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Hauptausschuss 2024
Heft Mai 2013
NRW-Haushaltsgesetz 2011 verfassungswidrig
1. Eine Verletzung des Vorherigkeitsgebots gemäß Art. 81 Abs. 3 Satz 1 der Landesverfassung führt weder zur Nichtigkeit noch zur Verfassungswidrigkeit des Haushaltsgesetzes.
2. Von der in Art. 83 Satz 2 LV NRW normierten Regelverschuldungsgrenze darf grundsätzlich nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abgewichen werden. Die Störungslage muss ernsthaft und nachhaltig sein oder als solche unmittelbar drohen (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).
3. Bei der Beurteilung steht dem Haushaltsgesetzgeber ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu. Er muss jedoch nachvollziehbar darlegen, dass die Voraussetzungen für die Überschreitung der Regelverschuldungsgrenze vorliegen. Entscheidend ist, ob sich die Darlegungen am Ausnahmecharakter von Art. 83 Satz 2 LV NRW orientieren, auf aktuellen Konjunkturdaten beruhen und methodisch widerspruchsfrei sind.
4. Soll in einer Aufschwungphase mit unerwartet hohen Einnahmen ausnahmsweise eine ernste und nachhaltige konjunkturelle Störungslage angenommen werden, muss dies nachvollziehbar auch in Auseinandersetzung mit gegebenenfalls divergierenden fachwissenschaftlichen Auffassungen widerspruchsfrei dargelegt werden.
VerfGH NRW, Urteil vom 12. März 2013
- Az.: VerfGH 7/11 -
Zur Begründung wird Folgendes ausgeführt: Von der in Art. 83 Satz 2 LV normierten Regelverschuldungsgrenze dürfe grundsätzlich nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abgewichen werden. Nach gefestigten verfassungsrechtlichen Maßstäben müsse die Störungslage ernsthaft und nachhaltig sein oder als solche unmittelbar drohen. Bei der Beurteilung stehe dem Haushaltsgesetzgeber ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu. Er müsse jedoch die Voraussetzungen für die Überschreitung der Regelverschuldungsgrenze nachvollziehbar darlegen.
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung sei nur entscheidend, ob die Darlegungen des Gesetzgebers vertretbar seien. Sie müssten sich am Ausnahmecharakter von Art. 83 Satz 2 LV orientieren, auf aktuellen Konjunkturdaten beruhen und methodisch widerspruchsfrei sein. Erforderlich sei ein nachvollziehbarer Beleg dafür, dass im jeweiligen Haushaltsjahr deutliche Anzeichen für einen ausnahmsweise bestehenden oder drohenden konjunkturellen Abschwung bestünden, der durch Kreditaufnahme auszugleichende Mindereinnahmen und Mehrausgaben erwarten lasse. Die Darlegungslast intensiviere sich in einer Aufschwungphase mit unerwartet hohen staatlichen Einnahmen.
Diesen Anforderungen habe der Gesetzgeber nicht genügt. Er habe anhand der im maßgeblichen Zeitpunkt der Gesetzesberatungen (April 2011) vorliegenden Konjunkturdaten nicht hinreichend dargelegt, dass (noch) eine konjunkturelle Ausnahmesituation vorgelegen habe. Für 2011 hätten die Landesregierung und ihr folgend der Haushaltsgesetzgeber ein kräftiges Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen in Höhe von gut 40 Mrd. Euro erwartet. Deren Umfang sei zuvor nur in den Jahren 2007 und 2008 überschritten worden. Ausgehend davon habe es nicht dem Ausnahmecharakter des Art. 83 Satz 2 LV genügt, eine Störungslage hauptsächlich mit dem Umfang der im Jahr 2011 noch negativen Produktionslücke und erheblichen Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung zu begründen. Beide Gesichtspunkte habe der Gesetzgeber nicht zum Anlass genommen, nennenswerte Einnahmeeinbußen im Vergleich zur konjunkturellen Normallage im Haushalt einzuplanen.
Die Argumentation habe zudem in wesentlichen Punkten auf überholten Konjunkturdaten beruht. Sie hätten im Frühjahr 2011 einer Neuberechnung unter Berücksichtigung mehrfach deutlich nach oben korrigierter Wachstumsraten bedurft. Von den Anfang April 2011 bereits vorliegenden und im Gesetzgebungsverfahren thematisierten aktualisierten Schätzungen habe keine eine größere negative Produktionslücke ausgewiesen als -1,0 %. Die ganz überwiegende Anzahl dieser Prognosen habe eine vollständig geschlossene Produktionslücke angenommen. Auf diese neuen Erkenntnisse hätte der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren noch zumutbar reagieren können.
Die ebenfalls gerügte verspätete Entscheidung über den Haushalt 2011 habe hingegen trotz Verstoßes gegen Art. 81 Abs. 3 Satz 1 LV weder zur Nichtigkeit noch zur Verfassungswidrigkeit des Haushaltsgesetzes 2011 geführt. Das Vorherigkeitsgebot begründe eine Handlungspflicht der an der Gesetzgebung beteiligten Verfassungsorgane. Der Verstoß hiergegen führe nicht zur Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, das den verfassungswidrigen Zustand beseitige.
