Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft September 2010
Korrektur einer Vergnügungssteuersatzung
Die Heilung unwirksamer kommunaler Abgabensatzungen mit Wirkung für vergangene Zeiträume ist verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der mit Rückwirkung versehenen Neuregelung in der Vergangenheit gleichartige Regelungsversuche vorausgegangen sind (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerfG, Beschluss vom 3. September 2009
- Az.: 1 BvR 2384/08 -
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte damit die entsprechende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. Darüber hinaus nahm das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Zulässigkeit von Mindest- und Höchststeuerbeträgen in einer Vergnügungssteuersatzung Stellung.
Der Beschwerdeführer wurde zur Zahlung von Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte auf Grundlage einer mit Rückwirkung versehenen kommunalen Satzung herangezogen. Der Erlass der rückwirkenden Satzung war nötig geworden, da die vorhergehende Satzung einen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich unzulässigen Stückzahlmaßstab als Bemessungsgrundlage für die Vergnügungssteuer auf den Einsatz von Geldspielgeräten vorsah.
Die Änderungssatzung sah neben der Änderung der Bemessungsgrundlage einen Steuerhöchst- und Mindestbetrag vor, welcher für in Spielhallen aufgestellte Geräte jeweils höher ausfiel. Die Satzung war ausschließlich als Übergangslösung für den vergangenen Bemessungszeitraum gedacht. Für die Zukunft erließ die Stadt zeitgleich eine weitere Satzung mit grundsätzlich gleichem Inhalt, welche aber keinen Steuerhöchstbetrag mehr vorsah.
Nach Ansicht des BVerfG kann sich in einem solchen Fall kein dahingehendes schutzwürdiges Vertrauen des von der Abgabe Betroffenen entwickeln, dass er für den betroffenen Zeitraum nicht mit einer Vergnügungssteuer belastet werde. Durch die erste, wenn auch rechtswidrige, Satzung habe die Stadt gezeigt, dass sie eine entsprechende Steuer erheben wolle. Mit der Änderungssatzung habe sie dann lediglich die unzulässige Bemessungsgrundlage durch eine zulässige ersetzt. Dem Vertrauen in den Bestand der Bemessungsgrundlage werde durch den Steuerhöchstbetrag angemessen Rechnung getragen, da hierdurch eine höhere als die ohnehin zu erwartende Belastung verhindert werde.
Das Gericht hielt die Satzung auch im Übrigen für verfassungsgemäß. So werde der Gleichheitssatz durch die Einführung eines Mindeststeuerbetrages nicht verletzt. Die dadurch verursachte Ungleichbehandlung sei gerechtfertigt, so lange sich der Mindeststeuerbetrag in einem angemessenen Rahmen bewege. Die Stadt habe durch den Mindeststeuerbetrag versucht, die Zahl der aufgestellten Geräte zu begrenzen und damit ein zulässiges Lenkungsziel verfolgt.
Auch die Festsetzung eines Steuerhöchstbetrags für den Zeitraum der angeordneten Rückwirkung sei hier unbedenklich. Zwar komme ein solcher Höchstbetrag dem grundsätzlich unzulässigen Stückzahlmaßstab sehr nahe und sei daher regelmäßig unzulässig. Hier habe die Stadt mit Festlegung des Höchstbetrags lediglich unbillige Härten bei Umstellung des Bemessungsgrundsatzes verhindern wollen.
Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofs beim Konjunkturpaket II
Das Bundesverwaltungsgericht hat im vorläufigen Rechtsschutz durch Beschluss entschieden, dass der Bundesrechnungshof trotz eines anhängigen Klageverfahrens der Freien und Hansestadt Hamburg auf der Grundlage eines für sofort vollziehbar erklärten Bescheids die zweckentsprechende Verwendung der Finanzhilfen des Konjunkturpakets II bei Behörden Hamburgs kontrollieren darf (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2010
- Az.: 7 VR 5.10 -
Im Rahmen des so genannten Konjunkturpakets II war auch das Gesetz zur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunen und Länder (ZuInvG) in Kraft getreten. Es sieht Finanzhilfen des Bundes für Investitionen der Länder und Kommunen in Höhe von insgesamt 10 Mrd. Euro vor; davon entfallen 2,296 % auf Hamburg. Um die zweckentsprechende Verwendung dieser Mittel zu kontrollieren, regelt § 6a ZuInvG u.a. ein Prüfungs- und Erhebungsrecht des Bundesrechnungshofs (BRH). Zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift ist derzeit ein - u.a. von Hamburg betriebenes - Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig (BVerfG 2 BvL 1/09).
Da sich Hamburg unter Hinweis auf die streitige Vereinbarkeit des § 6a ZuInvG mit dem Grundgesetz weigerte, dem BRH Zugang zu Hamburger Behörden zu gestatten, erließ dieser einen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid, mit dem Hamburg verpflichtet wurde, u.a. Erhebungen durch den BRH zur Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung der Mittel nach dem Zukunftsinvestitionsgesetz zu dulden. Hiergegen hat die Freie und Hansestadt Hamburg bei dem erst- und letztinstanzlich zuständigen BVerwG Klage erhoben und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt.
