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Heft März 2016
Erdrosselnde Wirkung der Vergnügungssteuer
Weder ein Steuersatz von 19,5 Prozent auf Basis des Einspielergebnisses noch der Steuersatz von 5 Prozent des Spieleinsatzes geben Veranlassung dazu, eine erdrosselnde Wirkung der Steuer anzunehmen. Eine Erhöhung der Geldspielgerätesteuer verpflichtet auch nicht zu einer parallelen Erhöhung der Steuer auf anderweitigen Vergnügungsaufwand (nichtamtliche Leitsätze).
OVG NRW, Beschluss vom 18.01.2016
- Az.: 14 B 1479/15 -
Mit einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat das Oberverwaltungsgericht Münster im Wege des Eilrechtsschutzes die Vergnügungssteuererhebung einer nordrhein-westfälischen Kommune bestätigt.
Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des fraglichen Steuerbescheides. Ein unzulässiger Eingriff durch die Steuer in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) in Form einer erdrosselnden Wirkung sei nicht erkennbar. Die Besteuerung führe nämlich nicht dazu, dass die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel - und nicht nur in Ausnahmefällen - wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen. Die Antragstellerin mache nicht nur eine Verringerung der Spielhallenbetriebe nicht geltend, sondern rüge wegen fehlender Verringerung sogar, dass der Gesichtspunkt einer Bekämpfung der Spielsucht nicht greife.
Der Umstand einer behaupteten deutlichen Erhöhung der Steuerbelastung um 39 Prozent alleine lasse dabei keine Erdrosselung vermuten. Maßgebend sei vielmehr nur die Höhe der Steuerbelastung insgesamt. Ausgehend von den von der Steuerpflichtigen mitgeteilten Zahlen entspreche die Steuerbelastung von 23.003,20 Euro auf der Basis des Spieleinsatzes (Spieleraufwand) einer Steuerbelastung auf der Basis des vorher maßgeblichen Einspielergebnisses bei einem Einspielergebnis von 118.200,80 Euro einem Steuersatz von knapp 19,5 Prozent.
Weder dieser Satz noch der Steuersatz von 5 Prozent des Spieleinsatzes gäben Veranlassung dazu, eine erdrosselnde Wirkung der Steuer anzunehmen. Eine drastische plötzliche Erhöhung der Steuer könne allenfalls Anlass geben, das Erfordernis einer Übergangsregelung zu erwägen, um dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einer Umstellung des Betriebsablaufs zur Erhöhung der Einnahmen (Einsatz von Geräten mit geringerer durchschnittlicher Ausschüttung) zu geben (so BVerwG, Urteil vom 14.10.2015, Az. 9 C 22.14, Rn. 24 ff., für eine Erhöhung der Steuer um 100 Prozent).
Auch die Auffassung eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil andere steuerpflichtige Vergnügungen nicht in ähnlichem Umfang erhöht worden sein sollen, greife im Ergebnis nicht durch. Der Steuergesetzgeber habe bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Spielraum und sei in der Gestaltung hinsichtlich der Erschließung von Steuerquellen weitgehend frei. Der allgemeine Gleichheitssatz sei so lange nicht verletzt, wie die Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen - insbesondere finanzpolitischer, volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder steuertechnischer Natur - beruht. Das gelte erst recht für die Höhe der Besteuerung. Die Erhöhung der Geldspielgerätesteuer verpflichte insofern auch nicht zu einer parallelen Erhöhung der Steuer auf anderweitigen Vergnügungsaufwand.
Schließlich sei auch unerheblich, dass eine Wirkung der Steuer im Interesse der Bekämpfung der Spielsucht in Form des Rückgangs des Spielhallenbestands nicht zu verzeichnen sei, weil sich die Steuererhebung - unbeschadet eines Lenkungszwecks - allein schon aus der Absicht einer Einnahmeerzielung rechtfertige (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 b) KAG NRW i. V. m. § 3 Abs. 1 AO).
