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Hauptausschuss 2024
Heft Juni 2003
Hinzufügen eines Vornamens aus religiösen Gründen
Ein Kind, welches noch nicht wesentlich am Rechtsverkehr teilgenommen hat, hat grundsätzlich einen Anspruch auf Beifügung eines weiteren Vornamens, wenn dies aus verpflichtend angesehenen Gründen der religiösen Überzeugung begehrt wird (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteil vom 26.03.2003
- Az.: 6 C 26.02 -
Das Bundesverwaltungsgericht hat der Klage eines inzwischen 15-jährigen Mädchens auf Änderung des Vornamens stattgegeben. Das Mädchen, das den Vornamen S. trägt, hatte aus Anlass seiner im Alter von knapp zehn Jahren erfolgten Taufe nach römisch-katholischem Ritus den aus dem Namen der Mutter abgeleiteten, auf den Namen mehrerer "Heiliger" zurückgehenden "Taufnamen" K. erhalten, den es seinem Vornamen S. als weiteren Vornamen voranstellen wollte. Damit wollte das Mädchen seinen Übertritt zum römisch-katholischen Bekenntnis auch nach außen verdeutlichen.
Die Verwaltungsbehörden hatten den Antrag abgelehnt, die Vorinstanzen waren zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Das BVerwG hat entschieden, dass ein Kind, das noch nicht wesentlich am Rechtsverkehr teilgenommen hat, grundsätzlich einen Anspruch auf Beifügung eines weiteren Vornamens hat, wenn dies aus verpflichtend angesehenen Gründen der religiösen Überzeugung begehrt wird. Das sich im Personenstandsrecht niederschlagende öffentliche Interesse an der Vornamenskontinuität habe in derartigen Fällen regelmäßig nur geringes Gewicht und müsse gegenüber dem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG zurücktreten.
Abberufung eines Ratsvertreters im Aufsichtsrat
Dem vom Rat entsandten Vertreter im Aufsichtsrat einer GmbH steht im Grundsatz keine wehrfähige Innenrechtsposition zu, kraft deren er seine Abberufung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 3 GO NRW verhindern kann. Eine solche Rechtsposition ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften über die Verhältniswahl bei der Besetzung der Aufsichtsratspositionen durch den Rat.
OVG NRW, Beschluss vom 21.05.2002
- Az.: 15 B 238/02 -
Der Antragsteller wehrte sich mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen seine Abberufung als vom Rat entsandtes Mitglied des Aufsichtsrates der Stadtwerke S. GmbH. Hierbei berief er sich im Wesentlichen auf eine Verletzung der Grundsätze der Verhältniswahl bei der Entscheidung des Rates über seine Abberufung. Die Beschwerde des Antragsgegners führte zur Änderung des stattgebenden Beschlusses des VG und zur Ablehnung des Antrages.
Nach Auffassung des OVG steht dem Antragsteller kein Anordnungsanspruch auf Unterlassung der Vollziehung der Abberufung zu. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es sich bei der geltend gemachten Rechtsposition der Stellung als Vertreter der Gemeinde im Aufsichtsrat der Stadtwerke S. GmbH um eine durch das kommunale Innenrecht eingeräumte Zuständigkeit handelt, die dem betroffenen Organ oder Organteil als wehrfähiges subjektives Organrecht zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesen ist.
Eine entsprechende Rechtsposition setze voraus, dass dem einzelnen Ratsmitglied die organschaftlichen Befugnisse selbst zugeordnet sind, gegen deren Beeinträchtigung er die Unterlassung oder Beseitigung verlangen kann. Aus der bloßen Rechtswidrigkeit eines Ratsbeschlusses könne das einzelne Ratsmitglied keine eigenen Rechte herleiten. Eine solche subjektiv-öffentliche Rechtsposition vermittelt § 113 Abs. 1 Satz 3 GO NRW nicht.
