Heft Juli-August 2023

Gültigkeit einer Wahl zur Stadtverordnetenversammlung

Nach Entscheidung des VG Arnsberg ist die am 13. September 2020 durchgeführte Wahl zur Stadtverordnetenversammlung der Stadt Attendorn gültig.

VG Arnsberg, Urteil vom 21. April 2023
- Az.: 12 K 3694/20 -

Am Wahltag waren in einem Wahllokal in Attendorn bis zur Mittagszeit an 57 Wahlberechtigte lediglich die drei Stimmzettel für die Wahlen zum Kreistag, des Landrates sowie des Bürgermeisters ausgegeben worden, die Stimmzettel für die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung jedoch nicht. Bis zur Schließung der Wahllokale gaben 52 Wahlberechtigte ihre Stimme zur Stadtverordnetenversammlung noch ab. Von den fünf Personen, die nicht erneut ins Wahllokal gegangen sind, hatten zwei Wahlberechtigte gegenüber einer Mitarbeiterin der Stadt Attendorn, die über den aufgetretenen Fehler informiert wurde und einen Fahrdienst ins Wahllokal angeboten hatte, ausdrücklich erklärt, nicht mehr wählen zu wollen. Sofern die anderen drei Wahlberechtigten noch gewählt und alle ihre Stimmen für Bündnis 90/Die Grünen abgegeben hätten, hätten Bündnis 90/Die Grünen einen weiteren Sitz in der Stadtverordnetenversammlung erhalten, während die CDU auf einen Sitz hätte verzichten müssen.

Obwohl - so das VG - mit Blick auf diese drei Stimmen ein Wahlfehler vorliege, sei die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung Attendorn dennoch gültig. Denn eine Wahl sei nur dann für ungültig zu erklären, wenn bei der Wahlhandlung Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, die im jeweiligen Einzelfall auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluss gewesen sein können. Es müsse nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine konkrete und nicht ganz fern liegende Wahrscheinlichkeit für die Möglichkeit einer Beeinflussung bestehen. Dies sei in Attendorn jedoch nicht der Fall gewesen.

Das Gericht unterstellt bei seiner Prüfung, ob bei Abgabe der hier fehlenden Stimmen eine Veränderung der Sitzverteilung in Betracht gekommen wäre, dass der vermeintlich benachteiligte Wahlbewerber bei den betroffenen Wählern einen seinem besten Wahlergebnis in der Gemeinde vergleichbaren Erfolg gehabt hätte. Bündnis 90/Die Grünen haben bei der Stadtverordnetenwahl Attendorn im Jahr 2020 in ihrem stärksten Wahlbezirk (nur) 17,66 % der abgegebenen Stimmen erreicht. Dies entspreche - bei hypothetischer Hochrechnung bezogen auf drei Stimmen - einem Anteil von 0,53. Damit wäre allenfalls anzunehmen, dass maximal eine der in Rede stehenden drei Stimmen auf Bündnis 90/Die Grünen entfallen wäre. Mit nur einer Stimme hätte Bündnis 90/Die Grünen aber keinen weiteren Sitz in der Stadtverordnetenversammlung erringen können. Die Stadtverordnetenversammlung Attendorn sei nun gehalten, die Wahl in dem betroffenen Stimmbezirk in einem Wahlprüfungsbeschluss für gültig zu erklären.

Gegen das Urteil konnte ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden.

 

Auskunftsanspruch der Presse

Die Stadt Bottrop muss einem Pressevertreter Auskunft zu ihrem sogenannten Zwischenmietprogramm und den Ergebnissen der von ihr beauftragen Passantenfrequenzzählung erteilen. Dies hat das VG Gelsenkirchen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beschlossen.

VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 25. April 2023
- Az.: 15 L 246/23 -

Der Antragsteller ist Journalist und Verleger des Recherchenetzwerks CORRECTIV. Zugleich betreibt er in der Bottroper Innenstadt einen Concept Store und einen mobilen Kaffeewagen. Die Stadt Bottrop, hier Antragsgegnerin, mietet mit finanzieller Förderung des Landes in ihrem Innenstadtbereich Ladenlokale zu einer im Vergleich zur Altmiete reduzierten Miete an und vermietet die Ladenlokale selbst zu einem reduzierten Mietzins an Unternehmerinnen und Unternehmer mit neuen und innovativen Konzepten (sog. „Zwischenmietprogramm“). Dieses Instrument soll einem Leerstand von Gewerberäumen in der Innenstadt entgegenwirken. Außerdem ließ die Stadt in ihrer Innenstadt die Passantenfrequenz von einem privaten Unternehmen bis Juni 2022 zählen (Passantenfrequenzzählung).

