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Heft Mai 2012
Kein Streikrecht für Beamte
Die in Art. 11 EMRK und in Art. 9 Abs. 3 GG geregelte Koalitionsfreiheit wird durch die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums eingeschränkt, sodass Beamten in der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf deren Treuepflicht gegenüber ihrem Dienstherrn und vor dem Hintergrund der Erhaltung der Funktionsfähigkeit staatlichen Handelns kein Streikrecht zusteht (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Urteil vom 7. März 2012
- Az.: 3d A 317/11.O -
Anlass des Urteils war ein Disziplinarverfahren einer beamteten Lehrerin, die wiederholt ohne Genehmigung des Dienstherrn an Warnstreiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft teilgenommen und deshalb an diesen Tagen keinen Unterricht erteilt hatte. Der Dienstherr, das Land NRW, hatte daraufhin der Klägerin durch eine Disziplinarverfügung eine Geldbuße von 1.500 Euro auferlegt. Das VG Düsseldorf hat durch Urteil vom 15.12.2010 (31 K 3904/10.O) die Disziplinarverfügung aufgehoben.
Die dagegen gerichtete Berufung des Dienstherrn hatte Erfolg. Der Disziplinarsenat hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage der Klägerin ab. Zur Begründung führte der Vorsitzende des Disziplinarsenats aus: Aus der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte lasse sich ein Streikrecht für deutsche Beamte nicht ableiten. Darüber hinaus komme der EMRK im deutschen Recht keine über den Rang eines einfachen Bundesgesetzes hinausgehende Wirkung zu, sodass sich deren Regelungen an dem höherrangigen Grundgesetz messen lassen müssten.
Die in Art. 11 EMRK und in Art. 9 Abs. 3 GG geregelte Koalitionsfreiheit werde durch die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums eingeschränkt, sodass Beamten mit Blick auf deren Treuepflicht gegenüber ihrem Dienstherrn und vor dem Hintergrund der Erhaltung der Funktionsfähigkeit staatlichen Handelns ein Streikrecht nicht zustehe. Dieses Streikverbot gelte unabhängig davon, welche konkrete Funktion der einzelne Beamte ausübe, denn allein der Status als Beamter sei entscheidend.
Der Disziplinarsenat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Mandatsverzicht einer sachkundigen Bürgerin
Verzichtet eine sachkundige Bürgerin durch Erklärung gegenüber der entsendenden Ratsfraktion auf ihren Sitz in einem Ratsausschuss, führt dies dazu, dass kein Anspruch darauf besteht, weiter als stimmberechtigtes Ausschussmitglied behandelt zu werden (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 22. Februar 2012
- Az.: 15 L 163/12 -
Die Antragstellerin war nach der Kommunalwahl 2009 für die Fraktion „Die Linke“ als sachkundige Bürgerin in den Ratsausschuss für Sport und Gesundheit gewählt worden. Nach Auflösung dieser Fraktion nahm sie im Ausschuss die Interessen der neu gegründeten Fraktion „Bürger-Bündnis-Gelsenkirchen (BBG)“ wahr. Im Juli 2011 teilte sie der Fraktion schriftlich mit, sie „gebe ihren Posten im Ausschuss für Sport und Gesundheit [...] zurück.“
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wollte sie nun erreichen, dass sie vom Antragsgegner weiterhin als sachkundige Bürgerin mit Stimmrecht in dem Ausschuss zu behandeln sei, da sie mit ihrem Schreiben nicht ihr Mandat im Ausschuss habe niederlegen wollen, sondern lediglich ihren Austritt aus der Fraktion erklären wollte.
Dieser Argumentation folgte die Kammer aufgrund des eindeutigen Wortlauts ihres Schreibens nicht. Unschädlich sei, dass der jederzeit und formlos mögliche Mandatsverzicht an die Fraktion und nicht an den Antragsgegner adressiert wurde. Der kommunalrechtliche Grundsatz der „Organtreue“ verlange, dass die Fraktion das ihr Mögliche und Zumutbare unternehme, um ein an sie selbst adressiertes, aber inhaltlich zumindest auch an den Rat, bzw. den Oberbürgermeister als dessen Vertreter gerichtetes Schreiben an diesen weiterzuleiten. Danach habe die Antragstellerin mit der Weiterleitung an das zuständige Organ nicht nur rechnen müssen, sondern sogar darauf vertrauen dürfen.
Aufgrund der im Juli 2011 wirksam erfolgten Mandatsniederlegung sei für die im November 2011 abgegebene Erklärung der Antragstellerin, nunmehr ihr Mandat im Ausschuss für die Fraktion „Pro NRW“ wahrnehmen zu wollen, kein Raum mehr.
Altglascontainer im Wohngebiet
Die mit der Nutzung von Altglascontainern verbundenen Geräusche sind von Nachbarn auch dann hinzunehmen, wenn die Container in einem Wohngebiet stehen und sich nicht durchweg verhindern lässt, dass die Container außerhalb der vorgesehenen Einwurfzeiten genutzt werden (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Aachen, Urteil vom 15. Dezember 2011
Az.: - 6 K 2346/09 -
Die Kläger wehren sich seit Jahren gegen einen 7 m von ihrem Grundstück und 16 m von ihrem Wohngebäude entfernten Containerstandort. Mit ihrer im Dezember 2009 erhobenen Klage schlugen sie einen abseits der Wohnbebauung liegenden Alternativstandort für die Container auf einem Parkplatz vor.
Das Gericht stellte fest, dass die Kläger angesichts der Entfernung ihres Wohnhauses von den Containern die Lärmbelastung grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen hätten. Dies gelte sowohl für die Einwurf- als auch für die Begleitgeräusche, insbesondere das An- und Abfahren von Pkw sowie die Geräusche bei der Entleerung der Altglascontainer. Auch die Lärmbeeinträchtigung durch Nutzer außerhalb der vorgesehenen Einwurfzeiten sei im Regelfall hinzunehmen, es sei denn, der Standort der Container lade zum Missbrauch ein.
Vor diesem Hintergrund sei schließlich der Alternativvorschlag der Kläger abzulehnen. Die Gemeinde habe bei der Standortentscheidung berücksichtigen dürfen, dass ein abseits der Wohnbebauung gelegener Containerstandort keiner sozialen Kontrolle unterliege und zur illegalen Müllablagerung einlade. Dies sei bei Altglascontainern, die in einem Wohngebiet stünden, nicht der Fall.
Die Gemeinde sei allerdings weiterhin verpflichtet, den Containerstandort zu überwachen und ggf. mit Hilfe von Außendienstmitarbeitern die missbräuchliche Nutzung der Container ordnungsrechtlich zu verfolgen.