Soweit dem Vertreter der Gemeinde als Aufsichtsratsmitglied Rechte eingeräumt sind, dienen diese allein der Wahrnehmung der ihm zugewiesenen gesellschaftsrechtlichen Aufgabe. Die zivilrechtlichen Rechte sind dem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrates bundesrechtlich im Interesse einer effektiven Kontrolle der Führung des Unternehmens als Teil eines Organs der Gesellschaft zugewiesen. Sie werden von ihm eigenständig und gesellschaftsrechtlich weisungsfrei wahrgenommen.
Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitgliedes im Innenverhältnis zu dem bestellenden Gemeindeorgan. Insoweit nimmt der vom Rat bestellte Vertreter seine Aufgaben im Aufsichtsrat im öffentlichen Interesse der Gemeinde wahr. Er ist landesrechtlich an deren Interessen gebunden, seine Rechtsstellung ist hinsichtlich ihrer Begründung, ihrer inhaltlichen Reichweite und ihrer Beendigung vollständig vom Rat abhängig.
Danach vermittelt § 113 Abs. 1 Satz 3 GO NRW als solcher keine wehrfähige Innenrechtsposition des in den Aufsichtsrat entsandten Ratsmitgliedes auf Verhinderung seiner Abberufung. Eine solche Rechtsposition ist auch nicht aus den Vorschriften über das Wahlverfahren hinsichtlich der vom Rat berufenen Aufsichtsratsmitglieder herzuleiten. Die Regelungen über das Wahlverfahren dienen nicht dem Interesse der entsandten Person, sondern dem Funktionsinteresse der Vertretungskörperschaft und ihrer Gruppierungen.
Einbau von Kunststofffenstern in ein Baudenkmal
Dem Einbau von Kunsttofffenstern in ein in die Denkmalliste eingetragenes Baudenkmal können Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Beschluss vom 02.10.2002
- Az.: 8 A 5546/00 -
Die Kläger erstrebten die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil, das eine Auflage der Unteren Denkmalbehörde bestätigt, nach der bei dem Umbau eines in die Denkmalliste eingetragenen Gebäudes Sprossenfenster aus Holz verwendet werden müssen. Der Senat lehnte den Antrag ab.
Nach § 9 Abs. 2 a) DSchG NRW ist die Erlaubnis für die Veränderung eines Baudenkmals zu erteilen, wenn Gründe des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen. Dabei lassen sich die "Gründe des Denkmalschutzes", die die Erteilung der Erlaubnis verhindern können, nicht in abstrakter, auf alle denkbaren Einzelfälle anwendbarer Form benennen, sondern müssen stets aus den Besonderheiten des zur Entscheidung stehenden konkreten Falls abgeleitet werden. Vorzunehmen ist eine von der Qualität des jeweils zu schützenden Denkmals abhängige Einzelfallprüfung, ob und inwieweit die Schutzzwecke des Denkmalschutzgesetzes durch die in Rede stehende Maßnahme und bezogen auf das konkret betroffene Denkmal gestört oder vereitelt werden könnten. Eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 2 a) DSchG darf allerdings erst dann verweigert werden, wenn Gründe des Denkmalschutzes der Veränderung des Denkmals "entgegenstehen", also stärkeres Gewicht haben als die für die Veränderung streitenden Interessen.
Die Anwendung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergebe, dass weder die von den Klägern tatsächlich vorgenommene noch die ursprünglich beantragte Veränderung der Fenster genehmigungsfähig sei. Nach dem Bescheid über die Einteilung des Gebäudes in die Denkmalliste zähle die straßenseitige Fassade des Gebäudes mit der Holzeingangstür in der Mittelachse und den gleichmäßig angeordneten Sprossenfenstern mit geteiltem Oberlicht zu den Charakteristika des Objekts.
Der Austausch dieser Fenster durch einflügelige kunststoffbeschichtete Aluminiumfenster ohne Sprosseneinteilung mit ungeteiltem Oberlicht verändere die Wirkung dieser Fassade ganz erheblich. Die gliedernde Funktion der durch die Sprossenteilung in sich ebenfalls gegliederten Fenster und ihre Wirkung als Blickfang würden geschwächt und die Einheitlichkeit in der Materialgebung von Haustür und Fensterrahmen sowie die Aussagekraft des verwendeten Werkstoffs beseitigt.