Der Antragsteller begehrte im September 2022 von der Antragsgegnerin die Erteilung vonAuskünften zu Einzelheiten des Zwischenmietprogramms, wie die Namen der teilnehmenden Vermieter, und zu Einzelheiten der Passantenfrequenzzählung. Die Antragsgegnerin kam dem Auskunftsbegehren teilweise nach. Sie verweigerte jedoch die Auskunft über die Namen derjenigen Vermieter, die einer Weitergabe ihrer Namen nicht zugestimmt hatten. Eine konkrete Antwort zur Passantenfrequenzzählung könne sie nicht zur Verfügung stellen. Die Auswertung der Untersuchung habe dem Wirtschaftsförderungsausschuss im Februar 2023 erkrankungsbedingt nicht vorgestellt werden können, diesund sei auf den 2. Juni 2023 vertagt worden.

Das VG hat der Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller die Namen der Vermieter zu nennen. Ein schutzwürdiges privates Interesse werde durch die Auskunftserteilung nicht verletzt. Das Interesse der Vermieter, ihre Namen dem Antragsteller nicht zu offenbaren, müsse gegenüber dem Auskunftsanspruch der Presse zurückstehen. Dem Interesse des Antragstellers an den begehrten Auskünften komme besonderes Gewicht zu, da die Auskunft auch auf die sachgerechte Verwendung öffentlicher Mittel ziele. An der transparenten Verwendung von Steuergeldern bzw. öffentlicher Mittel bestehe grundsätzlich ein hohes gesamtgesellschaftliches Interesse, dem die Presse im Rahmen der ihr obliegenden Öffentlichkeitskontrolle diene.

Weiter hat das Gericht der Antragsgegnerin aufgegeben, dem Antragsteller Auskunft über einzelne Daten der Passantenfrequenzen und über die Höhe der an das beauftragte Unternehmen gezahlten Vergütung für die Zählung zu erteilen. Rechtlich erhebliche Gründe, die dem Auskunftsanspruch entgegengehalten werden könnten, habe die Antragsgegnerin nicht geltend gemacht.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde erhoben werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheidet.

 

Erhebung der Postanschrift bei IFG-Antrag

Laut Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) darf das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) nicht standardmäßig die Angabe der Postanschrift des Antragstellers verlangen, der über die Internetplattform „fragdenstaat.de“ einen Antrag auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) stellt.

OVG NRW, Urteil vom 15. Juni 2022
- Az.: 16 A 857/21, 16 A 858/21 -

Ein Bürger stellte mittels einer von der Internetplattform „fragdenstaat.de“ generierten, nicht personalisierten E-Mail-Adresse beim BMI einen Auskunftsantrag nach dem IFG. Das Ministerium forderte ihn dazu auf, seine Postanschrift mitzuteilen, da andernfalls der verfahrensbeendende Verwaltungsakt nicht bekanntgegeben und das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könne. Aufgrund dessen sprach der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) eine datenschutzrechtliche Verwarnung gegenüber dem BMI aus. Das Verwaltungsgericht (VG) Köln gab der dagegen gerichteten Klage des BMI statt und hob die Verwarnung auf. Die Berufung des BfDI hatte Erfolg.

Die Verwarnung des Ministeriums durch den BfDI - so das OVG NRW - sei rechtmäßig. Die Erhebung der Postanschrift sei zum Zeitpunkt der Datenverarbeitung für die vom BMI verfolgten Zwecke nicht erforderlich gewesen. Weder aus den maßgeblichen Vorschriften des IFG noch aus den Grundsätzen des Allgemeinen Verwaltungsrechts gehe hervor, dass ein Antrag nach dem IFG stets die Angabe einer Postanschrift erfordert. Anhaltspunkte dafür, dass eine Datenerhebung im vorliegenden Einzelfall erforderlich war, lägen ebenfalls nicht vor.

Das Oberverwaltungsgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

In einem weiteren, auf einem vergleichbaren Sachverhalt beruhenden Verfahren hatten der BfDI und die beigeladene Open Knowledge Foundation, die die Internetplattform „fragdenstaat.de“ betreibt, mit ihren Berufungen hingegen keinen Erfolg. Der BfDI hatte dem BMI die datenschutzrechtliche Anweisung erteilt, in Verfahren nach dem IFG über die vom Antragsteller übermittelten Kontaktdaten hinaus nur noch dann zusätzliche personenbezogene Daten zu verarbeiten, wenn ein Antrag ganz oder teilweise abzulehnen sein wird oder wenn Gebühren zu erheben sind. Wie schon das VG Köln hielt auch das Oberverwaltungsgericht diese Anweisung für rechtswidrig - allerdings aus anderen Gründen. Der streitgegenständliche Bescheid weise jedenfalls einen zu weitreichenden Regelungsgehalt auf, weil er eine Datenverarbeitung auch für die Fälle verbietet, in denen sie ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnte.

In diesem Verfahren hat das Oberverwaltungsgericht die Revision nicht zugelassen.

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search