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Hauptausschuss 2024
Heft September 2008
Auf- oder Abrundung der Gebührensätze
Auf- bzw. Abrundungen der rechnerisch ermittelten Gebührensätze über mathematische Rundungen hinaus führen wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz zur Nichtigkeit der Gebührensätze, wenn sie die einzelnen Gebührenschuldner unterschiedlich treffen. Eine Teilbarkeit der Gebührensätze durch 12 zur Erreichung gleicher Monatsbeträge rechtfertigt bei einer Jahresgebühr nicht die unterschiedliche Handhabung.
OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2008
- Az.: 9 A 208/05 -
Die Kläger wurden vom Beklagten zu Straßenreinigungsgebühren herangezogen. Die maßgebliche Gebührensatzung sieht für unterschiedliche Reinigungsleistungen unterschiedliche Gebührensätze vor, die so gerundet sind, dass die jeweilige Jahresgebühr durch 12 dividiert werden kann. Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage der Kläger gab das VG statt. Den Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG ab. Zur Begründung führt das OVG Folgendes aus:
Entscheidet sich der Satzungsgeber - wie hier - für eine Differenzierung der Straßenreinigungsgebührensätze nach unterschiedlichen Reinigungsleistungen, so dürfen grundsätzlich den durch die einzelnen Straßenreinigungsleistungen gebildeten Teilleistungsbereichen jeweils nur diejenigen Kosten zugeordnet werden, die mit der Erbringung der betreffenden gebührenpflichtigen Leistung verbunden sind.
Bei der Differenzierung hat der Satzungsgeber das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten, welches auch das Verhältnis der Gebührenschuldner untereinander betrifft. Das Gebot der Gleichbehandlung ist verletzt, wenn der Satzungsgeber wesentlich Gleiches willkürlich ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandelt. Im Rahmen des dem Satzungsgeber eingeräumten weiten Ermessens bei der Ausgestaltung der Benutzungsgebühren ist insoweit nur zu fragen, ob für die Regelung sachlich einleuchtende Gründe bestehen.
In Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die vom Beklagten vorgenommenen Rundungen der jeweiligen Gebührensätze für die unterschiedlichen Reinigungsleistungen als rechtsfehlerhaft. Die Rundungen der Gebührensätze abweichend von einer mathematischen Rundung führen zu erheblichen, nicht gerechtfertigten Unterschieden zwischen den Reinigungsklassen. So ist der Gebührensatz je Meter zu veranlagende Grundstücksseite bei einigen Reinigungsklassen nach oben gerundet worden, d. h. die Gebührenschuldner haben mehr als mathematisch ermittelt zu zahlen. Demgegenüber ist der Gebührensatz einer anderen Reinigungsklasse nach unten gerundet worden, deren Gebührenschuldner brauchen also weniger als mathematisch ermittelt zu zahlen.
Sachliche Gründe, die diese Handhabung abweichend von einer mathematischen Rundung der Gebührensätze hätten rechtfertigen können, sind nicht erkennbar. Zunächst kann der Beklagte nicht mit seinem Vorbringen durchdringen, die Aufrundungen seien jedenfalls durch den über die gesetzliche Mindestverpflichtung gewährten Eigenanteil der Stadt ausgeglichen worden. Denn der Verweis auf einen allen zugute kommenden „erhöhten“ Eigenanteil der Stadt vermag die Ungleichbehandlung der Gebührenzahler untereinander bezogen auf die unterschiedlichen Reinigungsklassen nicht zu beseitigen.
Auch setzt sich der Beklagte nicht mit dem weiteren Argument des VG auseinander, es handle sich bei der vorliegenden Straßenreinigungsgebühr um eine Jahresgebühr, die üblicherweise nicht monatlich abgerechnet werde. Der Beklagte verhält sich auch nicht zu dem Argument, die Quartalsweise erfolgten Abschlagszahlungen könnten nicht die vom Beklagten vorgenommenen Rundungen rechtfertigen, weil die bei einer Cent-genauen Abrechnung ggf. erforderlichen Rundungen keine besonderen mathematischen Kenntnisse erforderten und ohne Schwierigkeiten jederzeit durchgeführt werden könnten.
Die in der Satzung unterschiedlich vorgenommenen Rundungen der einzelnen Gebührensätze lassen sich auch nicht mit einer angeblichen Vereinfachung der Abrechnung rechtfertigen. Worin eine solche liegen soll, ist nicht ersichtlich. Ob durch die Rundungen die Gebührenzahler nicht übermäßig belastet worden sind, wie der Beklagte darlegt, ist unter diesen Umständen unerheblich.
Informationsblatt zu einem Bürgerentscheid
Eine Gemeinde ist unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht verpflichtet, in einem gemeindlichen Informationsblatt zu einem Bürgerentscheid die Stellungnahme eines einzelnen Ratsmitglieds abzudrucken, auch wenn sie dies den im Rat vertretenen Fraktionen und Gruppen einräumt.
