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Hauptausschuss 2024
Heft November 2004
Oddset-Wetten durch private Unternehmer
Die Vermittlung von Sportwetten, so genannten Oddset-Wetten, durch private Unternehmer bleibt in Nordrhein-Westfalen untersagt.
OVG NRW, Beschluss vom 14. Mai 2004
- Az.: 4 B 2096/03 -
Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt, den ein Unternehmen (= Antragstellerin) gegen die von der Stadt S. verfügte Untersagung einer in S. ausgeübten Vermittlung von Sportwetten, so genannten Oddset-Wetten, beantragt hatte. Er hat dabei seine bereits mit Beschlüssen vom 13. Dezember 2002 (AZ.: 4 B 1844/02 und 4 B 2124/02, Pressemitteilung vom 13.12.2002) begründete Rechtsprechung fortgeführt.
Ein in Gera ansässiger privater Wettunternehmer, der vor der Wiedervereinigung von der Stadt Gera eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten erhalten hatte (vgl. das Verfahren 4 B 1844/02), bot im Wettbüro der Antragstellerin in S. dem Publikum u. a. per Videotext Wetten zu bestimmten Sportereignissen und zu festgesetzten Quoten an; die Wettdaten, die die Antragstellerin unter Einschaltung eines Mittelmannes nach Thüringen elektronisch übertragen ließ, wurden im Wettbüro erfasst. Der Wettunternehmer nahm die in S. vereinnahmten Wetteinsätze entgegen, um evtl. Spielgewinne an die zur Gewinneinziehung ermächtigte Antragstellerin nach S. auszuzahlen. Die Stadt S. sah darin die Veranstaltung eines verbotenen Glückspiels und untersagte die Vermittlung. Dem ist das Oberverwaltungsgericht in seinem o. g. Beschluss gefolgt. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Vermittlung der Wetten sei ein in S. in NRW stattfindendes Veranstalten eines Glückspiels, das ohne die erforderliche behördliche Erlaubnis erfolge, weil die von der Stadt Gera erteilte Erlaubnis keine Gültigkeit in Nordrhein-Westfalen habe. Es spreche alles dafür, dass die Antragstellerin Einrichtungen für die unerlaubte öffentliche Veranstaltung eines Glückspiels bereitstelle, indem sie in ihrem Wettbüro z. B. Fernsehgeräte, mit Hilfe derer sich die Wetter über die von dem Wettunternehmer angebotenen Wetten unterrichten könnten, sowie EDV-Einrichtungen vorhalte, mit denen die Wettdaten zwecks Weiterleitung an den Wettunternehmer erfasst würden. Jedenfalls liege aber eine Beihilfe zur Beteiligung am unerlaubten Glückspiel - begangen durch die Wetter - und zur unerlaubten öffentlichen Veranstaltung eines Glückspiels - begangen durch den Wettunternehmer - vor. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung könne nicht zugunsten der Antragstellerin ihr Einwand berücksichtigt werden, dass der Staat für sein nach dem nordrhein-westfälischen Sportwettengesetz erlaubtes Veranstalten von Sportwetten aggressiv werbe und das Spielangebot in extremer Weise ausgeweitet habe, so dass dieses Veranstalten nicht mehr in einer den Anforderungen des Grundrechts auf freie Berufsausübung genügenden Weise geeignet oder erforderlich sei, die mit der Veranstaltung von Glückspielen einhergehenden Gefahren einzudämmen. Insoweit bedürfe es umfänglicher Aufklärung und einer komplexen Bewertung dazu getroffener Feststellungen, was nur in einem Verfahren zur Hauptsache zu leisten sei.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.
