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Heft November 2007
Kostendämpfungs-Pauschale im Beihilferecht
Die so genannte Kostendämpfungspauschale nach § 12a der nordrhein-westfälischen Beihilfenverordnung ist seit dem Jahr 2003 verfassungswidrig (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Urteile vom 10. September 2007
- Az.: 1 A 4955/05, 1 A 1180/06, 1 A 3529/06 und 1 A 1063/07 -
Durch die Kostendämpfungspauschalen werden Zuschüsse des Landes zu krankheitsbedingten Aufwendungen seiner Beamten und Richter um einen jährlichen Betrag gekürzt. Die Kürzung für 1999 hatte der 1. Senat in früheren Entscheidungen unbeanstandet gelassen und damit die Zustimmung des Bundesverwaltungsgerichts gefunden. Für die Zeit ab 2003 hält er hieran nicht fest und bestätigt insoweit das Ergebnis des 6. Senats des Gerichts.
Nach Ansicht des 1. Senats verletzt das Land durch Abzug der Kostendämpfungspauschale den Kern der verfassungsrechtlich geschuldeten Fürsorge. Beihilfe ergänzt die Alimentation, um Beamte und Richter in Krankheitsfällen wirtschaftlich abzusichern. Bewegt sich die Alimentation am untersten Rand des verfassungsrechtlich Akzeptablen, so führt jede Minderung von Beihilfeleistungen zu einer fürsorgewidrigen Unteralimentation. Die Beihilfeberechtigten sind dadurch gezwungen, zusätzliche eigene Anteile ihrer Besoldung zur Finanzierung von Krankheitskosten einzusetzen. Ein solcher kritischer Zustand ist 2003 erreicht worden. In jenem Jahr ist die Besoldung der Beamten/Richter von der allgemeinen Einkommensentwicklung greifbar abgekoppelt worden. Auslöser war die Verringerung des sog. Weihnachtsgeldes auf bis zu 50 Prozent. Sie hat eine Abkoppelung bewirkt, die in den Folgejahren durch Streichung des Urlaubsgeldes und weitere Absenkung des Weihnachtsgeldes noch deutlich verschärft worden ist. Dadurch hat das Land seinen Beamten und Richtern gezielt ein Sonderopfer zur Einsparung von Personalkosten auferlegt, während die Beschäftigten im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes verschont geblieben sind.
Die Absenkung der Besoldung auf das erreichte Niveau lässt weitere Belastungen nicht zu. Für den einzelnen Beihilfeberechtigten würde dadurch unabhängig von seiner Besoldungsgruppe oder der Höhe der Belastung im Einzelfall eine verfassungswidrige Lage geschaffen. Dem Land ist es daher generell verwehrt, die Pauschale für die streitigen Jahre 2003 bis 2006 zu fordern.
Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen können die unterlegenen Beteiligten beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einlegen.
Freizeitausgleich für Feuerwehrleute
Beamte der Feuerwehr, deren wöchentliche Arbeitszeit einschließlich der Bereitschaftsdienste über die in der EU-Arbeitszeitrichtlinie festgelegte Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinausgeht, haben einen Anspruch auf Freizeitausgleich. Die sich rein rechnerisch ergebende Mehrarbeit ist allerdings wegen der Bereitschaftsdienste zu halbieren. Von diesem Betrag sind weitere fünf Stunden pro Monat abzuziehen, da Beamte in diesem Umfang unentgeltlich zur Mehrarbeit verpflichtet sind (nichtamtliche Leitsätze).
VG Minden, Urteil vom 25. Juli 2007
- Az.: 4 K 864/06 u. a. -
Das VG hatte in mehreren Musterverfahren darüber zu entscheiden, ob die Beamten der Feuerwehr einen Anspruch auf Freizeitausgleich haben, weil sie in der Vergangenheit mehr als die nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie zulässigen 48 Wochenstunden arbeiten mussten. Die Arbeitszeit der Kläger betrug bis zum 31.12.2006 einschließlich der Zeiten des Bereitschaftsdienstes 54 Stunden, obwohl die zulässige Höchstarbeitszeit nach einem Urteil des EuGH vom 14.07.2005 (Rs.: C-52/04) auch für Feuerwehrleute 48 Stunden pro Woche beträgt. Erst seit Änderung der landesrechtlichen Arbeitszeitverordnung mit Wirkung zum 01.01.2007 änderte die beklagte Stadt die Dienstpläne entsprechend. Mit ihrer Klage verlangten die Kläger von der Beklagten für die Zeit ab dem 01.01.2002 Freizeitausgleich im Umfang von 24 Stunden pro Monat. Ihre hierauf gerichtete Klage hatte teilweise Erfolg. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig.