Pressefotograf und Opernpremiere
Die Oper Köln muss einem Pressefotografen bei Opernpremieren keine Fotoerlaubnis erteilen (nichtamtlicher Leitsätze).
OVG NRW, Urteil vom 13. März 2013
- Az.: 5 A 1293/11 -
Ein Fotojournalist hatte erfolglos eine Foto-Erlaubnis zur Premiere der Inszenierung „Samson et Dalila“ im Mai 2009 begehrt. Die gewünschte Fotoerlaubnis war unter Hinweis auf ein allgemeines Fotografierverbot bei Aufführungen und mit Rücksicht auf private Rechte der Darsteller versagt worden. Im Klageverfahren sollte allgemein geklärt werden, ob die Oper verpflichtet ist, Fotojournalisten bei Premierenaufführungen eigene Aufnahmen zu gestatten.
Der Senat hat ausgeführt, das geltend gemachte Recht, eigene Fotos aufzunehmen, ergebe sich weder aus dem presserechtlichen Auskunftsanspruch noch aus der grundrechtlich geschützten Presse- und Informationsfreiheit. Zwar sei die Oper Köln grundsätzlich zur Auskunftserteilung auf konkrete Anfragen der Presse verpflichtet. Jedoch stehe die Art und Weise der Auskunftserteilung in ihrem Ermessen. Dabei müsse sie dem presserechtlich geschützten Wunsch des Klägers, über eine bestimmte Aufführung einen Bildbericht erstellen zu wollen, Rechnung tragen.
Dies könne etwa dadurch geschehen, dass wesentliche Fakten zur Inszenierung mitgeteilt würden und ergänzend eine Auswahl an Bildaufnahmen aus der Probenarbeit angeboten werde. Mit Blick auf die Pressefreiheit sei aber nicht zu beanstanden, Journalisten denselben Verhaltensregeln zu unterwerfen, die die Oper im Interesse einer ungestörten Aufführung und mit Rücksicht auf berechtigte Belange der Darsteller jedem anderen Besucher abverlange.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen ist Nichtzulassungsbeschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Wahlverfahren zur Landschaftsversammlung
Das in § 7 b LVerbO normierte Verfahren der Wahl zur Landschaftsversammlung ist verfassungsgemäß.
OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2012
- Az.: 15 A 1909/12 -
Die Kläger wendeten sich gegen die Wahl zur 13. Landschaftsversammlung des Beklagten. Die Kläger begehrten die Zuteilung von zwei weiteren Sitzen. Die darauf gerichtete Klage hat das VG mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hatte in der Sache keinen Erfolg.
Die gegen das erstinstanzliche Urteil geltend gemachten ernstlichen Zweifel greifen nicht durch. Wenn die Kläger meinen, das in § 7 b LVerbO normierte Wahlverfahren verletze sowohl das Demokratieprinzip als auch den Grundsatz der Freiheit der Wahl, folgt der Senat dem nicht.
Mitglieder öffentlich-rechtlicher Kollegialorgane bedürfen, wenn sie Staatsgewalt ausüben, der demokratischen Legitimation im Sinne einer ununterbrochenen Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern. Da die Landschaftsversammlung mit Blick auf ihre Entscheidungszuständigkeiten unzweifelhaft Staatsgewalt ausübt, sieht die Regelung des § 7 b LVerbO die erforderliche demokratische Legitimation dadurch vor, dass alle Mitglieder der Landschaftsversammlung von den Vertretungen der Mitgliedskörperschaften gewählt werden.
Zu diesem Zweck hat jedes Rats- oder Kreistagsmitglied zwei Stimmen: Mit der Erststimme werden die auf die Mitgliedskörperschaft entfallenden Mitglieder und zugleich für jedes Mitglied ein Ersatzmitglied gewählt. Mit der Zweitstimme wird eine für das Gebiet des gesamten Landschaftsverbandes aufgestellte Reserveliste einer Partei oder Wählergruppe oder ein bestimmter Bewerber einer dieser Listen gewählt, wobei die Zweitstimme keinen Einfluss auf den politischen Proporz hat. Er ist gesetzlich auf die Mehrheitsverhältnisse der Parteien und Wählergruppen nach dem Ergebnis der letzten allgemeinen Kommunalwahl festgelegt.
Dass durch die Bindung der Sitzverteilung an das Ergebnis der vorausgegangenen Kommunalwahl die auf die Parteien und Wählergruppen entfallenden Anteile bereits feststehen und die Wahl der Reservelisten lediglich Einfluss auf die Reihenfolge der gewählten Bewerber hat, ist nach der Rechtsprechung des BVerwG ebenso unproblematisch wie die oben beschriebene Form der mittelbaren Wahl als demokratische Legitimation ausreichend ist.
Demgemäß verstößt die auf der Grundlage des § 7 b LVerbO gebildete Landschaftsversammlung entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht gegen den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit. Denn die Zusammensetzung der Landschaftsversammlung soll nicht eine verkleinerte Abbildung der Vertretungsorgane der Mitgliedskörperschaften sein; vielmehr soll sie die von den Parteien und Wählergruppen bei den vorausgegangenen allgemeinen Kommunalwahlen errungenen Stimmanteile abbilden.