränkungen als auch das Abstandsgebot nur Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum beträfen, während Treffen in häuslicher Umgebung hingegen nicht verboten seien. Aufgrund der bestehenden Ausnahmen bleibe zudem neben der im häuslichen Bereich weiterhin möglichen Pflege sozialer oder persönlicher Kontakte ein nicht unerhebliches Maß an Kontaktmöglichkeiten auch in der Öffentlichkeit gewahrt.

Entsprechendes gelte im Ergebnis für die Maskenpflicht. Es sei weiterhin unbedenklich, wenn der Verordnungsgeber gestützt auf die aktuelle Empfehlung des Robert Koch-Instituts davon ausgehe, dass das Tragen auch sogenannter Behelfs- oder Alltagsmasken dazu beitragen könne, Übertragungen des Virus im Sinne eines Fremdschutzes zu reduzieren. Grundrechtliche Beeinträchtigungen durch das Maskentragen seien angesichts dessen vorübergehend gerechtfertigt. Das Oberverwaltungsgericht hat damit seine bisherige Rechtsprechung (vgl. Rubrik Kurz-Gericht in StGR 06/2020 zu OVG NRW, Beschluss vom 30.04.2020 – 13 B 539/20.NE) bestätigt. Soweit die Antragstellerin demgegenüber vorschlage, vorrangig Risikogruppen mit FFP2- oder FFP3-Masken auszustatten, müsse dies schon daran scheitern, dass solche Masken nicht ansatzweise in ausreichender Zahl zur Verfügung stünden, denn allein diejenigen, die 60 Jahre oder älter seien, machten etwa 30 % der Gesamtbevölkerung aus. Im Übrigen sei der Staat nach der Freiheitsordnung des Grundgesetzes nicht darauf beschränkt, den Schutz besonders gesundheits- und lebensgefährdeter Menschen allein durch Beschränkungen ihrer eigenen Freiheit zu bewerkstelligen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

 

Kein Anspruch auf NRW-Soforthilfe wegen privater Existenzgefährdung

Im gerichtlichen Eilverfahren kann eine NRW-Soforthilfe 2020 nicht gewährt werden, wenn der Antragsteller nicht glaubhaft macht, dass ohne die Zahlung eine Existenzgefährdung seines Unternehmens vorliegen würde, sondern sich auf eine private Existenzgefährdung beruft.

VG Köln, Beschluss vom 08.05.2020
- Az.: 16 L 787/20 -

Eine Solo-Selbständige beantragte bei der Bezirksregierung Köln mittels eines Online-Antrags die Gewährung von „NRW-Soforthilfe 2020“ in Höhe von 9.000 Euro. Diesen Antrag lehnte die Bezirksregierung Köln im Online-Verfahren ab, weil die Voraussetzungen nicht vorlägen.

Die Antragstellerin wandte sich daraufhin mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht und begehrte die Auszahlung der Soforthilfe, weil ohne die Zahlung ihre private Existenz bedroht sei. Da sie keine Einnahmen mehr aus ihrer selbständigen Tätigkeit habe, benötige sie die Beihilfe zur Deckung der Miete für ihre Privatwohnung, ihrer Krankenversicherungsbeiträge und sonstiger Lebensunterhaltskosten.

Das Gericht hat den Antrag abgelehnt. Eine Gewährung der Soforthilfe sei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Sie könne zwar in Betracht kommen, wenn ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährdet würde. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der „Soforthilfen NRW 2020“ sei aber erforderlich, dass der Betroffene die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmens darlege.

Denn das von der Bundesregierung beschlossene Maßnahmenpaket zur Unterstützung der von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen sei so konzipiert, dass die Beihilfen aus dem Programm „Soforthilfe NRW 2020“ ausschließlich für bestehende Verbindlichkeiten des Unternehmens gewährt und verwendet werden sollten. In Abgrenzung dazu solle etwa das Gehalt von Mitarbeitern durch das Kurzarbeitergeld gesichert werden und für den persönlichen Lebensunterhalt solle Arbeitslosengeld II vereinfacht beantragt und verwendet werden können.

