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Hauptausschuss 2024
Heft September 2006
Aus für private Sportwetten in NRW
Die Vermittlung von Sportwetten an private Wettveranstalter darf mit sofortiger Wirkung untersagt werden (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2006
- Az.: 4 B 961/06
Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat in einem von etwa 200 Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass die Vermittlung von Sportwetten an private Wettveranstalter mit sofortiger Wirkung untersagt werden darf.
Das staatliche Monopol für Sportwetten in Nordrhein-Westfalen entspreche derzeit zwar nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sich aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit ergäben. Das habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 - hinsichtlich der Rechtslage in Bayern festgestellt. Dies gelte für die Gesetzeslage in NRW entsprechend. Das Bundesverfassungsgericht habe es in seinem Urteil aber zugelassen, dass bei Beachtung bestimmter Maßgaben durch die staatlichen Wettveranstalter die private Veranstaltung von Sportwetten und die Vermittlung solcher Wetten weiterhin ordnungsbehördlich unterbunden werden. Diese Möglichkeit besteht nach Ansicht des OVG auch in NRW, nachdem das Innenministerium NRW der Firma Westlotto in Münster als staatlicher Veranstalterin von Sportwetten eine Vielzahl von Maßnahmen aufgegeben hat, die eine Beschränkung des Wettangebots, der Werbung für Sportwetten sowie der Vertriebswege und Maßnahmen der Spielsuchtprävention zum Gegenstand haben. Die Firma Westlotto habe mit der Umsetzung der Maßnahmen bereits begonnen.
Der Untersagung der Vermittlung von Sportwetten an private Wettveranstalter im europäischen Ausland stehe derzeit auch nicht die im EG-Vertrag gewährleistete Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit entgegen. Die gegenwärtige Rechtslage in NRW widerspreche diesen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zwar in der gleichen Weise wie dem Grundrecht der Berufsfreiheit. Gleichwohl seien die Vorschriften, die das staatliche Sportwettenmonopol in NRW begründeten, vorübergehend weiter anwendbar, bis der Gesetzgeber eine europarechtskonforme Regelung für den Sportwettensektor erlassen habe. Ein freier Zugang zu diesem Markt für private Sportwettenveranstalter berge unter den Gesichtspunkten der Spielsucht, des Verbraucherschutzes sowie der typischen Begleit- und Folgekriminalität von Glücksspielen erhebliche Gefahren für wichtige Allgemeininteressen. Zur Abwehr dieser Gefahren sei es nötig, die bestehenden Rechtsvorschriften vorübergehend weiter anzuwenden.
Nachdem das OVG mit diesem Beschluss eine vorläufige Klärung der Rechtslage in NRW herbeigeführt hat, geht es in den weiteren bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahren der Sportwettenvermittler, deren Rechtsschutzanträge durch die Verwaltungsgerichte abgelehnt worden sind, nicht mehr davon aus, dass die Behörden vor einer Vollziehung der Untersagungsverfügungen eine Entscheidung über die jeweilige Beschwerde abwarten. Mit dem Beschluss sind die Voraussetzungen dafür entfallen, die aufschiebende Wirkung der von den Sportwettenvermittlern eingelegten Rechtsbehelfe bis zu einer Entscheidung in dem jeweiligen Beschwerdeverfahren vorübergehend anzuordnen bzw. wiederherzustellen, wie dies bisher in Einzelfällen geschehen ist.
Abfallentsorgung im Wald
Waldeigentümer und Waldbesitzer sind für die Entsorgung von Abfall, den andere im Wald ablegen, nicht verantwortlich (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Urteil vom 13. Juni 2006
- Az.: 13 A 632/04
Im März 2002 wurden in einem Wald im Märkischen Kreis Schlachtabfälle und 35 Körperviertel von Hühnern gefunden. Unbekannte hatten diese Tierabfälle in einem Plastiksack verpackt dort abgelegt. Der Landrat des Märkischen Kreises (Beklagter) forderte den Eigentümer des Waldes (Kläger) auf, eine Entsorgungsfirma mit der Beseitigung der Tierkörperteile zu beauftragen und die Tierkörperteile bis zur Abholung durch die Entsorgungsfirma sachgerecht zu verwahren. Weil der Kläger dieser Ordnungsverfügung nicht nachkam, ließ der Beklagte die Tierabfälle im Wege der Ersatzvornahme zunächst durch die Stadt Lüdenscheid verwahren und sodann von einer Beseitigungsfirma beseitigen. Dafür forderte er später vom Kläger Ersatz der entstandenen Kosten von 200,24 EUR. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Arnsberg, das seiner Klage im Wesentlichen stattgab. Dagegen legte der Beklagte Berufung ein, die das OVG nunmehr zurückgewiesen hat.
