Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft Oktober 2014
„Wetten aufs Wetter“ rechtlich kein Glücksspiel
Die von einem Möbel- und Einrichtungshaus geplante Werbeaktion „Sie bekommen den Kaufpreis zurück, wenn es am … regnet“, ist kein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2014
- Az.: 8 C 7.13 -
Bei der von der Klägerin beabsichtigten Aktion kann jeder Kunde, der innerhalb eines festgelegten Zeitraums in ihrem Unternehmen Waren für mindestens 100 Euro erwirbt, den Kaufpreis zurückerstattet erhalten, wenn an einem Stichtag zwischen 12.00 und 13.00 Uhr am Flughafen Stuttgart mindestens eine Niederschlagsmenge von 3 l/qm fällt. Um den Kaufpreis zurückzuerlangen, müssen sich die Kunden bei der Klägerin melden und ihre Einkäufe während des Aktionszeitraums nachweisen.
Das zuständige Regierungspräsidium hatte die Werbeaktion beanstandet, weil es sich bei dieser geplanten Werbeaktion um ein erlaubnispflichtiges Glücksspiel i. S. v. § 3 Abs. 1 GlüStV handele. Dies folge insbesondere daraus, dass der gezahlte Kaufpreis als „Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance“ anzusehen sei. Der geforderte Kaufpreis für die Waren sei zwingende Voraussetzung für den Erwerb der Gewinnchance des Kunden; er enthalte ein „verdecktes“ glücksspielrechtliches Entgelt, da er über dem objektiven Wert der Ware liege und der Kunde den Kauf im Hinblick auf die Gewinnchance tätige.
Mit ihrer dagegen gerichteten Klage hatte die Klägerin in beiden Vorinstanzen Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zurückgewiesen. Die Kunden entrichten ihr Entgelt nicht für den Erwerb einer Gewinnchance, sondern als Kaufpreis für die zu erwerbende Ware. Sie wollen ein Möbelstück oder einen anderen Kaufgegenstand zu einem marktgerechten Preis erwerben und haben die Möglichkeit, Preisvergleiche bei Konkurrenten anzustellen. Unabhängig von der Gewinnaktion können die Kunden ohne Verlustrisiko die gekaufte Ware behalten. Die Verkaufspreise werden während des Aktionszeitraums nicht erhöht, sodass von den Kunden auch kein „verdecktes“ Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance verlangt wird.
Hausverbot für Rathaus
Das von dem Dortmunder Oberbürgermeister gegen ein Mitglied der Partei „DIE RECHTE“ verhängte Hausverbot konnte nicht allein mit den Auseinandersetzungen vor dem Dortmunder Rathaus am Abend der Kommunalwahl begründet werden (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30. Juni 2014
- Az.: 15 L 890/14 -
Am Abend des 25. Mai 2014 kam es vor dem Dortmunder Rathaus zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Partei „DIE RECHTE“ und Besuchern der im Rathaus stattfindenden öffentlichen Wahlparty. Am 5. Juni 2014 sprach der Oberbürgermeister für Sitzungen des Rates und der Bezirksvertretungen Hausverbote gegen mutmaßlich an diesen Auseinandersetzungen Beteiligte, darunter auch der Antragsteller, aus.
In der Begründung des Beschlusses ließ die Kammer ausdrücklich offen, ob der Antragsteller an den tätlichen Auseinandersetzungen persönlich beteiligt war, sondern stellte unabhängig davon fest, dass die Voraussetzungen für ein solches Hausverbot nicht vorlägen. Ein Hausverbot für ein öffentliches Gebäude kann ausgesprochen werden, wenn sonst eine nicht hinzunehmende Störung des ordnungsgemäßen Betriebs der Verwaltungseinrichtung - hier der Sitzungen des Rates und der Bezirksvertretungen - zu befürchten wäre.
Nach Auffassung der Kammer kann aus den Ereignissen, die sich am Wahlabend vor dem Rathaus unter dem Eindruck der ersten Wahlergebnisse abspielten, nicht geschlossen werden, dass in künftigen Sitzungen des Rates oder der Bezirksvertretungen, in denen das Erscheinen von Mitgliedern der Partei „DIE RECHTE“ erwartet werde, erneut mit derartigen tätlichen Auseinandersetzungen gerechnet werden müsse. Die emotional besonders aufgeheizte Situation am Wahlabend lasse keine hinreichenden Schlüsse auf die Gefahr zukünftiger Auseinandersetzungen zu.
Bei künftigen Sitzungen könne etwaigen Störungen zudem bereits im Vorfeld begegnet werden, etwa durch Einlasskontrollen vor den Sitzungen, um die Mitnahme von Waffen oder gefährlichen Gegenständen zu unterbinden, die Vorgabe einer bestimmten Sitzordnung auch für Zuschauer oder durch den Einsatz eines Sicherheitsdienstes. Die Kammer wies für den Fall, dass es zukünftig doch zu Störungen etwa von Ratssitzungen kommen sollte, auf die dann bestehende Möglichkeit hin, Hausverbote gegen Störer auszusprechen.
