Heft September 2013

Anspruch auf wohnortnahe Kinderbetreuung

Der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat in einem Eilverfahren entschieden, dass Eltern eines unter drei Jahre alten Kindes auf eine Tagesmutter verwiesen werden können, und hat damit der Beschwerde der Stadt Köln gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. Juli 2013 stattgegeben.

OVG NRW, Beschluss vom 14. August 2013
- Az.:
12 B 793/13 -

Das Verwaltungsgericht hatte die Stadt Köln verpflichtet, dem unter drei Jahre alten Antragsteller entsprechend dem Wunsch seiner Eltern vorläufig einen Platz in einer der in der Nähe der elterlichen Wohnung gelegenen Kindertagesstätten zuzuweisen. Der ab dem 1. August 2013 bestehende Rechtsanspruch des Antragstellers auf U3-Betreuung sei weder dadurch erfüllt, dass die Stadt Köln ihm einen Platz in einer 5,8 km von seiner Wohnung entfernt gelegenen Kindertagesstätte zugewiesen habe, noch dadurch, dass ihm ein Platz bei einer wohnortnahen Tagesmutter angeboten worden sei. 

Das OVG hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und zur Begründung ausgeführt: Eltern eines unter drei Jahre alten Kindes könnten zwar grundsätzlich zwischen den gleich geeigneten und gleichwertigen Arten der frühkindlichen Förderung in einer Kindertagesstätte und bei einer Tagesmutter wählen. Dem Wunsch der Eltern müsse allerdings nicht entsprochen werden, wenn in der gewünschten Betreuungsform kein Platz mehr vorhanden sei. Stehe ein freier Platz nur bei einer Tagesmutter und nicht in der von den Eltern gewünschten Kindertagesstätte zur Verfügung, erfülle der Träger der Jugendhilfe den Rechtsanspruch auf U3-Betreuung mit dem Angebot dieses freien Platzes. Ein Anspruch auf Kapazitätserweiterung bestehe nicht.

Der Senat konnte offen lassen, ob die Einschätzung des Verwaltungsgerichts zutrifft, in Ballungsräumen sei eine über fünf Kilometer von der Wohnung des Kindes entfernt gelegene Kindertagesstätte nicht mehr als wohnortnah zu qualifizieren. Er hat allerdings darauf hingewiesen, dass bei der abschließenden Prüfung, ob die U3-Betreuung in zumutbarer Entfernung zur Wohnung des Kindes liegt, eine pauschalierende Regelbeurteilung allein nicht ausreicht, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalls in den Blick genommen werden müssen. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.

Gewerbliche Sammlung von Alttextilien

Mit vier Beschlüssen hat der 20. Senat des OVG den Beschwerden eines Unternehmens, das gewerblich mittels Containern Alttextilien sammelt, stattgegeben und damit die Sammlungen des Unternehmens in den Städten Leverkusen, Krefeld und Herne sowie im Kreis Steinfurt vorläufig erlaubt.

OVG NRW, Beschlüsse vom 19. Juli 2013
- Az.: 20 B 122/13, 20 B 476/13, 20 B 530/13 und 20 B 607/13 -

Seit dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes am 1. Juni 2012 sind gewerbliche ebenso wie gemeinnützige Sammlungen von Abfällen aus privaten Haushaltungen anzeigepflichtig. Dementsprechend hatte das Unternehmen seine gewerblichen Alttextiliensammlungen jeweils angezeigt. Die Behörden untersagten die Sammlungen jeweils mit sofortiger Wirkung und führten zur Begründung unterschiedliche Gesichtspunkte an: Das Unternehmen sei unzuverlässig, weil es ohne Sondernutzungserlaubnis Sammelcontainer im öffentlichen Straßenraum aufgestellt habe; die Sammlungsanzeige sei nicht vollständig gewesen, insbesondere fehlten Angaben zu den genauen Containerstandorten; die Sammlung konkurriere mit einer bereits bestehenden Sammlung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Die in der ersten Instanz zuständigen Verwaltungsgerichte lehnten die vorläufigen Rechtsschutzanträge des Unternehmens jeweils ab.

