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Hauptausschuss 2024
Heft Oktober 2018
Amtshaftung bei Brandbekämpfung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil den Haftungsmaßstab geklärt, der bei einem Feuerwehreinsatz bei der Brandbekämpfung gilt. (Orientierungssatz)
BGH, Urteil vom 14.06.2018
- Az.: III ZR 54/17 -
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich das Auslieferungslager und das Verwaltungsgebäude eines Handelsunternehmens befanden und auf dem in 2010 ein Feuer ausbrach, das auf das Lager- und das Verwaltungsgebäude übergriff. Die Einsatzkräfte stellten fest, dass der Brand der Lagerhalle nicht mehr zu löschen war. Sie bemühten sich stattdessen, das Ausbreiten des Feuers auf eine benachbarte Lagerhalle zu vermeiden. Zu diesem Zweck setzte die Feuerwehr zwischen der brennenden Halle der Klägerin und dem benachbarten Lagergebäude ein perfluoroctansulfathaltiges Schaummittel ein.
Die Schaumbestandteile gelangten in das Erdreich und das Grundwasser. Die beklagte Stadt gab der Klägerin auf der Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes sowie des Landes-Bodenschutz- und Altlastengesetzes umfangreiche Maßnahmen zur Sanierung ihres Grundstücks auf. Die Klägerin hat vorgetragen, der von der Feuerwehr der Beklagten verwendete Löschschaum habe unter Berücksichtigung des dadurch verursachten Schadens nicht eingesetzt werden dürfen. Ein Ausbreiten des Brandes habe auch ohne den Einsatz des Schaums verhindert werden können.
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der BGH schließlich hat die Revision der beklagten Stadt zurückgewiesen. Die Vorinstanz habe rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Entscheidung des Einsatzleiters der Feuerwehr, den perfluoroctansulfathaltigen Schaum zu verwenden, um einen Übergriff des Feuers auf die benachbarte Lagerhalle zu verhindern, ermessensfehlerhaft und damit amtspflichtwidrig war und der Einsatzleiter dabei auch (einfach) fahrlässig handelte. Der Beklagten komme nicht das Haftungsprivileg im Sinne von § 680 BGB zugute.
Im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 Abs. 1 BGB begründe grundsätzlich jeglicher Grad von Fahrlässigkeit die Haftung wegen einer Amtspflichtverletzung. Dies gelte auch für die im Rahmen eines Noteinsatzes erfolgende öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr. Einer Absenkung des Haftungsmaßstabes bedürfe es in solchen Fällen nicht. Amtsträger, zu deren Pflicht die „berufsmäßige“ Abwehr einer dringenden Gefahr gehört, seien typischerweise auf die hiermit verbundenen Noteinsätze vorbereitet, hierfür ausgebildet und könnten auf entsprechende Erfahrungen aus dem Berufsalltag zurückgreifen. Das Risiko eines Fehlverhaltens solcher professionellen Nothelfer sei deutlich geringer als bei zufällig hinzutretenden Personen.
Die für die Amtspflichtverletzungen ihrer Amtsträger gemäß Art. 34 S. 1 des Grundgesetzes haftenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften seien zudem gegen die mit Feuerwehreinsätzen verbundenen finanziellen Risiken und Kosten besser abgesichert als der private Nothelfer. Würde dagegen für die gesamte öffentlich-rechtliche Gefahrenabwehr, soweit sie Notsituationen betrifft, ein reduzierter Haftungsmaßstab gelten, wären bedeutende Bereiche staatlicher Tätigkeit von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit ausgenommen. Eine derartige Haftungsprivilegierung sei mit den Grundsätzen der Amtshaftung weder vereinbar noch erforderlich. Denn der besonderen Situation eines Noteinsatzes könne auch im Rahmen der Prüfung des Vorwurfs der einfachen Fahrlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden.
Kommunale Eigengesellschaften als Auftraggeber
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat sich in zwei Entscheidungen mit der Einstufung kommunaler Gesellschaften als öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 2 GWB beschäftigt. Sowohl für die Westfalenhallen Dortmund GmbH als auch für die Koelnmesse GmbH hat das OLG diese im Ergebnis bejaht.
OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 21.03.2018 und 18.04.2018
- Az.: VII-Verg 50/16 und VII-Verg 28/17 -
Bei kommunalen Eigengesellschaften kommt es für die Eigenschaft als öffentliche Auftraggeber im Sinne des EU-Vergaberechts (und damit für die Pflicht, das Oberschwellenvergaberecht einzuhalten) neben der finanziellen und organisatorischen Abhängigkeit von der Kommune maßgeblich darauf an, dass diese „im Allgemeininteresse liegende Aufgaben“ wahrnehmen, die „nichtgewerblicher Art“ sind. Im Allgemeininteresse liegende Aufgaben sind Tätigkeiten, die der Befriedigung kollektiver Bedürfnisse dienen. Zu berücksichtigten ist dabei aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) insbesondere, ob es sich um eine Aufgabe handelt, bei der die Gebietskörperschaft einen entscheidenden Einfluss behalten möchte.
Die Nichtgewerblichkeit nimmt der EuGH bereits dann an, wenn das Unternehmen von Marktmechanismen entkoppelt ist, also eine marktbezogene Sonderstellung hat, die den Wettbewerbsdruck reduziert und damit die Gefahr schafft, dass der Wettbewerb verfälscht wird. Diese Sonderstellung muss sich nicht aus Rechtsregeln ergeben. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf es des Vergaberechts bereits dann, wenn es politisch wahrscheinlich ist, dass die öffentliche Hand etwaige Verluste tragen wird (EuGH, Urteil v. 16.10.2003, Rs C-283/00 - SIEPSA; EuGH v. 10.04.2008, Rs C-393/06 - Aigner). Maßgeblich ist daher insbesondere, inwieweit eine kommunale Eigengesellschaft ihr wirtschaftliches Risiko (bzw. das der Insolvenz) alleine tragen muss.
Das OLG Düsseldorf stellt zunächst klar, dass die Veranstaltung von Messen, Ausstellungen und Unterhaltungsveranstaltungen eine Aufgabe von strukturpolitischer Bedeutung sei und damit im öffentlichen Interesse liege. Anschließend an die EuGH-Kriterien zur Nichtgewerblichkeit geht das OLG Düsseldorf in Bezug auf Koelnmesse GmbH davon aus, dass insbesondere wegen der in der Vergangenheit geleisteten und auch für die Zukunft zu erwartenden finanziellen Unterstützung durch die Stadt die Aufgabe als solche nichtgewerblicher Art zu qualifizieren sei.
Für die Risikotragung sei nicht entscheidend, ob ein Mechanismus zum Ausgleich etwaiger finanzieller Verluste ausdrücklich vorgesehen ist. Vielmehr genüge für die Annahme einer nichtgewerblichen Aufgabe, dass die Gebietskörperschaften, denen eine Gesellschaft gehört, deren Zahlungsunfähigkeit aller Voraussicht nach nicht in Kauf nehmen und, soweit erforderlich, eine Rekapitalisierung der Gesellschaft durchführen würden, damit diese ihre im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben wahrnehmen kann. Dies gelte insbesondere, wenn Hauptzweck der Tätigkeit der Gesellschaft nicht die Erzielung von Gewinnen ist, sondern die Förderung des Allgemeinwohls, und wenn die Gebietskörperschaften in der Vergangenheit bereits einmal öffentliche Mittel für die Verfolgung der Gesellschaftszwecke zur Verfügung gestellt haben.
Im Fall der Westfalenhallen Dortmund GmbH kam das OLG zwar zu dem Ergebnis, dass die Gesellschaft die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Risiken, insbesondere ihr Insolvenzrisiko, selbst trage. Allerdings werde diese Gesellschaft nicht zu normalen Marktbedingungen tätig, da sie die zu bewirtschaftenden Liegenschaften von der Stadt erhalte, ohne an diese im Ergebnis Pacht- oder Erbbauzinsen zahlen zu müssen. Dies stehe ersichtlich mit dem Umstand in engem Zusammenhang, dass die Stadt über ihre Gesellschafterstellung das Handeln der Gesellschaft allein steuere und damit ihre strukturpolitischen Ziele verfolge. Die günstigen Konditionen würde ein privater Konkurrent von der Stadt nicht bekommen. Auch hier lag somit eine nichtgewerbliche Tätigkeit vor und wurde die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber folglich bejaht.