Sanierung einer Grundstücks-Anschlussleitung
Den Grundstückseigentümer trifft grundsätzlich die Pflicht, eine Grundstücksanschlussleitung laufend instand zu halten und ggf. zu sanieren. Worauf die Reparaturbedürftigkeit der Anschlussleitung und die daraus folgende Instandhaltungspflicht des Grundstückseigentümers zurückzuführen ist, ist - wie auch sonst auf der rein auf die Gefahrenabwehr ausgerichteten Primärebene des Ordnungsrechts - unerheblich. Gefahrverursachungsfragen betreffen allein die Sekundärebene des (Schadens-)Ersatzes durch Dritte.
OVG NRW, Beschluss vom 07.01.2016
- Az.: 15 B 1370/15 -
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat im Wege vorläufigen Rechtsschutzes eine gemeindliche Ordnungs- und Duldungsverfügung gegen einen Grundstückseigentümer bestätigt, die aufgrund der örtlichen Abwasserbeseitigungssatzung ergangen waren. Weder sei die Abwasserbeseitigungssatzung zu beanstanden noch bestünden Zweifel an dem Vorliegen der Voraussetzungen, die die Satzung an eine Sanierungsaufforderung stelle. Die betroffenen Grundstücksanschlussleitungen entsprächen aufgrund der festgestellten Schäden nicht mehr den technischen Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes.
Die Pflicht zur laufenden Unterhaltung der Grundstücksanschlussleitungen, die die Satzung statuiert, greife den Umstand auf, dass der Anschlusszwang sich nicht in dem einmaligen Anschluss an die öffentliche Entwässerungsanlage erschöpfe, sondern auch, weil er mit dem Benutzungszwang verbunden sei, zugleich die Verpflichtung enthalte, die Grundstücksanschlussleitung fortgesetzt in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten. Worauf dabei die Reparaturbedürftigkeit der Anschlussleitung und die daraus folgende Instandhaltungspflicht des Grundstückseigentümers zurückzuführen sei, sei - wie auch sonst auf der rein auf die Gefahrenabwehr ausgerichteten Primärebene des Ordnungsrechts - unerheblich. Gefahrverursachungsfragen beträfen allein die Sekundärebene des (Schadens-)Ersatzes durch Dritte.
Aufgrund dessen sei der Vorinstanz insbesondere darin zuzustimmen, dass es für die Rechtmäßigkeit der Sanierungsanordnung irrelevant ist, ob die festgestellten Schäden auf einer mangelhaften Verlegung (verschiedene Materialwechsel) des Anschlusses ca. im Jahr 1980, auf dem seither gesteigerten Verkehrsaufkommen auf der darüber liegenden Straße oder auf einer Beschädigung durch Baggerarbeiten im Zuge von Straßenerneuerungsmaßnahmen beruhten. Nicht bedeutsam für die Instandhaltungspflicht sei demnach auch, ob die Gemeinde das die Straßenerneuerung ausführende Unternehmen seinerzeit hinreichend überwacht habe.
Aus dem Beschwerdevorbringen folge auch nicht, dass die Satzung selbst (abstrakt) oder die Sanierungsanordnung (konkret) gleichheitswidrig bzw. unverhältnismäßig seien. Die Frage nach der (Un)Zumutbarkeit von Anschlusskosten sei grundstücksbezogen zu beantworten. Maßgeblich sei dabei, ob die Aufwendungen für den herzustellenden - hier: zu sanierenden - Anschluss noch in einem tragbaren Verhältnis zum Verkehrswert des Grundstücks stehen. Bei einem Wohnhaus würden Anschlusskosten von etwa 25.000,- Euro für einen Schmutz- und Niederschlagswasseranschluss in der Regel als zumutbar angesehen.
