Heft Juni 2021

Verfassungsbeschwerde eines Landkreises gegen familiengerichtliche Entscheidung

Mit am 09.02.2021 veröffentlichtem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungsbeschwerde eines Landkreises nicht zur Entscheidung angenommen, mit der dieser sich gegen familiengerichtliche Beschlüsse in einem das Sorgerecht für ein 13-jähriges Mädchen betreffenden Verfahren wendete. Der Landkreis, der Träger eines Jugendamtes ist, machte mit der Verfassungsbeschwerde sowohl die Verletzung von Grundrechten des Kindes als auch von eigenen Grundrechten geltend.

BVerfG, Beschluss vom 15.12.2020
- Az.: 1 BvR 1395/19 -

Die Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos, weil der beschwerdeführende Landkreis im verfassungsgerichtlichen Verfahren weder berechtigt gewesen sei, die Rechte des betroffenen Kindes im Wege einer Prozessstandschaft geltend zu machen, noch er sich auf die Verletzung eigener Rechte habe stützen können. Die Voraussetzungen einer lediglich ausnahmsweise zulässigen Prozessstandschaft seien vorliegend nicht gegeben. Auf die Verletzung des Anspruchs des Kindes auf Schutz durch den Staat (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) könne sich der Beschwerdeführer daher mit der Verfassungsbeschwerde nicht berufen. Der Beschwerdeführer könne außerdem keine eigenen Rechte aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG geltend machen. Das staatliche Wächteramt des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG gewähre bereits kein materielles grundrechtsähnliches Recht. Es sei untrennbar mit dem Anspruch des Kindes auf Schutz durch den Staat verbunden und enthalte eine staatliche Verpflichtung, die sich in erster Linie daraus ergebe, dass das Kind als Grundrechtsträger und als Wesen mit eigener Menschenwürde und eigenem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Schutz durch den Staat habe. Das Wächteramt enthalte daher die zum Anspruch des Kindes auf Schutz spiegelbildliche Pflicht des Staates, diesen Schutz auch zu gewährleisten. Rechte gegenüber dem Staat habe insoweit allein das Kind, dessen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und 2 GG durch diesen Anspruch gerade geschützt sind. Ein subjektives Recht der mit dem Wächteramt befassten Behörden könne hieraus jedoch nicht hergeleitet werden.

 

Auskunftsanspruch gegen kommunales Verkehrsunternehmen

Einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) gemäß hat Radio Bremen Anspruch auf weitere Auskünfte zum Ausscheiden des ehemaligen Vorstandssprechers eines kommunalen Verkehrsunternehmens im Jahr 2014.

BVerwG, Urteil vom 26.04.2021
- Az.: 10 C 1.20 -

Das beklagte Verkehrsunternehmen hatte sich mit seinem Vorstandssprecher 2014 auf eine Vertragsaufhebung und die Zahlung einer Abstandssumme geeinigt. Die klagende Rundfunkanstalt wollte in Erfahrung bringen, ob es Gründe gegeben hätte, den Vertrag auch ohne Abstandszahlung zu beenden. Der Klage gegen die Verweigerung der Auskunft zu insgesamt acht Fragen haben das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht in unterschiedlichem Umfang teilweise stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten sowie die auf Beantwortung einer weiteren Frage zielende Anschlussrevision der Klägerin blieben erfolglos.

Das BVerwG hebt hervor, dass Auskunft nur über Tatsachen verlangt werden kann, nicht über Werturteile. Tatsächliche Vorgänge müssen dabei nicht verschriftlicht worden sein. Die Behörde sei auch dazu verpflichtet, das präsente Wissen der intern bei ihr zuständigen Mitarbeiter abzufragen, allerdings nicht über beliebige Gerüchte, sondern nur über dienstliche Vorgänge und Wahrnehmungen. Bereits Ausgeschiedene müssten nicht mehr befragt werden. Drohten dem Betroffenen aus der Gewährung der Auskunft persönliche Nachteile, so müsse dessen Interesse an einer Geheimhaltung mit dem gegenläufigen öffentlichen Interesse an der Offenlegung abgewogen werden. Dabei sei in Rechnung zu stellen, dass es der klagenden Rundfunkanstalt zunächst nur um die Recherche gehe, noch nicht um eine Veröffentlichung, und dass sie bei einer Veröffentlichung dann ihrerseits die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen in Rechnung stellen müsse. Auf der Grundlage der zu erstattenden Auskünfte obliege es deshalb nun der eigenverantwortlichen Prüfung durch die Klägerin, ob und gegebenenfalls in welcher Form eine Veröffentlichung der Informationen mit ihren journalistischen Sorgfaltspflichten in Einklang stehe.

 

Vermietungsportal zu Auskunft über private Unterkünfte

Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG NRW) hat ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln bestätigt, wonach ein Onlineportal der Stadt Köln Auskunft über die bei ihm registrierten privaten Beherbergungsbetriebe erteilen muss.

OVG NRW, Beschluss vom 26.04.2021
- Az.: 14 A 2062/17 -

Die Klägerin betreibt eine Internetplattform, auf der unter anderem für das Stadtgebiet von Köln entgeltliche private Übernachtungsmöglichkeiten angeboten werden. Die Stadt Köln erhebt auf der Grundlage einer Satzung eine sogenannte Kulturförderabgabe (Übernachtungssteuer). Die Klägerin klagt gegen ein Auskunftsersuchen, mit dem die beklagte Stadt Köln die Mitteilung der bei ihr registrierten Beherbergungsbetriebe zum Zweck der Steuererhebung verlangte. Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klage abgewiesen. Den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat das Oberverwaltungsgericht nun abgelehnt. Der Beschluss ist unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln ist damit rechtskräftig.