OVG NRW, Beschluss vom 2. April 2008
- Az.: 15 B 499/08 -
Der Antragsteller, Mitglied des Rates der antragsgegnerischen Stadt, begehrte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, dass in einem städtischen Informationsblatt zu einem bevorstehenden Bürgerentscheid nicht nur, wie geschehen, die Stellungnahmen der Fraktionen und Gruppen im Rat, sondern auch seine Stellungnahme abgedruckt werde. Der Antrag blieb in beiden Instanzen erfolglos. Zur Begründung führt das OVG Folgendes aus:
Der Antragsteller hat jedenfalls keinen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht. Er hat den in der Hauptsache zu verfolgenden Anspruch auf Aufnahme seiner Stellungsnahme in das für die Abstimmungsberechtigten bestimmte Informationsblatt nicht.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 18 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Danach werden die Abstimmungsberechtigten mittels eines Informationsblattes u. a. über die innerhalb der Gemeindeorgane vertretenen Auffassungen informiert; es enthält nach dieser Vorschrift u. a. die Begründungen der Fraktionen, die das Bürgerbegehren abgelehnt bzw. ihm zugestimmt haben. Der Antragsteller ist keine Fraktion, so dass seine Stellungnahme nicht zum zwingenden Inhalt des Informationsblattes gehört.
Auch aus dem dem allgemeinen Gleichheitssatz immanenten Willkürverbot, das als Element des objektiven Gerechtigkeitsprinzips der Rechtsstaatlichkeit inne wohnt und auch für Gemeinderatsmitglieder Geltung beansprucht, ergibt sich der Anspruch für den Antragsteller nicht: Die Antragsgegnerin hat über die Verpflichtung der genannten Satzungsbestimmung hinaus auch im Rat vertretenen Gruppen (§ 56 Abs. 1 Satz 3 und 4 GO NRW) die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme im Informationsblatt zu platzieren.
Der Antragsteller ist aber auch keine Gruppe. Unter Willkürgesichtspunkten ist es ein sachliches Unterscheidungsmerkmal und damit unbedenklich, dass die Antragsgegnerin nur denjenigen Auffassungen Raum im Informationsblatt einräumt, die ein Mindestmaß an Rückhalt im Rat haben, nämlich hier solchen, die zumindest von einer Gruppe und damit mindestens von zwei Ratsmitgliedern unterstützt werden. Das trifft für den Antragsteller als einzelnes Ratsmitglied nicht zu. Ob hinter dem Antragsteller eine politische Gruppierung steht, wie in der Beschwerde geltend gemacht wird, ist für den Anordnungsanspruch unerheblich. Mit dem Informationsblatt wird gemäß der genannten Satzungsvorschrift nicht über Auffassungen politischer Gruppierungen, sondern über im Rat vertretene, dort über ein Mindestmaß an Rückhalt verfügende Auffassungen informiert.
Zweitwohnungssteuer für Studenten
Ein Student, der im Haushalt seiner Eltern mit Hauptwohnsitz gemeldet ist, kann für seinen Nebenwohnsitz am Studienort nicht zur Zweitwohnungssteuer herangezogen werden (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG Koblenz, Urteil vom 22. April 2008
- Az.: 6 A 11354/07.OVG -
Der Kläger ist mit Hauptwohnsitz in der elterlichen Wohnung in Landau und mit Nebenwohnsitz in seinem Studienort Mainz gemeldet. Die Stadt forderte von ihm für die Nebenwohnung Zweitwohnungssteuer in Höhe von 340 Euro jährlich. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt. Das Oberverwaltungsgericht wies die von der Stadt Mainz eingelegte Berufung zurück und bestätigte damit seinen Eilbeschluss vom 29. Januar 2007.
Zur Begründung wird ausgeführt: Eine Zweitwohnungssteuer kann nur erhoben werden, wenn für eine weitere Wohnung ein besonderer Aufwand betrieben wird, der über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht und deshalb eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen vermuten lässt. An dem danach für die Steuererhebung erforderlichen Wohnen in zwei Wohnungen fehlt es im Allgemeinen bei Studenten, die in der elterlichen Wohnung melderechtlich ihre Hauptwohnung beibehalten. Denn über die ihnen von den Eltern überlassenen Räumlichkeiten steht Studenten in der Regel keine tatsächliche und rechtliche Verfügungsmacht zu, so dass sie dort nicht Inhaber einer Erstwohnung im steuerrechtlichen Sinne sind. Deshalb können sie am Studienort auch keine zweite Wohnung innehaben. Das Oberverwaltungsgericht hat gegen sein Urteil die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
© StGB NRW 2008