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Hauptausschuss 2024
Heft Oktober 2008
Schadenersatz nach Verlust bei Derivatgeschäften
Das Landgericht Wuppertal hat eine Klage der Stadt Hagen auf Leistung von Schadenersatz in Zusammenhang mit dem Abschluss von Zinsderivatgeschäften gegen die Deutsche Bank abgewiesen.
Landgericht Wuppertal, Urteil vom 16. Juli 2008
- Az.: 3 O 33/08 -
Mit der Klage hatte die Stadt Hagen eine Schadenersatzforderung in Höhe von rd. 21 Mio. Euro geltend gemacht und zudem beantragt festzustellen, dass der Deutschen Bank keine weiteren Ansprüche mehr zustehen. Die klagende Stadt und die gleichzeitig klagende städtische Tochter hatten vorgetragen, die getätigten Geschäfte seien aufgrund ihres spekulativen Charakters und des für Gemeinden geltenden Spekulationsverbotes nichtig. Zudem liege ein sittenwidriges Missverhältnis zwischen Chancen und Risiken vor. Die vor Geschäftsschluss getätigten Angaben der Beklagten seien auch nicht transparent. Außerdem sind die Klägerinnen der Ansicht, die Beklagte habe gegen ihre vertraglichen Aufklärungspflichten verstoßen. Die Kammer hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Verträge seien nichtig und die Stadt habe gewusst, was sie tat; ein Beratungsfehler der Bank sei nicht festzustellen.
Der gleichzeitig erhobenen Klage eines städtischen Tochterunternehmens auf Schadenersatz in Höhe von rd. 1 Mio. Euro und Feststellung, dass die Bank keine weiteren Zahlungen verlangen darf, hat das Landgericht demgegenüber stattgegeben. Die städtische Tochter sei in Bezug auf Geschäfte dieser Art unerfahren; dem somit erhöhten Beratungsbedarf habe die Beratung seitens der Bank nicht genügt.
Den Streitwert hat das Gericht auf 49.485.107,29 Euro festgesetzt. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Stadt zu 95 % und die Deutsche Bank zu 5 % zu tragen.
Das Urteil des Landgerichts vom 16.07.2008 (Az: 3 O 33/08) ist abrufbar unter www.nrwe.de.
Erhebung einer Gebühr bei Kirchenaustritt
Das formalisierte Verfahren zur Erklärung des Austritts aus einer Kirche oder aus einer sonstigen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft des öffentlichen Rechts und die Erhebung einer Gebühr in Höhe von 30 Euro sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 2008
- Az.: 1 BvR 3006/07 -
In Nordrhein-Westfalen ist der Kirchenaustritt mit Wirkung für den staatlichen Bereich beim Amtsgericht zu erklären. Hierfür ist eine Kirchenaustrittsgebühr von 30 Euro zu entrichten. Der Beschwerdeführer sieht in dem formalisierten Kirchenaustrittsverfahren und dessen Gebührenpflichtigkeit eine unzulässige Einschränkung seiner grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit. Seine Verfassungsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die angegriffenen Regelungen mit Art. 4 Abs. 1 GG (Glaubens- und Bekenntnisfreiheit) vereinbar sind.
Das formalisierte Verfahren zur Erklärung des Austritts aus einer Kirche oder aus einer sonstigen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft des öffentlichen Rechts und die Erhebung einer Gebühr in Höhe von 30 Euro sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Das Verfahren diene dem legitimen Ziel, die geordnete Verwaltung der Kirchensteuer sicherzustellen. Dies setze voraus, dass Austrittserklärung und Austrittszeitpunkt mit Wirkung für den staatlichen Bereich zuverlässig erfasst werden. Eine formlose oder in der Form vereinfachte Austrittserklärung wäre nicht in gleicher Weise geeignet, die staatlichen Wirkungen der Kirchenmitgliedschaft verlässlich zu beenden. Die Abgabe der Erklärung beim Amtsgericht oder schriftlich in öffentlich beglaubigter Form stelle in erhöhtem Maße
sicher, dass Unklarheiten über die Authentizität, die Ernsthaftigkeit und den genauen Zeitpunkt der Austrittserklärung vermieden werden.