Nach dem Tierkörperbeseitigungsrecht habe der Besitzer eines Grundstücks, auf dem fremde oder herrenlose Tierkörper anfallen, lediglich die Pflicht, dies der zuständigen Tierkörperbeseitigungsanstalt oder dem Beseitigungspflichtigen zu melden. Darüber hinaus sei jedenfalls der Waldeigentümer und Waldbesitzer nicht verpflichtet, die Tierkörper zu verwahren und für ihre Beseitigung zu sorgen. Er habe nämlich nicht die erforderliche tatsächliche Gewalt über die im Wald lagernden Abfälle. Denn er könne mit Rücksicht auf das Waldbetretungsrecht der Allgemeinheit sein Grundstück weder rechtlich noch tatsächlich dem Zutritt der Allgemeinheit entziehen. Wenn die Rechtsordnung einem Grundstückseigentümer/Grundstücksbesitzer im Allgemeininteresse die Last der freien Zugänglichkeit seines Grundstücks auferlege, müsse die Allgemeinheit auch für die Beseitigung des Abfalls sorgen, der infolge des Waldbetretungsrechts im Wald anfalle. Dementsprechend sehe das Landesforstgesetz vor, dass Abfälle im Wald auf Kosten des Landes durch die Forstbehörde oder auf deren Veranlassung eingesammelt und den einsammlungspflichtigen Entsorgungsträgern übergeben werden.
Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen ist die Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht möglich.
Beseitigung von Kriegsmunition
Der Bund muss den Ländern die erforderlichen Kosten für die Beseitigung von ehemals reichseigenen Kampfmitteln auch auf Grundstücken, die nicht dem Bund gehören, in voller Höhe erstatten (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteil vom 14. Juni 2006
- Az.: 3 A 6.05
Das Land Sachsen-Anhalt und der Bund stritten darüber, in welchem Umfang der Bund zur Übernahme von Kosten für die Beseitigung von ehemals reichseigenen Kampfmitteln verpflichtet ist.
Im Jahre 2000 kam es in einem nicht bundeseigenen Waldgebiet zu großflächigen Waldbränden, bei denen zahlreiche Kampfmittel detonierten, die Soldaten der Wehrmacht auf ihrem Rückzug gegen Ende des Zweiten Weltkrieges dort zurückgelassen hatten. Im Zuge der daraufhin auf einer Fläche von etwa 460.000 m² durchgeführten Beräumung wurden etwa 7,3 Tonnen Munition geborgen. Hierfür musste das klagende Land einen Betrag von ca. 370.000 DM aufwenden. Die Beklagte erstattete diesen Betrag mit Ausnahme der noch streitigen Summe von 3.326,38 €. Diese betrifft Kosten für Vor- und Nebenarbeiten im Zusammenhang mit der Beräumung wie die Beseitigung von Bewuchs und Totholz in Trichter- und Grabenbereichen sowie das Einebnen von Grabungsstellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat jetzt klargestellt, dass die Verpflichtung des Bundes, die Kosten der Kampfmittelbeseitigung zu tragen, sich unmittelbar aus dem Grundgesetz ergibt; es handelt sich nicht um eine freiwillige Leistung ohne Rechtspflicht. Diese Pflicht umfasst die vollen Kosten der Beseitigung einschließlich der hier streitigen Arbeiten.
Klagebefugnis gegen Zulassung eines Braunkohlentagebaus
Eigentümer von Grundstücken, die für einen Braunkohlentagebau in Anspruch genommen werden sollen, können schon gegen die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans, der diesen Tagebau zum Gegenstand hat, klagen (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2006
- Az.: 7 C 11.05
Der Kläger wandte sich gegen einen Bescheid, durch den das beklagte Bergamt einen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan des beigeladenen Bergbauunternehmens zugelassen hat. Der Rahmenbetriebsplan hat den Braunkohlentagebau Garzweiler im Zeitraum von 2001 bis 2045 zum Gegenstand. Er sieht unter anderem vor, dass der gesamte Heimatort des Klägers und damit auch dessen Hausgrundstück für den Tagebau in Anspruch genommen werden. Das Grundstück des Klägers soll voraussichtlich im Jahre 2017 abgebaggert werden. Seine Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, er werde durch den Rahmenbetriebsplan noch nicht in eigenen Rechten verletzt. Dass sein Heimatort und damit auch sein Grundstück für den Tagebau nicht in Anspruch genommen werden dürften, könne er erst gegenüber seiner späteren bergrechtlichen Enteignung geltend machen. Mit seiner Revision machte der Kläger geltend, zum Zeitpunkt der Enteignung seien durch den herangerückten Tagebau und die bereits weitgehend abgeschlossene (freiwillige) Umsiedlung des Ortes vollendete Tatsachen geschaffen und ein effektiver Rechtsschutz nicht mehr möglich.
Das Bundesverwaltungsgericht gab der Revision statt: Das Bergamt habe schon bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplans zu prüfen, ob öffentliche Interessen einer Inanspruchnahme von Grundstücken für den Tagebau entgegenstehen. Die großflächige Inanspruchnahme von Grundstücken mit der Umsiedlung zahlreicher Menschen unter vollständiger Umgestaltung der Landschaft könne öffentlichen Interessen widersprechen, wenn das Abbauvorhaben nicht durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, den dort anstehenden Bodenschatz zur Sicherung der Rohstoffversorgung abzubauen. Diese Prüfung diene gleichzeitig auch den Interessen des einzelnen Grundstückseigentümers, auf dessen Eigentum sonst zugegriffen werden müsste. Weil das OVG von seinem abweichenden Standpunkt aus die Zulassung des Rahmenbetriebsplans nicht in der Sache auf Rechtsfehler nachgeprüft hat, verwies das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das OVG zurück.
© StGB NRW 2006