Heft März 2022

BGH zur Pfändbarkeit der Corona-Soforthilfen

Bei der Corona-Soforthilfe (Bundesprogramm „Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige“ und ergänzendes Landesprogramm „NRW-Soforthilfe 2020“) handelt es sich um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht pfändbare Forderung. In Höhe des bewilligten und auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gutgeschriebenen Betrags ist der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO zu erhöhen.

BGH, Beschluss vom 10.03.2021
- Az.: VII ZB 24/20; BGHZ 229, 94-101, BStBl II 2021, 501-

In der Sache führt der Bundesgerichtshof (BGH) aus, nach § 851 Abs. 1 ZPO sei eine Forderung nur pfändbar, wenn sie übertragbar ist. Damit verweise § 851 Abs. 1 ZPO unter anderem auf die Regelung des § 399 1. Fall BGB. Danach könne eine Forderung nicht abgetreten werden, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann. § 399 1. Fall BGB erfasse Forderungen, die aufgrund ihres Leistungsinhalts eine so enge Verknüpfung zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses herbeiführen, dass ein Wechsel in der Gläubigerperson als unzumutbar anzusehen ist beziehungsweise die Identität der Forderung nicht gewahrt bleibt. Hierzu gehörten zweckgebundene Forderungen, soweit der Zweckbindung ein schutzwürdiges Interesse zugrunde liegt.

Nach diesen Grundsätzen sei die Corona-Soforthilfe ausweislich der ihr zugrundeliegenden Bestimmungen als zweckgebunden einzustufen. Zur Beurteilung der Zweckbindung der Corona-Soforthilfe seien der Bewilligungsbescheid und die Programme des Bundes und der Länder heranzuziehen. Ausweislich dessen diene die Corona-Soforthilfe, bei der es sich um eine Billigkeitsleistung als freiwillige Zahlung ohne Rechtsanspruch handelt (1.2 und 1.3 NRW-Soforthilfe 2020, Ministerialblatt - MinBl - Nordrhein-Westfalen 2020, S. 360), der Abmilderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens beziehungsweise des Selbständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie. Sie solle nicht laufenden Lebensunterhalt abdecken, sondern insbesondere Liquiditätsengpässe, die seit dem 1. März 2020 im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind, überbrücken. Ausdrücklich nicht umfasst seien nach dem Bescheid vor dem 1. März 2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten beziehungsweise Liquiditätsengpässe. Aus den Bestimmungen zur Beihilfegewährung gehe hervor, dass die Corona-Soforthilfe nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen dient, die - wie im Streitfall - vor dem 1. März 2020, sondern nur solchen, die seit dem 1. März 2020 entstanden sind. Die Mittel seien zur Finanzierung von Verbindlichkeiten für fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzausgaben vorgesehen, wobei die Entscheidung darüber, welche Ausgaben damit getätigt werden und in welcher Reihenfolge damit Forderungen erfüllt werden, nach den Förderbestimmungen allein dem Empfänger der Soforthilfe obliegt, der eine zweckentsprechende Verwendung später auch zu verantworten hat.

In entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO sei außerdem eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrags hinsichtlich des auf dem Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin gut geschriebenen Betrags auszusprechen. Nach dieser Vorschrift kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag einen von § 850k Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend ausführe, seien die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Weder handele es sich bei der Corona-Soforthilfe um eine als Arbeitseinkommen zu qualifizierende Zuwendung im Sinne der §§ 850a ff. ZPO noch um eine der Schuldnerin gewährte Sozialleistung auf Grund des Sozialgesetzbuches. Vielmehr stelle diese eine freiwillig gewährte Subvention zugunsten von Kleingewerbetreibenden dar, die dazu dienen soll, eine durch die Corona-Pandemie begründete wirtschaftliche Notlage der Schuldnerin auszugleichen.

