Heft Mai 2021

Bürgerbegehren zu A 52-Ausbau in Gladbeck

Das Bürgerbegehren „Keine A 52 auf Gladbecker Stadtgebiet“ war nach Auffassung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts (OVG NRW) unzulässig.

OVG NRW, Urteil vom 07.10.2020
- Az.: 15 A 2927/18 -

Mit einer im Jahr 2015 geschlossenen Vereinbarung zum Ausbau der B 224 zur A 52 auf Gladbecker Stadtgebiet stellten Bund und Land eine Planungsvariante des Ausbaus der B 224 auf Gladbecker Stadtgebiet in Form eines etwa 1,5 km langen Volltunnels in Aussicht. Im Gegenzug erklärte die Stadt Gladbeck ihre Absicht, sich an diesem Ausbau „im Rahmen der förderrechtlichen Vorgaben“ finanziell zu beteiligen. Die Kläger wandten sich in dem von ihnen vertretenen Bürgerbegehren mit der Frage „Soll der Bürgermeister der Stadt Gladbeck beauftragt werden, die zur A 52 getroffene ‚Vereinbarung‘ zwischen Bund, Land und Stadt rückgängig zu machen?" an die Gladbecker Bürgerschaft. Der Rat der Stadt stellte die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens fest. Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen abgewiesen. Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg.

Nach Auffassung des OVG war das Bürgerbegehren unzulässig. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die wiedergegebene Kostenschätzung zwar nicht unzulänglich. Jedoch sei die Begründung des Bürgerbegehrens unzureichend. Eine Begründung sei zwingender Inhalt eines Bürgerbegehrens. Sie diene dazu, die Unterzeichnenden über den Sachverhalt und die Argumente der Initiatoren und Initiatorinnen aufzuklären. Diese Funktion erfülle die Begründung nur, wenn die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen zutreffend und vollständig dargestellt würden. Dem werde die Begründung des Bürgerbegehrens nicht gerecht. Der Text sei nicht aus sich heraus verständlich. Er nehme Bezug auf die vom Bürgermeister mit Bund und Land „zur A 52“ getroffene Vereinbarung, ohne deren Inhalt in groben Zügen darzustellen. Zudem fehle es an der Kongruenz zwischen Fragestellung und Begründung. Beides müsse sich auf denselben Gegenstand beziehen. Die Begründung gehe hier über die Fragestellung des Bürgerbegehrens hinaus und beziehe sich nicht nur auf die Vereinbarung, sondern auf die generelle Beteiligung der Stadt am Ausbau. Es werde der Eindruck erweckt, durch den Bürgerentscheid solle die Kompetenz zur Entscheidung, ob und wie sich die Stadt an den Ausbauplänen von Bund und Land beteilige, grundsätzlich vom Rat auf die Bürgerschaft übertragen und im Anschluss eine solche Beteiligung bzw. der Ausbau insgesamt verhindert werden. Diese Folgen habe ein erfolgreicher Bürgerentscheid indes nicht.

 

Platzvergabe bei der Ratssitzung zur A 52 in Gladbeck

Der Rat der Stadt Gladbeck hat die Rechte der Ratsfraktion der Partei DIE LINKE verletzt, indem er bei der Durchführung seiner Sitzung vom 26.11.2015 gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit verstoßen hat. Dieser Verstoß hat aber nicht die Unwirksamkeit der in der Sitzung gefassten Beschlüsse zur A 52 zur Folge.

OVG NRW, Urteil vom 07.10.2020
- Az.: 15 A 2750/18 -

Im Mittelpunkt der Tagesordnung der Ratssitzung vom 26.11.2015 stand der mögliche Ausbau der B 224 zur Autobahn A 52. Wegen des erwarteten großen Zuschauerandrangs wurden für die Ratssitzung vorab Eintrittskarten vergeben. Insgesamt 24 Karten wurden an die Presse, an bestimmte Funktionsträger und an Personen im Umfeld des Bürgermeisters vergeben. 25 Plätze erhielten die Ratsfraktionen nach Proporz. Das verbleibende Kontingent von 24 der insgesamt 73 Plätze vergab die Verwaltung nach der Reihenfolge der telefonischen Anfragen an interessierte Bürgerinnen und Bürger. Die Ratsfraktion DIE LINKE hält dieses Vergabesystem für rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat ihrer Klage stattgegeben, die auf Feststellung der Unwirksamkeit der in der fraglichen Sitzung gefassten Beschlüsse wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit gerichtet war. Die dagegen gerichtete Berufung des beklagten Rates der Stadt hatte teilweise Erfolg.

