Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft Oktober 2011
Gebührenbescheide durch GmbH als Geschäftsbesorger
Ein Wasser- und Abwasser-Zweckverband darf den Erlass von Gebührenbescheiden nicht durch vertragliche Vereinbarung auf eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung übertragen (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteile vom 23. August 2011
- Az.: 9 C 2.11, 3.11 und 4.11 -
Die Kläger wurden mit Bescheiden unter dem Briefkopf des beklagten Zweckverbands zur Zahlung von Wasser- und Abwassergebühren herangezogen. Der Zweckverband, der zu diesem Zeitpunkt über kein eigenes Personal verfügte, hatte die Berechnung der Wasser- und Abwassergebühren sowie die Erstellung und Versendung der Bescheide einer privaten GmbH im Wege eines Geschäftsbesorgungsvertrags übertragen. Das Verwaltungsgericht und das OVG haben diese Art der Aufgabenerledigung beanstandet und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Veranlagung zu Wasser- und Abwassergebühren einschließlich der Prüfung der Voraussetzungen der Gebührentatbestände falle nach dem Thüringer Landesrecht in die hoheitliche Entscheidungskompetenz des Zweckverbands.
Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidungen bestätigt. Die Annahme der Vorinstanzen, es lägen zwar formal Abgabenbescheide vor, diese seien jedoch rechtswidrig, weil sie inhaltlich nicht von dem zuständigen Hoheitsträger verantwortet seien, verstoße nicht gegen Bundesrecht. Sie lasse keine sachfremden Erwägungen erkennen und könne das Recht auf kommunale Selbstverwaltung schon deswegen nicht verletzen, weil der Zweckverband nicht der Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes unterfalle. Da die Länder die Möglichkeit hätten, durch Gesetz die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der Widerspruchsbehörde einzuschränken, sei es auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen die Widerspruchsbehörde nicht für ermächtigt gehalten hätten, anstelle des Zweckverbands erstmals eine inhaltliche Regelung zu treffen.
Widerruf einer UMTS-Mobilfunklizenz
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage eines Telekommunikationsunternehmens abgewiesen, mit der sich dieses gegen den Widerruf einer von ihm ersteigerten Mobilfunklizenz gewehrt und die Erstattung des Versteigerungserlöses verlangt hatte.
BVerwG, Urteil vom 17. August 2011
- Az.: 6 C 9.10 -
Die Klägerin nahm im Jahr 2000 an der Versteigerung von UMTS-Funkfrequenzen teil. Sie erhielt den Zuschlag für die Erteilung einer bundesweiten Mobilfunklizenz mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2020 und einer Ausstattung von zwei Frequenzblöcken zum Preis von ca. 8,4 Milliarden Euro. Gemäß der Lizenzurkunde war die Klägerin verpflichtet, einen Versorgungsgrad der Bevölkerung von mindestens 25 % bis zum 31. Dezember 2003 und von mindestens 50 % bis zum 31. Dezember 2005 herzustellen. In der Folgezeit stellte die Klägerin jedoch ihre Tätigkeit als Anbieter von Mobilfunkdienstleistungen ein. Nachdem der Messdienst der Beklagten im Jahr 2004 keine Sendeaktivitäten in dem der Klägerin zugeteilten Frequenzspektrum festgestellt hatte, widerrief die Bundesnetzagentur die Lizenzrechte der Klägerin und den ihr erteilten Frequenzzuteilungsbescheid.
Die Klägerin erhob gegen den Widerruf Klage und forderte von der beklagten Bundesrepublik die Rückzahlung des Zuschlagspreises. Die Klage blieb vor dem VG Köln und dem OVG erfolglos. Nach Ergehen des Berufungsurteils und umfangreichen Vorarbeiten der Bundesnetzagentur wurden im Frühjahr 2010 u.a. die der Klägerin seinerzeit zugeteilten Frequenzen erneut versteigert.
Das Bundesverwaltungsgericht wies jetzt die Revision der Klägerin zurück und bestätigte die Urteile der Vorinstanzen. Die Bundesnetzagentur war zum Widerruf der Lizenz und der Frequenzzuteilung berechtigt. Aufgrund der Nichterfüllung der der Klägerin auferlegten Versorgungspflicht bestand ein erhebliches öffentliches Interesse daran, das unbenutzte Frequenzspektrum zurückzuerlangen, um es dem Markt erneut zur Verfügung zu stellen.