Internet-Fotos auf Schulwebsite
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) betrifft die Auslegungsfrage, ob der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ die Einstellung einer Fotografie auf eine Website erfasst, wenn die Fotografie zuvor ohne eine Beschränkung, die ihr Herunterladen verhindert, und mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers auf einer anderen Website veröffentlicht worden ist.
EuGH, Urteil vom 07.08.2018
- Az.: C-161/17 -
Nachdem ein Fotograf den Betreibern eines Reisemagazin-Portals erlaubt hatte, auf ihrer Website eine seiner Fotografien zu veröffentlichen, lud eine Schülerin einer in Nordrhein- Westfalen gelegenen Sekundarschule (Gesamtschule Waltrop) die betreffende Fotografie von dieser Website (wo sie frei zugänglich war) herunter, um ein Schülerreferat zu illustrieren. Dieses Referat wurde anschließend auf der Website der Schule veröffentlicht.
Der Fotograf verklagte daraufhin das Land auf Schadenersatz sowie darauf, diesem die Vervielfältigung der Fotografie zu verbieten. Der BGH hat in der Folge den EuGH um Auslegung der Urheberrechtsrichtlinie (Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. 2001, L 167, S. 10) ersucht, der zufolge der Urheber eines Werkes grundsätzlich das ausschließliche Recht hat, die öffentliche Wiedergabe dieses Werks zu erlauben oder zu verbieten.
Die oben genannte Auslegungsfrage hat der EuGH bejaht. Eine Fotografie könne urheberrechtlich geschützt sein, sofern sie (was das nationale Gericht zu prüfen hat) die eigene geistige Schöpfung des Urhebers darstellt, in der dessen Persönlichkeit zum Ausdruck kommt und die sich in dessen bei ihrer Herstellung getroffenen freien kreativen Entscheidungen ausdrückt. Sodann stellt der Gerichtshof fest, dass vorbehaltlich der in der Richtlinie erschöpfend aufgeführten Ausnahmen und Beschränkungen jede Nutzung eines Werks durch einen Dritten ohne eine vorherige Zustimmung des Urhebers die Rechte des Urhebers dieses Werks verletzt. Denn die Richtlinie solle ein entsprechend hohes Schutzniveau für die Urheber gewährleisten, um diesen die Möglichkeit zu geben, für die Nutzung ihrer Werke u. a. bei einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten.
Im vorliegenden Fall sei es als „Zugänglichmachung“ und folglich als „Handlung der Wiedergabe“ einzustufen, wenn auf eine Website eine zuvor auf einer anderen Website veröffentlichte Fotografie eingestellt wird (vor diesem Einstellen war sie auf einen privaten Server kopiert worden). Denn durch ein solches Einstellen werde den Besuchern der Website, auf der die Einstellung erfolgt ist (vorliegend die Website der Schule), der Zugang zu der betreffenden Fotografie auf dieser Website ermöglicht. Außerdem sei die Einstellung eines urheberrechtlich geschützten Werks auf eine andere Website als die, auf der die ursprüngliche Wiedergabe mit der Zustimmung des Urheberrechtsinhabers erfolgt ist, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens als Zugänglichmachung für ein neues Publikum einzustufen. Denn unter solchen Umständen bestehe das Publikum, an das der Urheberrechtsinhaber bei seiner Zustimmung gedacht hatte, nur aus den Nutzern dieser neuen Website oder sonstigen Internetnutzern.
Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass ein solches Einstellen von der Zugänglichmachung eines geschützten Werks über einen anklickbaren Link, der auf eine andere Website verweist, auf der das Werk ursprünglich wiedergegeben worden ist, zu unterscheiden ist. Denn im Gegensatz zu Hyperlinks, die zum Funktionieren des Internets beitragen, trage die Einstellung eines Werks auf eine Website ohne die Zustimmung des Urheberrechtsinhabers, nachdem es zuvor auf einer anderen Website mit dessen Zustimmung wiedergegeben worden war, nicht im gleichen Maße zu diesem Ziel bei. Schließlich betont der Gerichtshof, dass es keine Rolle spiele, dass der Urheberrechtsinhaber - wie im vorliegenden Fall - die Möglichkeiten der Internetnutzer zur Nutzung der Fotografie nicht eingeschränkt hat.