Heft September 2012

Übernachtungssteuer teilweise verfassungswidrig 

Gemeinden dürfen örtliche Aufwandsteuern nur auf privat veranlasste entgeltliche Übernachtungen erheben, nicht aber auf solche, die beruflich zwingend erforderlich sind (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerwG, Urteile vom 11. Juli 2012
- Az.: 9 CN 1.11 und 2.11 -

Die Revisionsklägerinnen betreiben Hotels in Trier und Bingen am Rhein. Beide Städte erheben nach ihren Satzungen eine sog. Kulturförderabgabe für entgeltliche Übernachtungen in ihrem Stadtgebiet. Die Normenkontrollanträge gegen die Satzungen sind bei dem OVG erfolglos geblieben. Auf die Revisionen hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile des OVG geändert und die Satzungen für unwirksam erklärt.

Die Kulturförderabgabe auf Übernachtungen ist eine örtliche Aufwandsteuer nach Art. 105 Abs. 2a GG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts erfassen Aufwandsteuern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die darin zum Ausdruck kommt, dass die Verwendung von Einkommen für den persönlichen Lebensbedarf (Konsum) über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht. Diese Voraussetzung liegt zwar vor bei entgeltlichen Übernachtungen aus privaten, insbesondere touristischen Gründen. Sie fehlt aber bei entgeltlichen Übernachtungen, die beruflich zwingend erforderlich sind. Solche Übernachtungen dienen bei einer wertenden Betrachtung nicht der Verwendung, sondern der Erzielung von Einkommen und unterliegen daher nicht der Aufwandbesteuerung.

Eine Aufwandsteuer darf darüber hinaus einer bundesgesetzlich geregelten Steuer nicht gleichartig sein. Die Aufwandsteuern für privat veranlasste Übernachtungen sind nach einer Gesamtbewertung nicht als gleichartig mit der Umsatzsteuer anzusehen. Zwar weisen sie Ähnlichkeiten mit der Umsatzsteuer auf, unterscheiden sich jedoch von ihr erheblich: Sie erfassen den Steuergegenstand „Entgelt für Übernachtung“ nur in einem Teilbereich (private Übernachtung) und werden nach den hier angegriffenen Satzungen nur zeitlich begrenzt für vier bzw. sieben zusammenhängende Übernachtungstage erhoben, während die Umsatzsteuer alle Lieferungen und sonstigen Leistungen des Unternehmers betrifft und ohne eine derartige zeitliche Grenze anfällt. Die Satzungen sehen einen Steuerpauschalbetrag vor, während die Umsatzsteuer sich nach einem Hundertsatz vom Übernachtungsentgelt berechnet; zudem wird die Übernachtungssteuer anders als die Umsatzsteuer nur von Erwachsenen erhoben.

Die Satzungen sind gleichwohl nicht nur teilweise, sondern in vollem Umfang unwirksam, weil sie nicht teilbar sind. Es fehlt jegliche Regelung, wie berufsbedingte Übernachtungen von privaten zu unterscheiden sind und wie entsprechende Angaben kontrolliert werden sollen. Das führt zur Ungewissheit über die Besteuerungsvoraussetzungen, die auch nicht für eine Übergangszeit hingenommen werden kann.

Pflicht zur Gehweg-Reinigung an Gleisanlagen

Die DB Netz AG ist im Grundsatz nicht verpflichtet, Gehwege zu reinigen, die an ihren Gleisanlagen entlangführen (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Arnsberg, Urteil vom 10. Mai 2012
- Az.: 7 K 966/11 -

Damit hatte die Klage des Bahnunternehmens gegen die Kommunalen Betriebe der Stadt Soest überwiegend Erfolg. Die Stadt hatte die Bahn verpflichten wollen, auf ihre Kosten Gehwege im Bereich des Bahnhofs Soest zu reinigen.