Daueraufenthaltsrecht trotz Sozialhilfebezugs der Eltern
Ausländer können auch dann eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie in Deutschland Sozialhilfe beziehen (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteil vom 28. September 2004
- Az.: 1 C 10.03 –
Der Kläger, ein 1982 geborener Iraner, lebt seit 1988 in Deutschland. Seit 1991 erhielt er eine jeweils verlängerte Aufenthaltsbefugnis aufgrund einer niedersächsischen Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge aus dem Iran. Die 2001 beantragte unbefristete Aufenthaltserlaubnis lehnte die beklagte Landeshauptstadt Hannover ab. Sie begründete dies damit, dass die Eltern des Klägers, denen er zum Unterhalt verpflichtet sei, Sozialhilfe beziehen. Wer für sich oder seine Familienangehörigen Sozialhilfe erhalte, habe nach dem Ausländergesetz – AuslG – keinen Anspruch auf einen Daueraufenthalt aus humanitären Gründen. Das Verwaltungsgericht Hannover hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision an das Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Der Kläger macht mit seiner Revision vor allem geltend, es könne nicht richtig sein, dass junge Ausländer, deren Eltern Sozialhilfe in Anspruch nehmen müssten, nur dann Aussicht auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis hätten, wenn sie entweder selbst Großverdiener oder die Eltern verstorben seien.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Kläger im Ergebnis Recht gegeben, das Urteil des VG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das VG muss noch klären, ob der Kläger die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (nach § 35 Abs. 1 AuslG) erfüllt. Dem Kläger darf aber nicht mehr entgegengehalten werden, dass seine Eltern Sozialhilfe beziehen. Zwar sieht das Ausländergesetz vor, dass eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG dann nicht erteilt werden darf, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt. Dazu gehört auch der Bezug von Sozialhilfe durch Angehörige, denen der Ausländer zum Unterhalt verpflichtet ist (§ 35 Abs. 1 Satz 1 AuslG i. V. m. § 24 Nr. 6 und § 46 Nr. 6 AuslG). Dadurch will das Gesetz aber nur sicherstellen, dass ein Daueraufenthaltsrecht für Ausländer, die sich seit mehr als acht Jahren legal in Deutschland aufhalten, nicht zusätzlich die Sozialsysteme belastet. Dieses fiskalische Interesse wird nicht berührt, wenn – wie hier im Falle des Klägers – die in Deutschland lebenden Eltern zwar Sozialhilfe in Anspruch nehmen, aber ein eigenes Aufenthaltsrecht besitzen, das vom Aufenthaltsstatus des erwachsenen Sohnes unabhängig ist.
Satzungsrecht der Anstalt öffentlichen Rechts
Überträgt die Gemeinde einer hierzu gegründeten Anstalt des öffentlichen Rechts gemäß § 114 a GO NRW die komplette Aufgabe der Abwasserbeseitigung einschließlich der Gebührenerhebung und räumt sie der Anstalt dabei das Recht zum Erlass der insofern erforderlichen Satzungen ein, ist bei summarischer Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dies die Anstalt nicht zum Erlass solcher satzungsrechtlicher Bestimmungen ermächtigt, mit denen der Gemeinde die Befugnis zur Erhebung von Abwassergebühren in eigenem Namen zurückübertragen wird.
OVG NRW, Beschluss vom 7. September 2004
– Az.: 9 B 1551/04 -
Die Stadt K. gründete auf satzungsrechtlicher Grundlage eine Anstalt des öffentlichen Rechts und übertrug ihr die Aufgabe der Abwasserbeseitigung einschließlich der darauf bezogenen Gebührenerhebung. Zugleich räumte sie der Anstalt das Recht ein, die zum Zwecke der Aufgabenerfüllung erforderlichen Satzungen zu erlassen. Daraufhin beschloss der Verwaltungsrat der Anstalt eine Gebührensatzung. Nach dessen § 1 werden die Abwassergebühren grundsätzlich von der Anstalt erhoben; daneben ist in § 4 Abs. 3 der Gebührensatzung bestimmt, dass ein Schmutz- und/oder Niederschlagswassergebühren betreffender Bescheid von der Stadt K. erlassen und mit dem Bescheid über andere Gemeindeabgaben verbunden sein kann.
Der Antragsgegner als Behörde der Stadt K. zog den Antragsteller mit einem in eigenem Namen erlassenen Grundbesitzabgabenbescheid für das Jahr 2003 u. a. zu Schmutzwassergebühren heran. Der Antragsteller erhob hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren Klage und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Das VG gab dem Antrag statt. Die nachfolgende Beschwerde des Antragsgegners blieb erfolglos.
Das VG hat es bei der gebotenen summarischen Prüfung für überwiegend wahrscheinlich erachtet, dass dem Antragsgegner mangels ausreichender satzungsrechtlicher Ermächtigung i. S. v. § 2 Abs. 1 KAG NRW nicht die Befugnis eingeräumt ist, Schmutzwassergebühren für das Jahr 2003 durch in eigenem Namen erlassene Bescheide zu erheben. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass diese Feststellung unzutreffend sein könnte.
Der Einwand des Antragsgegners verfängt nicht, entgegen der Wertung des VG folge seine entsprechende Erhebungsbefugnis aus der Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 2 der Abwassergebührensatzung des Kommunalunternehmens Stadtentwässerungsbetriebe K., Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Regelung bestimmt, dass der die Schmutz- und/oder Niederschlagswassergebühren betreffende Gebührenbescheid vom Antragsgegner erlassen und mit dem Bescheid über andere Gemeindeabgaben verbunden sein kann.