Im vorliegenden Fall sei die Einheitlichkeit der Materialgebung bei Haustür und Fensteranlagen in der Schaufront des Gebäudes einer der Aspekte, die den Denkmalwert des Objekts begründen, weil sie maßgeblich zu der Gesamtwirkung der Fassade beitrage. Hierfür spreche neben den bereits genannten Aspekten der Umstand, dass die Gesamtfläche der vorhandenen Fenster im Verhältnis zu der straßenseitigen Fassade des Gebäudes sehr groß sei und deshalb besonders ins Auge falle.
Bauliche Zulässigkeit einer Mobilfunkanlage
1. Errichtung und Betrieb einer aus Antennenmast und Basisstation bestehenden Mobilfunkanlage als gewerbliche Nutzung sind in einem faktischen Dorfgebiet nach § 5 BauNVO allgemein zulässig. 2. Optische Auswirkungen einer Mobilfunkanlage stören den Gebietscharakter eines faktischen Dorfgebietes im Sinne von § 5 BauNVO nicht.
OVG NRW, Beschluss vom 13.03.2003
- Az.: 7 B 1717/02 -
Die Beigeladene errichtete ohne Baugenehmigung an einem ehemaligen Getreidesilogebäude eine Mobilfunkanlage. Der in der Nachbarschaft wohnende Antragsteller verlangte vergeblich ein behördliches Einschreiten. Seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zwecks vorläufiger Betriebseinstellung lehnte das VG ab. Die Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Mit dem VG sei davon auszugehen, dass nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung ein Anspruch des Antragstellers auf Einschreiten gegen die Mobilfunkanlage wegen Verletzung nachbarlicher Abwehrrechte nicht bestehe, da die Inbetriebnahme und Nutzung der Anlage keine Vorschriften des Bauplanungsrechts verletze, die auch dem Schutz des Antragstellers als Nachbarn zu dienen bestimmt sind.
Nach Auffassung des OVG NRW liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Abwehranspruch des Antragstellers aus dem so genannten Gebietsgewährleistungsanspruch wegen Unvereinbarkeit der Mobilfunkanlage ihrer Art der Nutzung nach mit dem faktischen Baugebietscharakter besteht. Dieser Anspruch erstrecke sich auf die Bewahrung der Gebietsart nach der Art der zulässigen baulichen Nutzung. Ausgehend von dem übereinstimmenden Beteiligtenvorbringen, es handele sich hier um ein faktisches Dorfgebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 5 BauNVO, und dem vorliegenden Karten- und Lichtbildmaterial spreche nichts für eine bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit der Mobilfunkanlage an dem hier in Rede stehenden Standort.
In einem Dorfgebiet sind nach § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 6 BauNVO nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe allgemein zulässig. Bei der Errichtung und dem Betrieb einer aus Antennenmast und Basisstation bestehenden Mobilfunkanlage handele es sich um eine solche gewerbliche Nutzung.
Soweit der Antragsteller im Hinblick auf von der Anlage ausgehende Emissionen eine "abstrakte Gesundheitsgefahr" einwende, sei mit dem VG darauf zu verweisen, dass die Anlage nach der Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post die in der 26. BImSchV enthaltenen Grenzwerte einhalte und deren Maßgeblichkeit nicht durch die von dem Antragsteller geäußerten Bedenken in Frage gestellt werden könne.
Auch im Hinblick auf optische Auswirkungen des Vorhabens lasse sich ein Abwehrrecht aus dem Gebietsgewährleistungsanspruch nicht herleiten. Soweit der Antragsteller sich zur Beschwerdebegründung ferner auf das grundsätzlich nachbarschützende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme berufe, bestünden ebenfalls weder unter Immissionsschutzgesichtspunkten noch im Hinblick auf den Aspekt optischer Auswirkungen der Mobilfunkanlage Bedenken.
© StGB NRW 2003