Erwerbstätigkeit von Beamt/innen im Ruhestand
Beamte im Ruhestand dürfen eine Erwerbstätigkeit auch dann ausüben, wenn sie damit in Konkurrenz zu ihrem früheren Dienstherrn treten (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2014
- Az.: 2 C 23.13 -
Der Kläger war seit 1984 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit Professor für Medizin für das Fach Pathologie und Chefarzt an einem Universitätsklinikum. Nachdem er den Ruf einer anderen Universität erhalten hatte, wurde ihm 1991 in einer Bleibevereinbarung zugesagt, er dürfe pathologische Diagnostikleistungen (Untersuchung von Gewebeproben) für externe Auftraggeber mit Mitteln der Universität gegen Erstattung der Kosten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erbringen. In der Folgezeit scheiterten Versuche, die dem Kläger hierfür erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung zu widerrufen.
Nach Eintritt in den Ruhestand im Oktober 2010 führte der Kläger die bisherige Nebentätigkeit in einem eigenen Institut fort. Die Beklagte untersagte ihm dessen Betrieb mit sofortiger Wirkung im Hinblick darauf, dass sie selbst pathologische Diagnostikleistungen anbiete. Sie vertritt die Auffassung, die Tätigkeit des Klägers beeinträchtige dienstliche Interessen, weil ihr der Kläger Konkurrenz mache.
Das Verwaltungsgericht hat die Untersagungsverfügung aufgehoben und die Sprungrevision zugelassen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Revision unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung zurückgewiesen. Die Untersagung von Erwerbstätigkeiten von Ruhestandsbeamten sei nur zulässig, wenn eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu besorgen sei. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass Ruhestandsbeamte im Gegensatz zu aktiven Beamten kein Hauptamt mehr innehätten, auf dessen Erfordernisse sie noch Rücksicht nehmen müssten.
Daher könne eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nur angenommen werden, wenn die Erwerbstätigkeit des Ruhestandsbeamten nachteilige Rückschlüsse auf seine frühere Amtsführung nahe lege. Insbesondere dürften Ruhestandsbeamte nicht für Personen oder Unternehmen tätig werden, mit deren Angelegenheiten sie in den letzten (hier: fünf) Jahren ihres aktiven Dienstes maßgeblich befasst gewesen seien. Da die Erwerbstätigkeit auch von Ruhestandsbeamten Grundrechtsschutz genieße, könne deren Untersagung nicht durch das Interesse des Dienstherrn gerechtfertigt werden, vor der Konkurrenz durch Ruhestandsbeamte verschont zu bleiben.
Sondernutzungs-Erlaubnis für Partybikes
Für Fahrten mit so genannten Tandems mit bis zu 22 Sitzplätzen im Stadtgebiet Münster ist unter Umständen eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis erforderlich (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Münster, Urteil vom 30. Juni 2014 (nicht rechtskräftig)
- Az.: 8 K 1591/13 -
Geklagt hatte der Inhaber einer Firma, die die Tandems unter anderem in Münster an Touristen und Reisegruppen vermietet. Die Fahrzeuge sind zum Teil überdacht und bestehen aus einer Eisenkonstruktion mit einer Gepäckablagefläche und einer Halterung für eine Getränkeflasche an den Sitzen. Die Tandems werden von einer Person gesteuert, während die übrigen Benutzer auf den jeweiligen Tretplätzen für den Antrieb des Fahrzeugs sorgen. Am 15. September 2012 wurden zwei Fahrzeuge des Klägers in Münster von Mitarbeitern des Ordnungsamts angehalten und im Zusammenwirken mit der Polizei stillgelegt.
Die Tandems waren von einer Personengruppe im Rahmen einer Betriebsfeier angemietet worden. Auf der Gepäckablage befanden sich unter anderem Bierkisten. Daraufhin hatte die beklagte Stadt Münster den Kläger schriftlich darauf hingewiesen, dass für die Nutzung der Fahrzeuge im öffentlichen Verkehrsraum eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich sei, weil bei Fahrten mit diesen Fahrzeugen die Veranstaltung und nicht die Fortbewegung im Vordergrund stehe. Mit seiner Klage erstrebte der Kläger jedoch die gerichtliche Feststellung, dass die Benutzung der Tandems keiner straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis bedürfe.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Die vom Kläger begehrte pauschale Feststellung sei nicht möglich. Vielmehr hänge die Erforderlichkeit einer Sondernutzungserlaubnis von den Umständen des Einzelfalls ab, nämlich davon, ob die Fahrzeuge bei der Teilnahme am Verkehr nach ihrem Erscheinungsbild eine andere oder überwiegend andere Funktion als die eines Verkehrsmittels erfüllten. Dementsprechend habe die Nutzung der am 15. September 2012 angehaltenen Tandems den Tatbestand der Sondernutzung erfüllt.
Die Tandems seien nicht überwiegend zur Fortbewegung, sondern für die Durchführung einer Feier auf der Straße genutzt worden. Die Nutzer hätten Bier mitgeführt und auf dem Tandem getrunken. Der Zweck der Nutzung habe in erster Linie darin bestanden, in geselliger Runde auf der Straße eine Betriebsfeier durchzuführen. Die genutzten Fahrzeuge seien in besonderer Weise für die Durchführung einer geselligen Veranstaltung geeignet. Den Nutzern hätte die erforderliche Sondernutzungserlaubnis gefehlt, sodass die Stadt befugt gewesen sei, die Weiterfahrt zu untersagen um die straßenrechtswidrige Nutzung zu unterbinden.