Nunmehr hat das OVG auf die Beschwerden des Unternehmens den vorläufigen Rechtsschutzanträgen jeweils stattgegeben und damit die Sammlungen vorläufig erlaubt. Bei summarischer Prüfung lasse sich eine offensichtliche Rechtmäßigkeit der behördlichen Untersagungsverfügungen nicht feststellen. Ob das Unternehmen unzuverlässig sei, hänge von weiteren Ermittlungen ab. Eine Sammlungsuntersagung allein wegen Unvollständigkeit der Anzeige erscheine unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtlich zweifelhaft.

Ob eine Konkurrenzsituation zum öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger eine Untersagung der gewerblichen Sammlung rechtfertige, hänge von der Beantwortung schwieriger, im Eilverfahren nicht zu beantwortender europarechtlicher Fragen ab. Eine allgemeine Interessenabwägung falle zugunsten des Unternehmens aus. Die Sammlungsuntersagungen beeinträchtigten das Unternehmen im Bereich grundrechtlich geschützter Betätigung. Eine vergleichbar starke Beeinträchtigung öffentlicher Interessen für den Fall, dass die gewerblichen Sammlungen vorübergehend zugelassen würden, sich die von den Behörden verfügten Untersagungen in den Hauptsacheverfahren jedoch als rechtmäßig herausstellten, lasse sich nicht feststellen.

Die Beschlüsse des OVG sind unanfechtbar. Über die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügungen wird abschließend in den Hauptsacheverfahren (Klageverfahren) entschieden, die noch bei den Verwaltungsgerichten anhängig sind.

Zinsswap-Verträge

Das Landgericht Dortmund hat von Kommunen abgeschlossene Zinsswapverträge als „doppelt“ sittenwidrig eingestuft (nichtamtlicher Leitsatz).

LG Dortmund, Urteil vom 5. Juli 2013
- Az.: 6 O 85/12 und 6 O 205/12 -

Im Rechtsstreit zwischen der WestLB-Nachfolgegesellschaft Erste Abwicklungsgesellschaft (EAA) mit einer Stadt und einem Kreis stufte das Gericht verschiedene Zinsswapverträge als sittenwidrig und damit nichtig ein. In dem Urteil wird als Begründung ausgeführt, dass diese Geschäfte gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen verstoßen.

In den bisherigen Rechtsstreitigkeiten und erstinstanzlichen Entscheidungen, die im Ergebnis zugunsten der Kommunen ausfielen, wurde lediglich von einem Beratungsverschulden der Bank ausgegangen. In diesen Fällen müssen die Verträge rückabgewickelt werden.

Die klagenden Kommunen hatten das Argument der Sittenwidrigkeit selbst vorgetragen. Durch die Annahme der Sittenwidrigkeit entfällt die Notwendigkeit des Beweises eines Beratungsverschuldens der Bank. Es reicht der Hinweis auf die sittenwidrige Produktstruktur der Verträge.

Allerdings gibt es auch einen erheblichen Nachteil. Wegen der von Anfang an vorliegenden Nichtigkeit der Verträge fallen zwar zukünftige Zahlungen weg, bereits geleistete werden aber nicht rückerstattet. Dies bedeutet auch ein Risiko für alle Kämmerer, in deren Kommunen ähnliche Swap-Verträge vorliegen. Nachdem das Gericht die Sittenwidrigkeit der Verträge festgestellt hat, muss nämlich vor Ort geprüft werden, ob aus ähnlichen Verträgen resultierende Zahlungsforderungen der Banken überhaupt weiter beglichen werden dürfen. Zahlungen auf der Grundlage nichtiger Verträge könnten nämlich einen Untreuevorwurf nach sich ziehen. Der Kämmerer des betroffenen Kreises hat angekündigt, dass der Kreis vor dem OLG Hamm Berufung gegen das Urteil einlegen wird.

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