In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, dass zur Reinigung von Gehwegen nur die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke verpflichtet seien, die durch die Straße erschlossen würden. Diese Erschließung setze voraus, dass rechtlich und tatsächlich eine Zufahrts- oder Zugangsmöglichkeit zur Straße bestehe und dadurch eine innerhalb geschlossener Ortslagen übliche und sinnvolle wirtschaftliche Grundstücksnutzung ermöglicht werde. Diese Voraussetzungen seien hier - abgesehen von der im Folgenden angesprochenen Ausnahme - nicht erfüllt.

Die genannten Zugangsmöglichkeiten würden zwar durch die bestehenden Hindernisse wie Zäune oder Mauern nicht beseitigt. Anders verhalte es sich jedoch dann, wenn es rechtlich verboten sei, von der Straße aus das angrenzende Grundstück zu betreten. Entsprechende Verbote ergäben sich hier aus den eisenbahnrechtlichen Bestimmungen, nach denen die Allgemeinheit die Gleise nicht betreten dürfe. Der Zugang zum Bahnsteig des Bahnhofs Soest sei nicht über den Gehweg entlang der Bahnhofstraße und weiterer Straßen, sondern nur über ein anderes Grundstück gestattet, das hier im Eigentum eines Dritten stehe.

Das Betretensverbot gelte allerdings nicht für die Klägerin selbst und ihre Mitarbeiter. Die insoweit bestehende Zugangsmöglichkeit reiche aber nicht aus, weil sie nicht zu einer innerhalb geschlossener Ortslagen üblichen wirtschaftlichen Nutzung der Bahngrundstücke führe. Nur dann würde sich jedoch die Straßenreinigung vorteilhaft auf die Nutzung der Grundstücke auswirken; nur dann sei es gerechtfertigt, die Grundeigentümer besonders zu belasten. Die Schienenwege dienten selbst dem Verkehr und bedürften keiner Erschließung durch öffentliche Straßen. Auf die Frage, wer die Verschmutzung der Gehwege verursacht habe, hebe die gesetzliche Regelung nicht ab.

Etwas anderes gelte nur, soweit an den Gehweg ein Bereich mit Einrichtungen angrenze, die auf den Zugang zum öffentlichen Straßennetz angewiesen seien, wie etwa Parkplätze oder Verladeanlagen. Daher werde der Grundstücksteil im Sinne des Straßenreinigungsrechts von einer öffentlichen Straße erschlossen, auf dem sich ein im 24-Stunden-Betrieb besetztes Stellwerk befinde. Nur insoweit habe die Klage gegen die Reinigungspflicht keinen Erfolg.

Name im Kinderreisepass

Der Inhaber eines Kinderreisepasses hat einen Anspruch darauf, dass sein Name korrekt in Groß- und Kleinbuchstaben wiedergegeben wird, wenn dies Ausdruck seiner Identität ist (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Arnsberg, Urteil vom 20. April 2012
- Az.: 12 K 1126/11
-

Die Klägerin ist Trägerin eines Familiennamens, der aus einer klein geschriebenen Vorsilbe mit einem durch Apostroph getrennten, mit einem Großbuchstaben beginnenden Hauptteil besteht. Die beklagte Stadt Geseke übergab der Klägerin einen Kinderreisepass, in dem der Familienname der Klägerin durchweg in Großbuchstaben geschrieben war. Hiergegen erhob die Klägerin Klage mit der Begründung, durch die Schreibweise ihres Namens ausschließlich in Großbuchstaben werde ihr grundgesetzlich geschütztes Namensrecht verletzt. Der Name lasse sich Jahrhunderte zurückverfolgen. Es gebe einen Zweig ihrer Familie, bei dem die durch Apostroph getrennte Vorsilbe groß geschrieben werde. Insofern sei sie durch die Fassung ihres Namens im Kinderreisepass nicht hinreichend identifizierbar.