Selbst wenn mit der Regelung dem Antragsgegner die Befugnis eingeräumt werden sollte, auch für den Bereich der erwähnten Abwassergebühren in eigenem Namen Heranziehungsbescheide zu erlassen, folgte daraus bei summarischer Prüfung keine ausreichende Rechtsgrundlage für die streitbefangene Gebührenerhebung. Denn gegen eine derartige Bestimmung bestünden jedenfalls schon deshalb überwiegende Wirksamkeitsbedenken, weil der Satzungsgeber, hier der Verwaltungsrat der Stadtentwässerungsbetriebe K., Anstalt des öffentlichen Rechts (im Folgenden: Stadtentwässerungsbetriebe), nicht dazu ermächtigt worden ist, eine entsprechende (Rück )Verlagerung hoheitlicher Befugnisse auf den Antragsgegner vorzunehmen. Entgegen der Auffassung der Beschwerde kann eine solche Ermächtigung nicht aus dem den Stadtentwässerungsbetrieben eingeräumten Recht zum Erlass von Satzungen hergeleitet werden.
Der Erlass von Abwassergebührenbescheiden ist hoheitliches Handeln und stellt einen zentralen Kernbereich des Aufgabengebiets „Abwasserbeseitigung“ dar. Diese an sich dem Rechtsträger des Antragsgegners bzw. dem Antragsgegner selbst zugewiesene Aufgabe hat der Rat der Stadt K. in Ausnutzung der Ermächtigung des § 114 a Abs. 2 und 3 GO NRW durch die in der Folgezeit unverändert gebliebenen Regelungen in §§ 2, 3 Abs. 1 der Satzung für das Kommunalunternehmen „Stadtentwässerungsbetriebe K. Anstalt des öffentlichen Rechts“ der Stadt K. vollständig den Stadtentwässerungsbetrieben übertragen. Dabei umfasst die Übertragung ausdrücklich auch die Gebührenerhebung. Das in diesem Zusammenhang den Stadtentwässerungsbetrieben eingeräumte Recht zum Erlass von Satzungen besteht „für das übertragene Aufgabengebiet“, wird in seiner Reichweite mithin notwendigerweise durch die erfolgte Übertragung bestimmt. Daraus folgt aber auch, dass ihnen nicht die Befugnis eröffnet ist, mittels eigener satzungsrechtlicher Bestimmungen den ihnen übertragenen Wirkungskreis durch partielle Rückgabe einzelner, zumal zentraler Bereiche zu verschmälern. Eine solche Änderung des übertragenen Wirkungskreises kann als Festlegung des Umfangs der Übertragung vielmehr allenfalls - soweit das sonstige materielle Recht dies zulässt - durch die hierfür nach § 114 a Abs. 3 GO NRW allein berechtigte Stelle, nämlich das maßgebliche Willensbildungsorgan der jeweiligen Gemeinde, beschlossen werden.
Die Einräumung der Befugnis zum Erlass von Heranziehungsbescheiden durch den Antragsgegner in eigenem Namen stellt eine derartige partielle Rückgabe der den Stadtentwässerungsbetrieben übertragenen Aufgabe dar. Denn, wie oben gezeigt, ist insbesondere diese Tätigkeit auf sie delegiert worden und bei einem Erlass der Bescheide in eigenem Namen wird der Antragsgegner nicht nur als bloßer Erfüllungsgehilfe der Stadtentwässerungsbetriebe tätig, sondern will an deren Stelle kraft eigenem Recht hoheitlich wirken.
Angesichts dessen kann dahinstehen, ob gegen die Aufspaltung in eine die Leistung der Abwasserbeseitigung erbringende Stelle, hier die Stadtentwässerungsbetriebe, und eine die Gebühren erhebende Stelle, hier den Antragsgegner, auch sonstige materielle Bedenken bestehen.
Schließlich ergibt sich eine Befugnis des Antragsgegners, die streitigen Gebühren durch einen im eigenen Namen erlassenen Bescheid zu erheben, auch nicht aus dem im Beschwerdevorbringen geltend gemachten Zusammenwirken von Aufgabenübertragung, der vertraglichen Abtretung der Gebührenforderungen an die Stadt K. und der weiterhin bestehenden mittelbaren Trägerschaft der Stadt für die Abwasserbeseitigungseinrichtungen.
© StGB NRW 2004