Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft Oktober 2009
Die Kommunalaufsicht ist durch Bundesrecht nicht gehindert, den Beschluss eines Gemeinderates aufzuheben, mit dem die Realsteuerhebesätze haushaltsrechtswidrig gesenkt werden.
OVG NRW, Beschluss vom 22. Juli 2009
- Az.: 15 A 2324/07-
Das OVG NRW hat mit dem Beschluss eine bedeutsame Entscheidung zu den kommunalaufsichtlichen Befugnissen im Zusammenhang mit der Festsetzung von Realsteuerhebesätzen getroffen.
Die klagende Gemeinde befindet sich seit Jahren im Nothaushaltsrecht. Im Jahre 2005 hatte der Rat eine Senkung der Hebesätze für die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer beschlossen. Die beklagte Aufsichtsbehörde hob diesen Beschluss als haushaltsrechtswidrig auf. Der gegen die Aufhebungsverfügung erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt, da die bundesrechtliche Zuweisung des Hebesatzrechts für Realsteuern an die Gemeinden landesrechtliche Vorschriften über die Höhe der Hebesätze ausschließe. Auf die Berufung des Beklagten wies das OVG NRW nunmehr die Klage ab und ließ die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu.
Zur Begründung hat das OVG Folgendes ausgeführt:
Ermächtigungsgrundlage für die Aufsicht ist § 122 Abs. 1 Satz 2 GO NRW. Nach dieser Vorschrift kann die Aufsichtsbehörde Beschlüsse des Rates, die das geltende Recht verletzen, nach vorheriger Beanstandung durch den Bürgermeister und nochmaliger Beratung im Rat aufheben. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Gemäß § 75 Abs. 3 GO NRW a. F. muss der Haushalt in jedem Jahr ausgeglichen sein. Gegen diese Vorschrift verstößt nach Auffassung des OVG NRW die Klägerin seit Jahren. Aus der Verpflichtung zum Haushaltsausgleich ergebe sich die haushaltsrechtliche Pflicht für die Gemeinde, alles zu unternehmen, um durch Zurückführung der Ausgaben und Erhöhung der Einnahmen dieses Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Insbesondere aber ergebe sich daraus die Pflicht, von einnahmemindernden Maßnahmen - wie hier der Senkung der Realsteuerhebesätze - grundsätzlich abzusehen. Diese Pflicht bestehe zwar nicht einschränkungslos, sondern sei auf das Zumutbare begrenzt. Der Spielraum sei jedoch umso enger, je größer oder andauernder das Haushaltsdefizit und je unabsehbarer sein Ende ist.
In dem vorliegenden Fall habe die Klägerin bei chronisch defizitärer Haushaltslage, ohne dass ein Ende absehbar wäre, die Realsteuerhebesätze von 391 v. H. des Steuermessbetrages der Grundsteuer B und 413 v. H. des Steuermessbetrages der Gewerbesteuer auf 350 v. H. der Grundsteuer B und 400 v. H. der Gewerbesteuer gesenkt. Die alten Hebesätze lagen 2005 unter dem Landesdurchschnitt und dem Regierungsbezirksdurchschnitt. Der Kreisdurchschnitt lag bei der Grundsteuer etwas niedriger (386 Grundsteuer B), bei der Gewerbesteuer lag er in gleicher Höhe bei 413. Demgegenüber will der aufgehobene Ratsbeschluss die Grundsteuer B mit 350 v. H. auf ein Niveau senken, das im Landesdurchschnitt zuletzt 1994 erreicht wurde, und die Gewerbesteuer mit 400 auf ein Niveau, das im Landesdurchschnitt zuletzt 1992 erreicht wurde. Der von der Klägerin beschlossene Hebesatz für die Grundsteuer B wäre 2005 im Kreis der niedrigste gewesen, der Hebesatz für die Gewerbesteuer wäre zusammen mit einer weiteren Kommune im Kreis der niedrigste gewesen. Angesichts dieser Verhältnisse widersprach nach Auffassung des OVG die beschlossene Senkung der Realsteuerhebesätze dem Gebot, den Haushausausgleich zum nächstmöglichen Zeitpunkt wiederherzustellen.
Auch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG, wonach den Gemeinden das Recht einzuräumen ist, die Hebesätze der Grund- und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen, sowie § 25 Abs. 1 GrStG und § 16 Abs. 1 GewStG, die in Umsetzung der genannten verfassungsrechtlichen Bestimmung das Hebesatzfestsetzungsrecht den Gemeinden zuweisen, stünden der angefochtenen Verfügung nicht entgegen. Hauptzweck und Kern des § 75 Abs. 3 GO NRW a. F. sind kommunalhaushaltsrechtlicher Natur. Die Vorschrift weise zwar auch Bezüge zum Realsteuerrecht insofern auf, als sie unter bestimmten Voraussetzungen ein Verbot der Senkung der Realsteuerhebesätze enthalte. Im Kern bleibe er aber haushaltsrechtlicher Natur, da er die Senkung der Hebesätze nur bei einer schweren Haushaltsnotlage verbiete.