Die Kläger haben gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Freizeitausgleich wegen der in der Vergangenheit geleisteten Mehrarbeit. Die in der EU-Arbeitszeitrichtlinie vorgeschriebene wöchentliche Höchstarbeitszeit gilt nach der Rechtsprechung des EuGH auch für Feuerwehrleute, wobei die Bereitschaftsdienste, die die Kläger leisten müssen, als Arbeitszeit im Sinn der Richtlinie anzusehen sind.
Der Anspruch auf Freizeitausgleich besteht allerdings nicht in dem geltend gemachten Umfang. Der Freizeitausgleich steht den Klägern nicht schon rückwirkend zum 01.01.2002, sondern erst rückwirkend zum 01.10.2005 zu. Denn die Beklagte konnte erst ab Bekanntwerden der EuGH-Entscheidung vom 14.07.2005 (Rs.: C-52/04) positiv wissen, dass 3 Dienstzeiten gegen das EU-Recht verstoßen.
Der Umfang des Freizeitausgleichs beläuft sich auch nicht auf die sich rein rechnerisch ergebende Mehrarbeit von 24 Stunden pro Monat. Von dieser Mehrarbeit kann wegen der hierin enthaltenen Bereitschaftsdienste nur die Hälfte als Dienstzeit berücksichtigt werden. Außerdem sind weitere fünf Stunden pro Monat abzuziehen, da Beamte in diesem Umfang unentgeltlich zur Mehrarbeit verpflichtet sind. Damit beläuft sich die auszugleichende Mehrarbeit auf sieben Stunden im Monat.
Führungspositionen für Beamte auf Zeit
Wird einem Beamten auf Lebenszeit ein Führungsamt übertragen, so darf dieses nicht für eine Dauer von zehn Jahren lediglich auf Zeit übertragen werden. Eine entsprechende gesetzliche Regelung ist verfassungswidrig (nichtamtliche Leitsätze).
BVerwG, Beschluss vom 27. September 2007
- Az.: 2 C 21.06, 2 C 26.06 und 2 C 29.07 -
Nach einer Bestimmung des nordrhein-westfälischen Beamtenrechts werden Führungsämter zunächst im Beamtenverhältnis auf Zeit vergeben; während dieser Zeit ruht das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Erst nach zwei Amtszeiten von zusammen zehn Jahren darf dem Inhaber des Führungsamtes dieses Amt auf Lebenszeit übertragen werden.
Diese landesgesetzliche Bestimmung verstößt nach dem Beschluss gegen den hergebrachten Grundsatz, wonach Ämter auf Lebenszeit übertragen werden. Dieser Grundsatz hat Verfassungsrang (Art. 33 Abs. 5 GG). Ihm kommt maßgebende Bedeutung für die Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe zu, eine stabile, an Recht und Gesetz orientierte Verwaltung im politischen Kräftespiel sicherzustellen. Durch die Übertragung des Amtes auf Lebenszeit soll der Beamte vor sachwidriger Beeinflussung und das Beamtentum insgesamt gegen Ämterpatronage geschützt werden.
Beamte dürfen nach ihrer Berufung in ein Führungsamt nicht zehn Jahre lang der Möglichkeit unsachlicher oder politischer Pressionen und einem Druck zu Willfährigkeit und Anpassung ausgesetzt werden, indem man sie im Ungewissen darüber lässt, ob sie das Amt auf Dauer behalten werden oder wieder in ihr altes, niedriger besoldetes Amt zurückkehren müssen. Die Gründe, die den Landesgesetzgeber zur Schaffung dieser gegen das Lebenszeitprinzip verstoßenden Regelung veranlasst haben, hält das Bundesverwaltungsgericht nicht für tragfähig. Es hat daher die Verfahren ausgesetzt und die Frage der Gültigkeit der Regelung dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.
© StGB NRW 2007