Hinsichtlich solcher aufgrund landes- oder bundesrechtlicher Vorschriften gewährter öffentlich-rechtlicher Subventionen enthalte das Gesetz eine planwidrige Lücke, die im Hinblick auf den mit der Gewährung der Corona-Soforthilfe verfolgten Zweck dahin zu schließen sei, dass in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO der pfändungsfreie Betrag um den Betrag der gewährten Zuwendung zu erhöhen ist.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sei es unerheblich, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Corona-Soforthilfe in der Person der Schuldnerin vorlagen oder nicht. Dies sei im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht zu prüfen. Die Frage betreffe vielmehr das Rechtsverhältnis der Schuldnerin zu der die Beihilfe bewilligenden Stelle. Die Schuldnerin sei, sofern die Voraussetzungen für die Gewährung der Corona-Soforthilfe nicht vorgelegen haben sollten, zur Rückerstattung der Beihilfe verpflichtet. Ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers, auf eine dem Schuldner unberechtigt gewährte Beihilfeleistung im Wege der Pfändung zugreifen zu können, bestehe dagegen nicht. Denn auch eine unberechtigte Beihilfegewährung lasse die mit dieser verbundenen Zweckbindung nicht entfallen.

 

Zur Pfändbarkeit einer Hochwasser-Soforthilfe

Die Hochwasser-Soforthilfe für die durch die Unwetterkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 erlittenen Schäden ist unpfändbar. Auf Antrag des Schuldners ist der zu diesem Zweck auf seinem Pfändungsschutzkonto gutgeschriebene Betrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 in Verbindung mit § 851 Abs. 1 ZPO über den bisherigen Sockelbetrag hinaus pfandfrei zu stellen.

AG Euskirchen, Beschluss vom 02.08.2021
- Az.: 11 M 1030/11 -

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde unter anderem der Anspruch der Schuldnerin auf Auszahlung des Guthabens gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen. Das Konto der Schuldnerin wurde dabei als Pfändungsschutzkonto im Sinne des § 850k ZPO geführt. Die Schuldnerin hat unter Vorlage ihres Kontoauszuges nachgewiesen, dass ihr am 27.07.2021 von der Stadt Euskirchen ein Betrag in Höhe von 3.500,00 EUR als "Soforthilfe Hochwasser" überwiesen wurde.

Nach den Ausführungen des Amtsgerichts (AG) Euskirchen - unter Berufung auf den zuvor wiedergegebenen BGH-Beschluss vom 10.03.2021 - ist im Hinblick auf die Verwirklichung der mit der Soforthilfe Hochwasser verbundenen Zweckbindung, erste finanzielle Belastungen, die durch die Unwetterkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 erlittenen Schäden verursacht wurden, zu mildern, der zu alleine diesem Zweck von der Stadt Euskirchen auf das Pfändungsschutzkonto des Schuldners gutgeschriebene Betrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 in Verbindung mit § 851 Abs. 1 ZPO über den bisherigen Sockelbetrag hinaus pfandfrei zu stellen.

 

Zweitwohnungsteuer - Schätzung der üblichen Miete

Die Schätzung einer üblichen Miete allein anhand des Bodenwerts des Wohngrundstücks ist mit dem Gebot gleichheitsgerechter Besteuerung des Aufwands für das Innehaben einer Zweitwohnung nicht vereinbar.