Die Antragstellerin erfülle die genannten Voraussetzungen nicht, da sie nicht glaubhaft gemacht habe, dass sie die Beihilfen für Verbindlichkeiten ihres Unternehmens benötige bzw. überhaupt Verbindlichkeiten des Unternehmens bestünden, sondern ausschließlich geltend gemacht habe, ihre private Existenz sei bedroht.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim OVG NRW eingelegt werden.

 

Düsseldorfer Allgemeinverfügung zu Alkohol-Verkaufsverbot

Ein durch Allgemeinverfügung der Stadt Düsseldorf angeordnetes Verbot des Verkaufs alkoholischer Getränke zum Außer-Haus-Verzehr ist rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat dem Eilantrag eines Lebensmitteleinzelhandels-Unternehmens stattgegeben.

VG Düsseldorf, Beschluss vom 25.05.2020
- Az.: 7 L 903/20 -

Gegenstand der „Allgemeinverfügung zum Schutz der Bevölkerung vor Infektionen mit dem Virus SARS-CoV-2“ vom 14. Mai 2020 war insbesondere ein Verbot des Verkaufs alkoholischer Getränke, die zum Verzehr außer Haus bestimmt sind, im Bereich der Düsseldorfer Altstadt. Untersagt wird der Verkauf in der Zeit von montags bis freitags ab 18.00 Uhr sowie samstags, sonntags und an gesetzlichen Feiertagen ab 15.00 Uhr jeweils bis 6.00 Uhr des folgenden Tages. Ausweislich der Begründung der Allgemeinverfügung würden unkontrollierte Ansammlungen in der Altstadt vermieden oder signifikant reduziert, wenn die spontane Beschaffung alkoholischer Getränke nicht möglich sei oder erschwert werde.

Dieses Verbot kann nach der Entscheidung nicht auf die Ermächtigungsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gestützt werden. Das Verbot sei keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne der Vorschrift. Es sei nicht geeignet, den angestrebten Zweck zu erreichen. Nach der Begründung der Allgemeinverfügung diene es dem Zweck, weitere Infektionen mit dem Corona-Virus zu vermeiden und damit die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen. Weder der Verkauf noch der Verzehr von Alkohol außer Haus führten jedoch unmittelbar zu weiteren Infektionen und zur Ausbreitung der Krankheit. Das Verbot sei auch nicht geeignet, das Besucheraufkommen in der Düsseldorfer Altstadt in dem Verbotszeitraum zu reduzieren. Insbesondere werde der Gefahr, dass das Abstandsgebot nicht eingehalten werde, mit der Untersagung des Außerhausverkaufs von alkoholischen Getränken nicht entgegengewirkt. Die Stadt Düsseldorf gehe selbst davon aus, dass eine die Kapazitäten der Gastronomiebetriebe wesentlich übersteigende Anzahl von Besuchern auch in Kenntnis dieser Umstände die Altstadt aufsuchen werde. Das Verkaufsverbot sei auch nicht geeignet, das Absenken der Hemmschwelle zur Missachtung des Abstandsgebots relevant zu verhindern. Möglich bleibe ein Fehlverhalten all der Personen, die durch den Besuch der Gastronomiebetriebe in der Altstadt selbst bzw. durch außerhalb der Verbotszone erworbene und mitgebrachte Alkoholika alkoholisiert seien und Bereiche wie den Burgplatz und die dort befindliche Freitreppe aufsuchten. Es sei Aufgabe der Stadt Düsseldorf, ggf. mit Unterstützung der Polizei die infektionsschutzrechtlich Verpflichteten zur Einhaltung des Mindestabstands bzw. zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung anzuhalten und diese Pflichten auch durchzusetzen. Als weitere Maßnahmen böten sich Zugangsbeschränkungen zur Altstadt und die Einrichtung von Sperrzonen an, um der befürchteten Überfüllung der Altstadt entgegenzuwirken.

Gegen die Entscheidung kann die Stadt Düsseldorf Beschwerde vor dem OVG NRW erheben.

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