Heft Juni 2020

Schließung von Einzelhandelsgeschäften

Die anlässlich der Corona-Pandemie verordnete weitreichende Betriebsuntersagung für Verkaufsstellen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen durch Beschluss im Eilverfahren bestätigt.

OVG NRW, Beschluss vom 06.04.2020
- Az.: 13 B 398/20.NE -

Die vom Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen erlassene Coronaschutzverordnung untersagte den Betrieb von Verkaufsstellen des Einzelhandels, soweit sie nicht ausdrücklich privilegiert sind. Privilegiert und damit weiterhin erlaubt waren im Wesentlichen nur noch solche Einzelhandelsbetriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Artikeln des Grundbedarfs dienen. Hiergegen wandte sich eine GmbH aus Dortmund, die in ihrem Ladengeschäft Haushaltswaren und Geschenkartikel vor allem im Tiefpreissegment vertreibt.

Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die angegriffene Regelung sei voraussichtlich rechtmäßig. Sie habe im Infektionsschutzgesetz des Bundes eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Die grundsätzliche Betriebsuntersagung belaste die betroffenen Unternehmen auch nicht unangemessen. Nach der Risikoeinschätzung des Robert Koch-Instituts drohe angesichts des hochdynamischen, exponentiell verlaufenden Infektionsgeschehens mit teils schweren Krankheitsfällen in absehbarer Zeit ohne wirksame Gegenmaßnahmen eine gravierende Überlastung des Gesundheitswesens. Vor diesem Hintergrund sei die Annahme des Antragsgegners nicht zu beanstanden, dass eine weitgehende Reduzierung persönlicher menschlicher Kontakte erforderlich sei, um die Ausbreitung des im Wege einer Tröpfcheninfektion besonders leicht von Mensch zu Mensch übertragbaren neuartigen Coronavirus zu verlangsamen. Das schließe die Vermeidung nicht zur Deckung des Grundbedarfs notwendiger Kundenkontakte ein. Die durch die Betriebsuntersagung in erster Linie betroffene Berufsfreiheit trete gegenüber dem Schutz von Leben und Gesundheit zurück. Der mit der Coronaschutzverordnung bezweckte Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwersterkrankter Menschen stelle ein überragendes Gemeinwohlinteresse dar. Bei der Abwägung der gegenläufigen Positionen sei zudem zu berücksichtigen, dass die Eingriffsintensität für die betroffenen Betriebe durch eine Ausnahmeregelung für den Versandhandel und die weiterhin bestehende Möglichkeit zur Auslieferung oder Abholung der Waren abgemildert werde. Darüber hinaus stellten sowohl das Land NRW als auch der Bund Liquiditätshilfen zur Verfügung. Die Verordnung trete – so seinerzeit das OVG – überdies bereits am 19. April 2020 wieder außer Kraft. Ungeachtet dessen bestehe für den Verordnungsgeber eine fortwährende Beobachtungs- und Überprüfungspflicht der getroffenen Maßnahmen.

In weiteren Eilverfahren hat das OVG außerdem entschieden, dass die anlässlich der Corona-Pandemie verordnete grundsätzliche Verkaufsflächenbeschränkung von Ladengeschäften auf 800 qm vollziehbar bleibt (Beschluss vom 29.04.2020, Az. 13 B 512/20.NE) und die coronabedingte Schließung von Gastronomiebetrieben nicht zu beanstanden sei (Beschluss 06.05.2020, Az. 13 B 583/20.NE).

 

Maskenpflicht im öffentlichen Raum

Das Oberverwaltungsgericht hat in einem Prozesskostenhilfeverfahren entschieden, dass die Verpflichtung, im öffentlichen Raum unter bestimmten Voraussetzungen eine einfache Mund-Nase-Bedeckung zu tragen, aller Voraussicht nach rechtmäßig ist.

OVG NRW, Beschluss vom 30.04.2020
- Az.: 13 B 539/20.NE -

Die vom Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen erlassene Coronaschutzverordnung sieht vor, dass seit dem 27. April in bestimmten sozialen Situationen, etwa beim Einkaufen, in Arztpraxen oder während des Benutzens öffentlicher Verkehrsmittel, eine textile Mund-Nase-Bedeckung getragen werden muss, die beispielsweise auch aus einer sogenannten Alltagsmaske, einem Schal oder einem Tuch bestehen kann.

Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber einer aktuellen Empfehlung des Robert Koch-Instituts gefolgt sei. Danach sei beim derzeitigem Erkenntnisstand davon auszugehen, dass auch gegebenenfalls privat hergestellte textile Mund-Nase-Bedeckungen eine Filterwirkung auf Tröpfchen und Aerosole entfalten könnten, die zu einer Reduzierung der Ausscheidung von Atemwegsviren über die Ausatemluft führen könne. Hierdurch erscheine es möglich, dass ihr Tragen einen Beitrag zur weiteren Verlangsamung der Ausbreitung des von Mensch zu Mensch übertragbaren Coronavirus leiste. Dass es unter der Vielzahl wissenschaftlicher Meinungen auch andere Stimmen geben möge, die die Wirksamkeit einer einfachen Mund-Nase-Bedeckung gänzlich verneinen, stehe dem nicht entgegen. Der Verordnungsgeber verletze seinen Einschätzungsspielraum grundsätzlich nicht dadurch, dass er bei mehreren vertretbaren Auffassungen einer den Vorzug gebe, solange er dabei nicht feststehende, hiermit nicht vereinbare Tatsachen ignoriere. Es sei auch unbedenklich, wenn der Verordnungsgeber, zumal vor dem Hintergrund der Lockerungen im Bereich des Einzelhandels, die zwangsläufig zu einem Mehr an persönlichen Kontakten führten, davon ausgehe, dass unbemerkte Übertragungen allein durch kontaktbeschränkende Maßnahmen nicht hinreichend zu vermeiden seien, sondern es flankierend zusätzlich des Tragens einer Mund-Nase-Bedeckung bedürfe. Schließlich erschienen die damit verbundenen Einschränkungen angesichts des Schutzzwecks hinnehmbar. Die Trageverpflichtung sei räumlich und zeitlich begrenzt. Geeignete Bedeckungen seien üblicherweise in jedem Haushalt vorhanden oder hätten jedenfalls seit der Ankündigung zum Erlass der Regelung selbst hergestellt oder im örtlichen Handel kostengünstig erworben werden können. Zudem gebe es Ausnahmebestimmungen für Kinder bis zum Schuleintritt und für Personen, die aus medizinischen Gründen keine Mund-Nase-Bedeckung tragen könnten.

 

Verbot der Anreise auswärtiger Zweitwohnungsbesitzer

Das OVG Schleswig-Holstein hat das vom Kreis Nordfriesland zur Eindämmung des Corona-Virus verfügte Verbot der Anreise zur Nutzung von Zweitwohnungen in zweiter Instanz bestätigt und sich zugleich zu den diesbezüglichen Ausnahmeregelungen geäußert. Es hat unterstrichen, dass vorerst jede Art vermeidbarer Anreisen zu unterbleiben haben.

OVG Schleswig-Holstein, Beschlüsse vom 02.04.2020
- Az.: 3 MB 8/20 und 3 MB 11/20 -

Im Verfahren 3 MB 8/20 führt das OVG nach summarischer Prüfung aus, dass das Anreiseverbot aus der Allgemeinverfügung des Kreises rechtmäßig ist. Nach dem Infektionsschutzgesetz des Bundes sei der Kreis gehalten, der Verbreitung des Virus entgegenzuwirken und die jeweils erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Beanstandungsfrei berufe er sich vorliegend darauf, dass das Virus vermutlich gerade durch auswärtige Personen verbreitet werde, die erst im Skiurlaub gewesen seien und danach in ihre Ferienwohnung reisten. Auf diese Weise kämen Personen miteinander in Kontakt, die sonst keinen Kontakt hätten. Allein im Kreis Nordfriesland gebe es mehrere tausend Ferienwohnungen.

Das OVG hat deshalb keinen Zweifel, dass die untersagte Anreise ein verhältnismäßiges Mittel darstellt, um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen und die medizinischen Versorgungskapazitäten im Kreisgebiet vor Überlastung zu schützen. Das Interesse der Antragsteller an einer uneingeschränkten Nutzung ihrer Nebenwohnung müsse hinter diesem überragenden öffentlichen Interesse zurückstehen, zumal es sich um eine nur vorübergehende Maßnahme handele und bei schwerwiegenden Gründen Ausnahmen möglich seien. Schließlich sei der der Verfügung zugrunde liegende § 28 des Infektionsschutzgesetzes zum 28.03.2020 geändert worden und ermächtige nunmehr auch zu Eingriffen in das Grundrecht auf Freizügigkeit.

Im Verfahren 3 MB 11/20 begehrten die Antragsteller darüber hinaus die gerichtliche Feststellung, dass für die von ihnen geplante Anreise zu ihrer Nebenwohnung im Kreisgebiet ein Ausnahmetatbestand gegeben sei. Es sei kein Aufenthalt zu touristischen Zwecken geplant, vielmehr solle von dort aus im „Homeoffice" gearbeitet werden. Eine Ausnahmemöglichkeit vermochten weder das Verwaltungsgericht noch das OVG dafür anzuerkennen. Die Allgemeinverfügung des Kreises bestimme unter Bezugnahme auf die „SARS-CoV-2-Bekämpfungsverordnung“ der Landesregierung ausdrücklich, dass nicht nur Reisen aus touristischem Anlass, sondern auch zu Freizeitzwecken, zu Fortbildungszwecken oder zur Inanspruchnahme von vermeidbaren Maßnahmen untersagt seien.

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