Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft November 2018
Sonntägliche Ladenöffnung in Euskirchen
Zwar hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin entgegen dem LÖG NRW vor Erlass der Rechtsverordnung nicht angehört, es konnte jedoch nicht mit der für den Erlass einer normsuspendierenden einstweiligen Anordnung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der darin liegende Verfahrensfehler funktionserheblich ist und dementsprechend zur Unwirksamkeit der Änderungsverordnung führt. Auch materiell-rechtlich spricht so viel für die Rechtmäßigkeit der Verordnung bezogen auf die Freigabe der Ladenöffnung am 30.09.2018, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht unabweisbar erscheint. (Orientierungssatz)
OVG NRW, Beschluss vom 27.09.2018
- Az.: 4 B 1410/18 -
Die Geschäfte in der Innenstadt von Euskirchen durften am 30.09.2018 anlässlich des 16. Knollenfests geöffnet werden, wie das Oberverwaltungsgericht in einem von der Gewerkschaft ver.di gegen die Freigabe der Ladenöffnung angestrengten Eilverfahren unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Aachen entschieden hat.
Das OVG teilt zwar die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach die gesetzlich vorgesehene Anhörung unter anderem der zuständigen Gewerkschaft vor der 2. Änderungsverordnung zur Freigabe der Ladenöffnung vom 04.09.2018 erforderlich war, aber nicht erfolgt ist. Dennoch habe nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden können, dass der darin liegende Verfahrensfehler im konkreten Fall zur Unwirksamkeit der Änderungsverordnung führt. Denn es spreche viel dafür, dass die Gewerkschaft und die übrigen anzuhörenden Stellen ausreichend Gelegenheit gehabt hätten, ihre Interessen bezogen auf den konkreten freigegebenen Sonntag trotz des Anhörungsmangels in das Normgebungsverfahren einzubringen.
Der Rat habe bei seiner Entscheidung über die geplante Ladenöffnung am 30.09.2018 sämtliche aus dem letzten Jahr vorliegenden Äußerungen jedenfalls ihrem wesentlichen Inhalt nach gekannt und gewürdigt. Zudem habe er sich mit den von der Gewerkschaft ver.di in einem gerichtlichen Eilverfahren Ende August 2018 erhobenen weiteren Einwänden substanziell auseinandergesetzt und hierdurch veranlasst Korrekturen an der früheren Verordnung vorgenommen. Am Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine nur ausnahmsweise zulässige Sonntagsöffnung bestehen nach Auffassung des OVG gleichfalls keine Zweifel.
Das - auch öffentlich verlautbarte - Vorbringen der Beteiligten bot dem Senat Anlass zu der Klarstellung, es obliege dem Verordnungsgeber, die gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben von sich aus zu beachten und einzuhalten. Jedenfalls nachdem die Gewerkschaft ver.di dies bereits vor einem Jahr mit Nachdruck eingefordert habe, hätte dies - dem nicht nur formal zu verstehenden Sinn der Anhörung entsprechend - der Stadt genug Gelegenheit gegeben, die Einhaltung geltenden Rechts bei Erlass ihrer Verordnung vom 10.10.2017 rechtzeitig zu prüfen und etwaige Rechtsfehler zu korrigieren.
Hätte sie dies getan, hätte ihr bereits, ohne dass es hierfür eines von ihr nunmehr als rechtsmissbräuchlich bezeichneten gerichtlichen Antrags der Gewerkschaft ver.di bedurft hätte, auffallen müssen, dass die Ergebnisse der Anhörung seinerzeit den Ratsmitgliedern nicht vorgelegen hätten und jedenfalls die Stellungnahme von ver.di völlig unzutreffend dahingehend wiedergegeben worden sei, sie sehe keinen Grund zur Beanstandung. Den darin liegenden offenkundigen Anhörungsmangel hätte die Antragsgegnerin frühzeitiger heilen können.
Konkurrierende Windenergieanlagen
Das Oberverwaltungsgericht hat mit zwei Urteilen über eine Konkurrenzsituation zwischen Betreibern von zwei Windenergieanlagen in Bad Wünnenberg entschieden und demjenigen Betreiber Recht gegeben, der zuerst seine Unterlagen in einem prüfungsfähigen Zustand vorgelegt hatte. (Orientierungssatz)
OVG NRW, Urteile vom 18.09.2018
- Az.: 8 A 1884/16 und 8 A 1886/16 -
Die beiden streitgegenständlichen, jeweils rund 180 m hohen Windenergieanlagen liegen lediglich ca. 207 m auseinander. Eine der beiden Anlagen muss bei bestimmten Windrichtungen abgeschaltet werden, weil sonst durch Turbulenzen die Standsicherheit beeinträchtigt wird. Die beiden Betreiber hatten mit der zuständigen Behörde darum gestritten, welche Anlage zeitweise abzuschalten ist. Das Oberverwaltungsgericht hat die erstinstanzlichen Urteile des Verwaltungsgerichts Minden bestätigt, die der Windenergieanlage der Kläger den Vorrang zuerkannten.
Zur Begründung hat das OVG ausgeführt: Die Reihenfolge konkurrierender Anträge beurteile sich grundsätzlich nach dem sogenannten Prioritätsprinzip („Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“). Maßgeblich hierfür sei nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, der Entscheidungsreife, der Genehmigungserteilung oder der Errichtung der Anlage; entscheidend sei vielmehr der Zeitpunkt der Einreichung eines prüffähigen Antrages. Hierdurch werde gewährleistet, dass es in der Hand des Vorhabenträgers liege, ob bzw. zu welchem Zeitpunkt er den Aufwand für die Erstellung der erforderlichen Unterlagen (insbesondere Einholung entsprechender Gutachten) betreibe.