BVerwG, Beschluss vom 19.05.2021
- Az.: 9 C 2/20 -

Die Beklagte zog den Kläger für die Jahre 2017 und 2018 zu einer Zweitwohnungssteuer für ein eigengenutztes Gartenhaus mit einer Wohnfläche von ca. 24 qm zunächst in Höhe von jeweils 96,00 Euro heran. Das mit Strom und Wasser versorgte Haus, das über einen Wohnraum mit Kochnische, ein Badezimmer mit Toilette und Dusche sowie ein weiteres Zimmer verfügt, war früher Teil einer Kleingartenanlage. Der zum Haus gehörende Grundstücksanteil ist ca. 300 qm groß. Die übliche Miete schätzte die Beklagte in den Ausgangsbescheiden anhand des niedrigsten Werts ihres Mietspiegels für die einfachste Ausstattungsklasse. Durch Anwendung des Steuersatzes von 10 % hierauf errechnete sich - abgerundet gemäß § 7 Abs. 2 ZwStS - der jeweils festgesetzte Jahressteuerbetrag. Im Widerspruchsbescheid setzte die Beklagte die Zweitwohnungssteuer auf jeweils 48,00 Euro fest. Die neue Schätzung beruhe auf einer anderen Schätzmethode, einem "umgekehrten Ertragswertverfahren" nach §§ 17 ff. ImmoWertV. Die "übliche Jahresnettomiete" setze sich aus einem Bodenwertverzinsungsbetrag und einem gebäudebezogenen Reinertrag zusammen. Aus Vereinfachungsgründen bleibe der gebäudebezogene Reinertrag unberücksichtigt. Der Bodenwertverzinsungsbetrag stelle so eine Untergrenze für die Schätzung der üblichen Jahresnettomiete dar. Bei einem Bodenrichtwert von 150,00 Euro/qm und einem hier anzuwendenden mittleren Liegenschaftszins von 1,3 % ergebe sich bei einem Grundstücksanteil von 300 qm ein Bodenwertverzinsungsbetrag als Schätzmiete in Höhe von 585,00 Euro. Daraus errechne sich eine satzungsgemäß abgerundete Jahressteuer von 48,00 Euro.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist die Schätzung einer üblichen Miete für eine Zweitwohnung allein anhand des Bodenwerts und seiner Verzinsung grundsätzlich nicht mit Bundesrecht vereinbar. Dem Satzungsgeber komme bei der Festlegung des Steuermaßstabs zwar ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Art. 3 Abs. 1 GG verlange aber stets eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage. Bei einer Aufwandsteuer sei erforderlich, dass der gewählte Maßstab einen zumindest lockeren Bezug zu dem Aufwand des Steuerpflichtigen aufweist. Der Maßstab der Nettokaltmiete und der der üblichen Miete in § 4 ZwStS der Beklagten genüge diesen Voraussetzungen.

Eine Satzungsbestimmung hingegen, nach der die Schätzung der üblichen Miete bei Fehlen von Vergleichsmieten allein anhand des Bodenwerts erfolgen solle, würde sich vom zu besteuernden Aufwand für das Innehaben einer Zweitwohnung zu weit lösen. Entsprechendes gelte für eine Schätzung im Einzelfall, die sich ausschließlich am Bodenwert und seiner Verzinsung orientiert. Denn der Mietaufwand für eine Wohnung bemesse sich regelmäßig nach der Wohnfläche, ihrer Ausstattung und ihrer Lage. Der Bodenwert allein bilde hingegen lediglich einen Maßstab für die Lage der Wohnung und weise keinen Bezug zur Wohnfläche und der Wohnungsausstattung mehr auf.

Eine auf dieser Grundlage ermittelte Schätzmiete und damit die Zweitwohnungssteuer würde sich grundsätzlich verdoppeln, wenn bei gleichbleibender Wohnfläche und Ausstattung der Wohnung die Grundstücksfläche doppelt so groß ist; umgekehrt würde die Zweitwohnungssteuer bei Wohnungen mit gleicher Grundstücksfläche ungeachtet großer Unterschiede bei Wohnfläche und Wohnungsausstattung in gleicher Höhe erhoben. Durch derartige Verzerrungen beim geschätzten Mietwert werde eine gleichheitsgerechte Erhebung der Zweitwohnungssteuer verhindert. Demgegenüber seien Satzungsbestimmungen oder Schätzungen im Einzelfall, die den Bodenwert als einen von mehreren Faktoren für die Bestimmung des Mietwerts einer Wohnung heranziehen, derartigen Bedenken nicht ausgesetzt.

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