Das Gericht gab der Klage unter Hinweis auf den durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleisteten Schutz des Familiennamens statt. Der besonderen Schreibweise des Namens komme eine identitätsstiftende Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund sei hier die klein geschriebene Vorsilbe besonderer Ausdruck der Individualität der Klägerin und diene der Unterscheidbarkeit, indem die Klägerin eindeutig einem bestimmten Familienzweig zugeordnet werde. Auch im Falle eines „ß“ im Namen werde in den passrechtlichen Bestimmungen eine Ausnahme von der Verwendung von Großbuchstaben gemacht. Der Verweis auf technische Gründe sei für die ausschließliche Schreibung in Großbuchstaben nicht ausreichend, da schon in zehn Jahre alten Identitätspapieren von Familienmitgliedern der Klägerin die Schreibweise des Namens mit Klein- und Großbuchstaben erscheine. Außerdem sei die Bundesdruckerei heutzutage sogar in der Lage, einen Namen korrekt mit zwei Punkten über dem „e“ (sog. Trema „ë“) wiederzugeben.

Putenmast im Naturschutzgebiet

Eine Ausdehnung eines bestehenden Betriebs zur Haltung und Aufzucht von Puten in einem Naturschutzgebiet um knapp 20.000 auf dann 55.410 Tierplätze ist mit Naturschutzbelangen unvereinbar (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. Juli 2012
- Az.: 3 L 316/12 - nicht rechtskräftig -

Mit dem Beschluss hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf dem Eilantrag des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) stattgegeben. Der NABU wendet sich gegen die durch den Kreis Kleve erteilte Genehmigung der Erweiterung eines bestehenden Betriebs zur Haltung und Aufzucht von Puten um knapp 20.000 auf dann 55.410 Tierplätze. Die Erweiterungsfläche in Kleve-Keeken liegt im Naturschutzgebiet „Düffel - Kellener Altrhein und Flussmarschen“; dieses ist Teil des europäischen Vogelschutzgebiets „Unterer Niederrhein“.

Die Kammer ist der Argumentation des NABU gefolgt, wonach das Vorhaben mit der einschlägigen Naturschutzverordnung von 2005 nicht vereinbar sei. Zwar gelte das strikte Bauverbot auf bestimmten Entwicklungsflächen im Naturschutzgebiet nicht; Voraussetzung sei aber stets, dass es um die Erweiterung einer bestehenden landwirtschaftlichen Hofstelle gehe. Hiervon könne bei dem fraglichen Betrieb zur Intensivhaltung und -aufzucht von Truthühnern keine Rede sein. Eine Ausdehnung in Richtung gewerblicher oder gar industrieller Nutzung der Fläche sei mit Naturschutzbelangen unvereinbar.

Schließung einer Grundschule

Die Schließung der Grundschule Billinghausen in Lage ist als Planungsentscheidung der Stadt Lage nicht zu beanstanden. Der Schulträger durfte nach Abwägung aller maßgeblichen Umstände anderen Schulstandorten den Vorrang einräumen, zumal die Kinder aus dem Ortsteil Billinghausen andere Grundschulen in zumutbarer Entfernung besuchen können (nichtamtliche Leitsätze).

VG Minden, Urteil vom 27. April 2012
- Az.: 8 K 974/11, 8 K 1318/11 und 8 K 1929/11

Mit dem Urteil hat das Verwaltungsgericht Minden die Klage mehrerer Eltern abgewiesen, deren Kinder von der zu Schuljahresbeginn im Herbst 2011 umgesetzten jahrgangsweisen Schließung der Grundschule Billinghausen in Lage betroffen sind. Nachdem das Gericht bereits im Eilverfahren zugunsten der Stadt entschieden hatte, ergaben sich im Klageverfahren keine wesentlichen neuen Aspekte. Nach Auffassung der Kammer ist die Planungsentscheidung der Stadt Lage nicht zu beanstanden. Der Schulträger durfte nach Abwägung aller maßgeblichen Umstände anderen Schulstandorten den Vorrang einräumen, zumal die Kinder aus dem Ortsteil Billinghausen andere Grundschulen in zumutbarer Entfernung besuchen können. Aktuelle landespolitische Überlegungen zur Absenkung der Anforderungen an die Mindestgrößen von Grundschulstandorten konnten schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die geltende Rechtslage maßgebend ist.

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