Die Pflicht zur Absolvierung eines gebührenpflichtigen Austrittsverfahrens sei dem Betroffenen auch zumutbar. Die von der Durchführung des Verfahrens selbst ausgehende Belastung des Betroffenen, insbesondere der Zeitaufwand und das Sicherklären in Glaubensangelegenheiten gegenüber einer staatlichen Stelle, erweise sich nicht als unangemessen. Auch ist die Erhebung einer Gebühr in Höhe von 30 Euro verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie diene allein der Kostendeckung. Nach der Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung beträgt der Arbeitsaufwand für jeden Fall der Bearbeitung eines Kirchenaustritts trotz des Einsatzes von Informationstechnik mindestens 15 Minuten. Die Belastung eines Austrittswilligen mit den Kosten für ein solches Verfahren sei angesichts der widerstreitenden Belange der geordneten Verwaltung der Kirchensteuer einerseits und der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit andererseits dem Grunde nach zumutbar.
Nichtraucherschutzgesetze von Baden-Württemberg und Berlin
Die Nichtraucherschutzgesetze von Baden-Württemberg und Berlin verletzen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008
- Az.: 1 BvR 3262/07; 1 BvR 402/08; 1 BvR 906/08 -
Die Verfassungsbeschwerden von zwei Gastwirten und einer Diskothekenbetreiberin, die sich gegen Bestimmungen der Nichtraucherschutzgesetze von Baden-Württemberg und Berlin wenden, waren erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass die angegriffenen Regelungen die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung verletzen.
Zwar wäre der Gesetzgeber nicht gehindert, ein striktes, ausnahmsloses Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen. Entscheidet er sich aber für eine Konzeption, bei der das Ziel des Gesundheitsschutzes mit verminderter Intensität verfolgt und mit Rücksicht insbesondere auf die beruflichen Interessen der Gastwirte Ausnahmen vom Rauchverbot zugelassen werden, so müssen diese Ausnahmen auch die durch das Rauchverbot wirtschaftlich besonders stark belastete getränkegeprägte Kleingastronomie ("Eckkneipen") miterfassen. Die Landesgesetzgeber haben bis zum 31. Dezember 2009 eine Neuregelung zu treffen. Dabei können sie sich unter Verzicht auf Ausnahmetatbestände für eine strenge Konzeption des Nichtraucherschutzes in Gaststätten entscheiden; oder sie können im Rahmen eines weniger strengen Schutzkonzeptes Ausnahmen vom Rauchverbot zulassen, die dann allerdings folgerichtig auf besondere Belastungen einzelner Bereiche des Gaststättengewerbes Rücksicht nehmen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein müssen.
Die angegriffenen Bestimmungen bleiben wegen der hohen Bedeutung des Schutzes der Bevölkerung vor den Gefahren des Passivrauchens bis zu einer Neuregelung anwendbar. In Baden-Württemberg und Berlin gelten daher zunächst weiterhin die bisherigen Vorschriften über das Rauchverbot in Gaststätten. Um für die Betreiber kleinerer Gaststätten existentielle Nachteile zu vermeiden, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung die in den Nichtraucherschutzgesetzen bereits vorgesehenen Ausnahmen um eine weitere zugunsten der getränkegeprägten Kleingastronomie erweitert. Voraussetzung für eine solche Ausnahme vom Rauchverbot ist, dass die betroffene Gaststätte keine zubereiteten Speisen anbietet, eine Gastfläche von weniger als 75 Quadratmetern hat, nicht über einen abgetrennten Nebenraum verfügt und Personen unter 18 Jahren der Zutritt verwehrt ist. Zudem muss die Gaststätte im Eingangsbereich als Rauchergaststätte, zu der Personen unter 18 Jahren keinen Zutritt haben, gekennzeichnet sein.
Lässt ein Nichtraucherschutzgesetz die Einrichtung von Raucherräumen als Ausnahmen vom Rauchverbot in Gaststätten zu, ist ferner der generelle Ausschluss der Diskotheken von dieser Begünstigung nicht gerechtfertigt. Bis zu einer Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2009 zu treffen hat, gilt die Vorschrift mit der Maßgabe fort, dass in Diskotheken, zu denen nur Personen ab 18 Jahren Zutritt haben, ein Raucherraum - ohne Tanzfläche - eingerichtet werden darf.
© StGB NRW 2008