Da das der Klägerin zugeteilte Frequenznutzungsrecht von vornherein mit der Einschränkung belastet war, dass die Klägerin von ihm nur nach Maßgabe der im Gemeinwohlinteresse auferlegten Versorgungspflicht Gebrauch machen durfte, berechtigte der Widerruf auch nicht zur Rückforderung des Zuschlagspreises. Denn durch den Preis wurde nicht die während der gesamten Nutzungsdauer konkret bestehende Nutzung, sondern die durch die Zuweisung eröffnete, d.h. bei ordnungsgemäßem Verhalten erzielbare Nutzungsmöglichkeit abgegolten. Mit dem Zweck der Frequenzversteigerung, den am besten geeigneten, effizientesten Nutzer zu ermitteln, wäre es nicht vereinbar, wenn der erfolgreiche Bieter durch eigenes pflichtwidriges Verhalten nachträglich die Rechtsgrundlage des Zuschlagspreises beseitigen könnte.
Solidaritätszuschlag nicht verfassungswidrig
Die Festsetzung des Solidaritätszuschlags zur Einkommen- und Körperschaftsteuer war jedenfalls bis zum Jahr 2007 verfassungsmäßig. Auch nach einer Laufzeit von bis dahin 13 Jahren dient er noch zur Deckung des besonderen Finanzbedarfs des Bundes aus den Kosten der Wiederherstellung der deutschen Einheit. Zu einem dauerhaften Instrument der Steuerumverteilung darf der Solidaritätszuschlag nicht werden (nichtamtliche Leitsätze).
BFH, Urteile vom 21. Juli 2011
- Az.: II R 50/09 und II R 52/10 -
In den beiden Streitfällen hatten eine Rechtsanwältin und eine GmbH gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2005 bzw. 2007 geklagt und geltend gemacht, der Solidaritätszuschlag sei von Anfang an verfassungswidrig gewesen, mindestens aber durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden. Der BFH folgte den Argumenten der Kläger nicht und berief sich dazu auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Im Wesentlichen begründete der BFH seine Entscheidungen bei der Verkündung der Urteile folgendermaßen:
Der Bund dürfe den Solidaritätszuschlag als sog. Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer erheben. Mit seiner Höhe (Aufkommen im Jahr 2007 ca. 12,3 Mrd. Euro) höhle er nicht das Bund und Ländern gemeinsam zustehende Aufkommen aus Einkommen- und Körperschaftsteuer aus, sondern stehe dazu in angemessenem Verhältnis. Der Solidaritätszuschlag habe nicht zeitlich begrenzt werden müssen. Es sei auch nicht erforderlich, dass die zu finanzierenden Aufgaben genau bezeichnet werden oder dass es zu einer konkreten Zweckbindung der Einnahmen komme.
Durch Zeitablauf sei das Solidaritätszuschlagsgesetz jedenfalls bis 2007 nicht verfassungswidrig geworden. Allerdings dürfe eine Ergänzungsabgabe nur zur Finanzierung eines aufgabenbezogenen Mehrbedarfs des Bundes erhoben werden. Sie könne aber erst dann verfassungswidrig werden, wenn der mit der Einführung verfolgte Zweck erreicht sei und die Abgabe nicht wegen eines anderen Zwecks fortgeführt werden solle, sondern zur Deckung einer dauerhaften Finanzierungslücke diene. An der Finanzierung der einigungsbedingten Lasten beteilige sich der Bund bis zum Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019 mit weiter sinkenden Beträgen. Von einer Deckung einer dauernden Finanzierungslücke sei bis zum Jahr 2007 deshalb nicht auszugehen.
Die im Verfahren II R 50/09 klagende Rechtsanwältin werde nicht dadurch gleichheitswidrig benachteiligt, dass der Solidaritätszuschlag bei Gewerbetreibenden nach der Einkommensteuer bemessen werde, die zuvor bereits um pauschal anzurechnende Gewerbesteuer gemindert sei.