Die hier fragliche Anlegung des Hauptkanals bewege sich nach Lage der Dinge noch innerhalb des der Gemeinde insofern zukommenden Gestaltungsspielraums. Vor unzumutbaren einseitigen finanziellen Belastungen im Hinblick auf die laufende Unterhaltung der Grundstücksanschlussleitung sei der in Anspruch Genommene durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner dargestellten Ausformung geschützt, der hier nicht für eine Unzulässigkeit spreche. Die an die Betroffenen gerichtete Verfügung beziffere die voraussichtlichen Sanierungskosten mit bis zu 20.000,- Euro, was mit überwiegender Wahrscheinlichkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zum Verkehrswert des Hausgrundstücks der Antragsteller stehe.
Untersagung eines Gewerbes wegen Steuerschulden
Ist eine Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich, so ist es nicht unverhältnismäßig, dem Schutzzweck des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen zu geben, seine Existenzgrundlage beibehalten zu können (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Beschluss vom 04.01.2016
- Az.: 4 B 600/1 -
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat im Wege einstweiligen Rechtsschutzes eine Entscheidung des VG Köln bestätigt, das zuvor eine Gewerbeuntersagung bestätigt hatte. Der Steuerpflichtige war laut Gericht seinen steuerlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten jahrelang nicht nachgekommen und hatte im Februar 2015 Rückstände in Höhe von insgesamt 113.347,74 EUR (davon Steuerrückstände gegenüber dem Finanzamt in Höhe von 99.556,76 EUR) angehäuft.
Das Beschwerdevorbringen, die Angaben des Antragsgegners zu den Steuerverbindlichkeiten beruhten lediglich auf weit überhöhten Schätzungen, die sich durch die in Auftrag gegebenen Steuererklärungen erheblich reduzierten, hielt das OVG für nicht durchgreifend. In Verfahren über Anfechtungsklagen gegen eine Gewerbeuntersagung beurteile sich die Frage, ob ein Gewerbetreibender unzuverlässig ist, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses der Untersagung. Hierbei finde keinerlei gerichtliche Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit festgesetzter Steuerforderungen statt, auch wenn diese nur auf Schätzungen beruhen, weil für die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden nur maßgeblich ist, in welcher Höhe er bis zu dem soeben genannten Zeitpunkt Steuern nicht gezahlt hatte, die er bereits deshalb von Rechts wegen hätte zahlen müssen, weil die an ihn ergangenen Steuerbescheide vollziehbar waren.
Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes seien zwar auch solche Umstände zu berücksichtigen, die erst nach dem Erlass der angefochtenen Ordnungsverfügung eingetreten sind. Ein tragfähiges Sanierungskonzept, auf dessen Grundlage zu erwarten wäre, dass die Schulden des Zahlungspflichtigen nicht weiter anwachsen, sei vorliegend indes nicht zu erkennen. Im Gegenteil hätten sich die Zahlungsrückstände auf insgesamt 162.075,68 EUR erhöht, wovon auf die gegenüber dem Finanzamt bestehenden Steuerrückstände inzwischen ein Betrag in Höhe von 141.031,38 EUR entfalle.
Allein der Umstand, dass der Schuldner mit der Gemeinde eine Ratenzahlung vereinbart hat, lasse das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung nicht entfallen. Die Gewerbesteuerforderungen machten mit 12.749,00 EUR (Stand: 3. Dezember 2015) nur einen geringen Anteil an den (gesamten) Zahlungsrückständen aus. Ein tragfähiges Sanierungskonzept lasse sich auch nicht aus der (bloßen) Behauptung herleiten, der Schuldner habe weitere „Maßnahmen (Hausverkauf)“ zur Bereinigung seiner „wirtschaftlichen Schieflage“ ergriffen.
Schließlich lasse auch der Einwand, die für sofort vollziehbar erklärte Untersagungsverfügung führe zum Entzug der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners und dieser werde bis zum Lebensende zum „Sozialfall“, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht entfallen. Sei - wie hier - die Gewerbeuntersagung zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich, so sei es nicht unverhältnismäßig, dem Schutzzweck des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen zu geben, seine Existenzgrundlage beibehalten zu können.