Der Rat der Stadt habe - so das OVG NRW - gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit von Ratssitzungen verstoßen und dadurch Rechte der Klägerin verletzt. Sitzungsöffentlichkeit bedeute, dass grundsätzlich eine Zugangsmöglichkeit für jedermann ohne Ansehen der Person im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten bestehe. Es sei zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Teil der vorhandenen Zuhörerplätze bestimmten Interessenten vorbehalten und damit der allgemeinen „Jedermanns“-Öffentlichkeit entzogen werde. Voraussetzung dafür sei zum einen, dass für die dadurch bewirkte Beschränkung der Öffentlichkeit mit den Prinzipien der Sitzungsöffentlichkeit zu vereinbarende sachliche Gründe vorliegen, und dass daneben noch eine relevante Anzahl an allgemein zugänglichen Plätzen verbleibe. Diesen Anforderungen sei die Kartenvergabe nicht gerecht geworden. Der Rechtsverstoß führe allerdings nicht zur Unwirksamkeit der in der Ratssitzung gefassten Beschlüsse. Während beim vollständigen Ausschluss der Öffentlichkeit die Willensbildung und die Beschlussfassung jeder unmittelbaren Beobachtung und Teilnahme durch die Bevölkerung entzogen seien, fänden diese Vorgänge bei einer fehlerhaften Platzvergabe gleichwohl vor den Augen der - wenn auch unvollkommenen - Öffentlichkeit statt. Der Verfahrensverstoß habe daher kein vergleichbares Gewicht, das die Rechtsfolge der Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse rechtfertigen würde.

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

 

Konzessionsabgabe bei der Wassergebührenkalkulation

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat eine Klage gegen einen Wassergebührenbescheid der Stadt Kassel an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. In dem Verfahren ging es insbesondere um die Frage, ob in der Gebührenkalkulation eine sogenannte Konzessionsabgabe nach dem Energiewirtschaftsgesetz für die Benutzung öffentlicher Verkehrswege durch die Wasserleitungen berücksichtigt werden darf.

BVerwG, Urteil vom 23.03.2021
- Az.: 9 C 4.20 -

Die Wasserversorgung für die Stadt Kassel wurde früher von einer auch für die Energieversorgung zuständigen privatrechtlichen Gesellschaft durchgeführt, die Eigentümerin der Versorgungsanlagen und -leitungen war und für die Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrsflächen Konzessionsabgaben an die Stadt Kassel zahlte. Nach einer kartellrechtlichen Beanstandung der Wasserpreise als überhöht wurde die Wasserversorgung neu organisiert und obliegt seit dem Jahr 2012 einem Eigenbetrieb der Stadt. Die Wasserleitungen und -einrichtungen blieben im Eigentum der Versorgungsgesellschaft, die diese an den Eigenbetrieb verpachtet und daneben umfangreiche technische und kaufmännische Dienstleistungen für den Betrieb der Wasserversorgung erbringt. Hierfür erhält sie von dem Eigenbetrieb ein Entgelt, das nach dem Pacht- und Dienstleistungsvertrag auch die Erstattung der Konzessionsabgabe beinhaltet, die die Gesellschaft weiterhin für ihre Wasserleitungen zahlt.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die von der Beklagten erhobenen Wassergebühren als rechtswidrig angesehen. Entgelte für Fremdleistungen, wie das hier zwischen dem Eigenbetrieb und der Versorgungsgesellschaft vereinbarte Entgelt, dürften nur in der für die Wasserversorgung erforderlichen Höhe in die Gebührenkalkulation einfließen. Fremdleistungsentgelte seien dabei in der Regel erforderlich, wenn sie den Vorgaben der Anlage zur Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen vom 21. November 1953 (Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten) entsprächen. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil die Stadt durch die gewählte Organisationsform selbst Kosten schaffe, die letztlich vom Gebührenzahler finanziert würden und in den allgemeinen Haushalt flössen. Das widerspreche Nr. 4 Abs. 2 der Leitsätze für die Preisermittlung, weil danach nur solche Kosten zu berücksichtigen seien, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung zur Erstellung der Leistungen entstünden.

Diese Auslegung des bundesrechtlichen Preisrechts hat das Bundesverwaltungsgericht beanstandet. Der Verwaltungsgerichtshof hätte bei der Prüfung des zwischen dem Eigenbetrieb und der Versorgungsgesellschaft vereinbarten Entgelts nicht – wie geschehen – die Stadt Kassel in den Blick nehmen dürfen, sondern hätte nach § 5 Abs. 1 der genannten Verordnung auf die angemessenen Kosten des Auftragnehmers – hier also der rechtlich selbständigen Versorgungsgesellschaft – abstellen müssen. Für diese sind aber Konzessionsabgaben betriebsbedingte Kosten, die zwangsläufig mit der Leistungserbringung anfallen.

Mit der Feststellung, dass die Konzessionsabgabe im Rahmen des an die Versorgungsgesellschaft geleisteten Entgelts preisrechtlich zulässig ist, ist allerdings noch nicht geklärt, ob sie auch bei der Gebührenkalkulation berücksichtigt und auf die Endverbraucher umgelegt werden kann. Dies hängt von weiteren Voraussetzungen des Kommunalabgabenrechts ab, die sich allein nach dem hessischen Landesrecht beurteilen und über die im Revisionsverfahren deshalb nicht zu entscheiden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat das angefochtene Urteil daher aufgehoben und die Sache an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

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