Schließlich liege auch kein Verstoß gegen das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG vor. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht ist nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet. Unter Anlegung dieser Maßstäbe verletze es weder den Kernbereich der Finanzhoheit noch stelle es einen unverhältnismäßigen Eingriff in sie dar, wenn das kommunale Haushaltsrecht die Gemeinden auf das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts zum nächstmöglichen Zeitpunkt festlegt und eine mit diesem Ziel unvereinbare Senkung der Hebesätze verbietet.
Offenlegung der Gehälter von Sparkassenvorständen
Der 15. Zivilsenat des OLG Köln hat einer niederrheinischen Sparkasse durch einstweilige Verfügung untersagt, die Bezüge des Vorstandsvorsitzenden in der Jahresbilanz, dem Anhang oder dem Geschäftsbericht unter Namensnennung offen zu legen oder offen legen zu lassen. In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Senat erkennen lassen, dass er die entsprechende Gesetzesvorschrift des nordrhein-westfälischen Sparkassengesetzes, nach dem die Sparkassen erstmals in diesem Jahr zu einer entsprechenden Veröffentlichung verpflichtet sind, für verfassungswidrig hält. Das anderslautende Urteil des Landgerichts Köln vom 15.05.2009 wurde entsprechend abgeändert (nichtamtliche Leitsätze).
OLG Köln, Urteil vom 9. Juni 2009
- Az.: 15 U 79/09 -
Der Vorstandsvorsitzende einer niederrheinischen Sparkasse hatte seinem Arbeitgeber per einstweiliger Verfügung verbieten lassen wollen, die Höhe seiner Bezüge in der Jahresbilanz, im Geschäftsbericht oder an anderer Stelle individualisiert offen zu legen. Dies schreibt allerdings das Sparkassengesetz NRW in § 19 Abs. 5 erstmals seit diesem Jahr vor. Die Bilanzen der Sparkassen werden im Bundesanzeiger abgedruckt. Der Vorstandsvorsitzende hatte geltend gemacht, die Veröffentlichung sei rechtswidrig, weil hierdurch sein Persönlichkeitsrecht verletzt werde. Die Bevölkerung habe kein berechtigtes Interesse daran, die Höhe seiner Bezüge zu kennen. Die Vorschrift des Sparkassengesetzes NRW sei im Übrigen auch verfassungswidrig, weil der Landesgesetzgeber keine Gesetzgebungskompetenz gehabt habe. Die Sparkasse hatte sich darauf berufen, dass sie nach dem Gesetz zur Veröffentlichung verpflichtet sei. Die Rechtsnorm sei verfassungsgemäß; daher müsse der Vorstand den Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dulden.
Das OLG hat sich dem Standpunkt der Sparkasse nicht angeschlossen. Im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens, in dem es um vorläufigen Rechtsschutz geht, habe er die Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 5 SparkG NRW selbst zu prüfen und danach seine Entscheidung über das Unterlassungsbegehren auszurichten. Die Veröffentlichung der Bezüge greife in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Vorstandsvorsitzenden ein. Dieser Eingriff sei nicht durch das Sparkassengesetz gerechtfertigt, weil das Land Nordrhein-Westfalen keine Gesetzgebungskompetenz zum Erlass der Norm gehabt habe. Das Recht des Bank- und Börsenwesens gehört zur konkurrierenden Gesetzgebung im Sinne der Art. 72 und 74 des Grundgesetzes. Hier steht den Ländern die Befugnis zur Gesetzgebung nur so lange zu, soweit der Bund nicht von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht hat.
Nach Auffassung des Senats hat der Bund aber von seiner Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 74 Abs. 1, Nr. 11 des Grundgesetzes Gebrauch gemacht, indem er in § 285 Nr. 9 a des Handelsgesetzbuches Regelungen für die Veröffentlichung von Vorstandsbezügen getroffen hat, allerdings nur für börsennotierte Privatunternehmen. Danach habe das Land für öffentlich-rechtliche Sparkassen keine eigene Gesetzgebungsbefugnis mehr gehabt. Die Veröffentlichung von Vorstandsgehältern betreffe auch nicht nur das formelle Sparkassenrecht, d. h. die innere Verfassung und Organisation, die das Land noch selbst regeln dürfte, sondern hänge mit dem sog. materiellen Sparkassenrecht zusammen, für das nur der Bund gesetzgebungsbefugt sei. Die Veröffentlichung der Bezüge sei nämlich der wirtschaftlichen Betätigung der Sparkassen zuzuordnen. Die Transparenz der Vorstandsbezüge betreffe nicht nur die innere Struktur der Institute, sondern auch das Auftreten Dritten gegenüber und damit die Unternehmenspolitik. Gerade auch von den Anlegern werde der Frage, wie viel von seinem Geld in die Vergütung des Führungspersonals fließe, erhebliche Bedeutung beigemessen.
Ein weiteres Rechtsmittel gegen das Urteil, das im einstweiligen Verfügungsverfahren ergangen ist, ist nicht gegeben. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 19 Abs. 5 SparkG NRW wird aber erst im Hauptsacheverfahren oder nach dessen Abschluss verbindlich durch das Bundesverfassungsgericht geklärt werden können. Wenn das Zivilgericht im Hauptsacheverfahren gleichfalls von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift ausgeht, hat es das Verfahren gem. Art. 100 des Grundgesetzes auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.