Das BVerwG hat den vorläufigen Rechtsschutzantrag abgelehnt: Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids sei insbesondere mit Blick auf die anhängige verfassungsrechtliche Normenkontrollklage offen. Das Interesse des Bundes an der zeitnahen und effektiven Kontrolle der Mittelverwendung überwiege aber das Interesse Hamburgs, hiervon bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorerst verschont zu bleiben. Denn gravierende Nachteile seien für Hamburg damit nicht verbunden.
Rückzahlung von Fördermitteln an Unternehmen
Die Nokia GmbH muss nach der Schließung des Standorts Bochum im Sommer 2008 keine Fördermittel an den Bund zurückzahlen (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Köln, Urteil vom 10. Juni 2010
- Az.: 16 K 5313/08 -
Das VG Köln gab einer Klage der Nokia GmbH gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung in Bonn, statt. Den angefochtenen Rückforderungsbescheid des Ministeriums über einen Betrag von ca. 1.3 Mio. Euro hob das Gericht auf.
Die Fördermittel hatte der Bund 2004 für ein Forschungsvorhaben des Nokia Research Center in Bochum bewilligt. Ziel des Vorhabens war die Weiterentwicklung der Mobiltelefone zu mobilen Multi-Media-Anwendungen. Die Rückforderung begründete das Ministerium damit, dass Teil des geförderten Vorhabens nach Abschluss der Projektphase auch eine mehrjährige Verwertungsphase in Bochum sei. Nach der Schließung des Standorts werde der Förderungszweck verfehlt. Dieser Argumentation folgte das Gericht jedoch nicht: Die Nokia GmbH habe die erhaltenen Fördergelder nicht zweckwidrig verwendet, urteilten die Richter. Denn dem Förderbescheid aus dem Jahr 2004 sei weder ausdrücklich noch durch Auslegung eine Verpflichtung der Nokia GmbH zu entnehmen, ihr Forschungszentrum am Standort Bochum über den Sommer 2008 hinaus zu erhalten.
Anlegen der Dienstuniform gehört zur Dienstzeit
Ein Polizist erbringt durch das Aufrüsten vor Schichtbeginn, das heißt unter anderem durch das Anlegen der Uniform, und das entsprechende Abrüsten nach Schichtende Arbeitszeit (nichtamtlicher Leitsatz).
VG Münster, Urteil vom 1. Juli 2010
- Az.: 4 K 1753/08 - nicht rechtskräftig -
Der Kläger ist als Polizeibeamter im Wach- und Wechseldienst bei einer Polizeiwache in Münster tätig. Anfang 2008 beantragte er, die so genannten Rüst- beziehungsweise Abrüstzeiten vor Schichtbeginn und nach Schichtende (unter anderem für das An- und Ablegen der Dienstuniform) als Dienstzeit anzuerkennen. Dies lehnte der Polizeipräsident Münster im Wesentlichen mit der Begründung ab: Als Dienstzeit könnten nur die Vorbereitungen zur Herstellung der Einsatzbereitschaft wie etwa das Anlegen von Dienstwaffen und sonstiger Ausrüstung angesehen werden. Dagegen gehörten Vorbereitungen zur Herstellung der Dienstbereitschaft nicht zur Dienstzeit.
Dieser Argumentation folgte das Verwaltungsgericht jedoch nicht. In den Entscheidungsgründen heißt es unter anderem: Nach Maßgabe der vom Dienstherrn konkretisierten Pflicht, den Dienst „aufgerüstet“ zum Schichtbeginn anzutreten, beginne die Arbeitszeit des Klägers nicht erst mit dem Antritt zur Schicht, sondern bereits mit dem Beginn der notwendigen Aufrüsttätigkeit unmittelbar vor Schichtbeginn. Die Uniform stelle für den Polizeivollzugsbeamten keinesfalls eine dem reinen Privatbereich zuzuordnende Kleidung dar, sondern eine allein auf Gewährleistung von Schutz und Sicherheit ausgerichtete Ausrüstung.
Dass es den Beamten gestattet sei, die Dienstkleidung mit den zugehörigen Ausrüstungsgegenständen mit nach Hause zu nehmen und den Weg von und zur Dienststelle aufgerüstet zurückzulegen, rechtfertige ebenso wenig eine andere Wertung wie die vom Innenministerium getroffene Anordnung, die für das Umkleiden notwendige Zeit als Zeit der „Vorbereitung“ auf den Dienst nicht als Dienstzeit zu werten. Dass der Kläger nicht verpflichtet sei, die Uniform erst in den Diensträumen anzulegen, bedeute nicht, dass er hierzu nicht berechtigt wäre.