Zugleich sei gewährleistet, dass weder eine bloße Antragstellung ohne ausreichende Unterlagen („pro forma“) genüge noch der Vorrang von behördlichen Handlungen oder der Mitwirkung anderer Betroffener abhängig sei. Dies gelte auch für das Konkurrenzverhältnis zwischen einem immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zu einem Genehmigungsantrag. Ein Vorbescheid, mit dem vorab das Vorliegen bestimmter Genehmigungsvoraussetzungen festgestellt wird, stelle zwar nur einen Ausschnitt aus der späteren Genehmigung dar.
Hierauf sei die Prüfung beim immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid allerdings nicht beschränkt, weil anhand der vollständigen Unterlagen feststehen müsse, dass die gesamte Anlage am vorgesehenen Standort mit hinreichender Wahrscheinlichkeit genehmigt werden könne. Dies reiche für eine Rangsicherung aus. Hiervon ausgehend sei der Genehmigungsantrag der Beigeladenen nachrangig, weil sie im Hinblick auf den Artenschutz - hier des Schutzes von Rotmilan und Fledermäusen - erst später als die Kläger prüffähige Unterlagen vorgelegt hätte.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Beschwerden gegen Dürener Annakirmes
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in fünf Fällen die Eilbeschlüsse des Verwaltungsgerichts Aachen zu Auswahlentscheidungen zur Dürener Annakirmes bestätigt. (Orientierungssatz)
OVG NRW, Beschlüsse vom 25. und 26.07.2018
- Az.: 4 B 1039/18, 4 B 1064/18, 4 B 1065/18, 4 B 1068/18, 4 B 1069/18 -
Erstinstanzlich hatte das zuständige Verwaltungsgericht mehreren Eilanträgen von Schaustellern stattgegeben und die Stadt zur Neubescheidung verpflichtet sowie weitere Eilanträge abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat drei Beschwerden der Stadt zurückgewiesen, die sich gegen die Verpflichtung zur Neubescheidung gewandt hatte („Ausschank-Karussell“, „Brau Stüberl“ und „Nusskönig“).
Die Beschwerde der Betreiberin des Fahrgeschäfts „Breakdancer No. 1“, die in erster Instanz nur die Verpflichtung zur Neuentscheidung erreicht hatte und ihre Zulassung gerichtlich durchsetzen wollte, blieb im Ergebnis ohne Erfolg, nachdem der zuständige Fachausschuss in einer Sondersitzung am Abend des 24.07.2018 über den Antrag neu entschieden hatte. Schließlich wurde auch die Beschwerde des schon vor dem Verwaltungsgericht unterlegenen Betreibers des Fahrgeschäfts „Octopussy“ zurückgewiesen.
Das Oberverwaltungsgericht hatte im Verfahren hinsichtlich der Auswahl zwischen den Fahrgeschäften „Breakdance No. 1“ und „Break Dancer No. 2“ der Stadt zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes mit Beschluss vom 25.07.2018 zunächst aufgegeben, bis zu einer Entscheidung über die Beschwerde den Aufbau des zugelassenen Fahrgeschäfts zu untersagen. Unter Berücksichtigung des Ausschussprotokolls über die der Stadt vom Verwaltungsgericht aufgegebene Neubescheidung waren nunmehr auch Vorfälle beim letztjährigen Betrieb des ausgewählten „Break Dancer No.2“ (sexuell konnotierte Lautsprecherdurchsagen gegenüber weiblichen Fahrgästen durch das Personal; Abbrechen eines Plexiglasteils bei laufendem Betrieb) im Rahmen der Attraktivitätsbewertung zwischen den beiden Fahrgeschäften berücksichtigt worden.
Deshalb beruhte die Auswahlentscheidung des Ausschusses nach Ansicht des Senats nunmehr auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage. Angesichts ähnlich vulgärer Lautsprecherdurchsagen beim Betrieb des „Breakdance No. 1“ bei einer zurückliegenden anderen Veranstaltung hielt der Senat dieses Fahrgeschäft nicht für eindeutig vorzugswürdig.
Die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung der Stadt zur Neubescheidung („Ausschank-Karussell“, „Brau Stüberl“ und „Nusskönig“) hat das OVG demgegenüber bestätigt, weil die jeweilige Auswahlentscheidung des Fachausschusses nicht transparent und nachvollziehbar gewesen sei. Zwar sei dem Veranstalter ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum eingeräumt. Er müsse jedoch die Kriterien seiner Auswahlentscheidung anhand im Voraus festgelegter Kriterien transparent und nachvollziehbar darlegen, um allen Bewerbern eine hinreichende Chancengleichheit zu gewährleisten.
Ein in den Zulassungsrichtlinien für die Annakirmes vorgesehener Attraktivitätsvergleich zwischen den Bewerbern sei bei der maßgeblichen Entscheidung des Ausschusses in diesen Fällen allerdings trotz entsprechender Hinweise der Verwaltung nicht erkennbar erfolgt. Ein nachvollziehbarer Vergleich habe insbesondere nicht durch eine politische Abstimmung im Ausschuss ersetzt werden können, weil diese nicht von der Pflicht entbinde, Auswahlentscheidungen nachvollziehbar und transparent zu treffen.
In einem weiteren Beschwerdeverfahren („Octopussy“) hat der Senat die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts wiederum bestätigt, weil die Auswahlentscheidung des Steuerausschusses zwischen den Rund- und Hochfahrgeschäften „Octopussy“ und „Heroes“, das den Zuschlag enthalten hat, den rechtlichen Anforderungen entsprochen habe. Insbesondere habe sich der Ausschuss in Einklang mit den Zulassungsrichtlinien darauf berufen, dass das ausgewählte Fahrgeschäft eine absolute Neuheit auf der Annakirmes darstelle. Die Beschlüsse sind unanfechtbar.