Das Verwaltungsgericht habe zu Recht angenommen, dass der Stadt Köln die Identität privater Beherbergungsbetreiber in ihrem Stadtgebiet im Wesentlichen nicht bekannt sei und eine erhebliche Anzahl von Anbietern Beherbergungen gegen Entgelt in den von ihnen angebotenen Unterkünften nicht versteuern würden. Die Stadt habe daher die Klägerin auffordern dürfen, ihr die Namen und Adressen aller Anbieter von entgeltlichen Übernachtungsmöglichkeiten im Gebiet der Stadt Köln auf ihrer Website mitzuteilen, um aus diesen diejenigen Anbieter zu ermitteln, die entgeltliche Beherbergungen bisher verschwiegen hätten. Die Stadt könne wegen des unverhältnismäßig großen Aufwands auch nicht darauf verwiesen werden, die privaten Unterkunftsbetreiber auf der Website der Klägerin - im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht rund 300 in Köln - sowie auf anderen vergleichbaren Websites jeweils durch Einzelabfrage auf diesen Onlineplattformen zu ermitteln.

 

Klage gegen Genehmigung für Windenergieanlage in Marsberg

Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage des NABU gegen die vom Hochsauerlandkreis im Jahr 2016 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine etwa 150 m hohe Windenergieanlage (WEA) in Marsberg-Erlinghausen abgewiesen.

OVG NRW, Urteil vom 01.03.2021
- Az.: 8 A 1183/18 -

In der Nähe des Standorts halten sich jährlich von Februar bis Oktober vermehrt Rotmilane auf, die dort brüten oder sich an Gemeinschaftsschlafplätzen sammeln. Der Rotmilan ist eine nach der EU-Vogelschutzrichtlinie besonders geschützte tagaktive Zugvogelart. Da er als kollisionsgefährdet gilt, muss die WEA zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten abgeschaltet werden, um das Tötungsrisiko auf ein artenschutzrechtlich zulässiges Maß zu reduzieren. Das Verwaltungsgericht Arnsberg gab der Klage des NABU statt und hob die Genehmigung auf, weil es die festgesetzten Abschaltzeiten für unzureichend hielt. Die dagegen eingelegten Berufungen des Anlagenbetreibers und des Hochsauerlandkreises als Genehmigungsbehörde hatten nun vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg.

Die artenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen, die der Kreis nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils, zuletzt im Dezember 2020, mehrfach nachgebessert habe, reichten nunmehr aus, um insbesondere Rotmilane ausreichend zu schützen. Bei Verfahren dieser Art gehe es nicht darum, ob der gesetzlich vorgeschriebene Artenschutz oder der vom Gesetzgeber ebenfalls geforderte Ausbau erneuerbarer Energien wichtiger sei. Vielmehr bedürfe es jeweils einer einzelfallbezogenen Prüfung. Der Artenschutz des Rotmilans erfordere in aller Regel nicht, auf ein konkretes Windenergievorhaben ganz zu verzichten. Es gehe vielmehr darum, das Tötungsrisiko, das auch nach den artenschutzrechtlichen Vorgaben nicht zu 100% ausgeschlossen werden müsse, durch temporäre Abschaltungen zu reduzieren. Das sei hier jetzt gewährleistet. Der Vortrag des NABU, dass der Standort der Anlage in einem sogenannten faktischen Vogelschutzgebiet liege, habe ebenfalls nicht zum Erfolg der Klage geführt.

 

Säumniszuschläge auf Gewerbesteuer und Aussetzung der Vollziehung

1. Bei einem Abrechnungsbescheid über Säumniszuschläge zu Gewerbesteuern handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Bereich der von den Gemeinden zu erhebenden Realsteuern im Sinne des § 110 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 JustG NRW.

2. Die aufschiebende Wirkung eines noch zu erhebenden Widerspruchs kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO angeordnet werden.

3. Säumniszuschläge sind öffentliche Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.

[…]

6. Jedenfalls dann, wenn mehrere Säumniszuschläge entstanden sind, die aber nicht alle geltend gemacht werden, muss sich dem Schreiben, mit dem Säumniszuschläge geltend gemacht werden, zumindest im Wege der Auslegung der Zeitpunkt oder Zeitraum entnehmen lassen, zu dem oder für den die geltend gemachten Säumniszuschläge entstanden sein sollen, damit deren Zahlungsverjährung unterbrochen wird.

7. Verwirkte Säumniszuschläge entfallen - ggf. auch rückwirkend - für den Zeitraum, für den die Vollziehung des Abgabenbetrags von der Behörde ausgesetzt wird.

8. Für die Verwirkung von Säumniszuschlägen kommt es allein darauf an, ob die Vollziehung des Steuerbescheids von der Gemeinde tatsächlich ausgesetzt oder aufgehoben wurde, nicht jedoch darauf, ob die Vollziehung materiell-rechtlich zu Recht ausgesetzt oder nicht ausgesetzt worden ist.

9. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO ist nicht verfassungswidrig.

OVG NRW, Beschluss vom 18.09.2020
- Az.: 14 B 985/20, Leitsätze (Auszug) -

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