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Hauptausschuss 2024
Heft September 2014
Normenkontrolle gegen Besoldungsgesetz
Das Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Juli 2013 ist teilweise verfassungswidrig. Es verstößt gegen das in der Landesverfassung ebenso wie im Grundgesetz garantierte Alimentationsprinzip, soweit die Besoldungsgruppen ab A 11 betroffen sind. Das Urteil betrifft sowohl aktive als auch im Ruhestand befindliche Beamte und Richter, insgesamt etwa 80 % der Amtsträger des Landes (nichtamtliche Leitsätze).
VerfGH, Urteil vom 1. Juli 2014
- Az.: 21/13 -
Mit dem überprüften Gesetz hat der Gesetzgeber die Grundgehälter der Beamten und Richter, die den bei weitem größten Teil ihres Einkommens ausmachen, gestaffelt nach Besoldungsgruppen erhöht. Die Grundgehälter der Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 sind entsprechend dem Ergebnis der Tarifverhandlungen für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst für die Jahre 2013 und 2014 um insgesamt 5,6 % angehoben worden. Für die Besoldungsgruppen A 11 und A 12 beträgt die Erhöhung insgesamt 2 %, für alle anderen Beamten und die Richter ist keine Erhöhung vorgesehen.
Der Verfassungsgerichtshof hat ausgeführt: Die mit der gestaffelten Anpassung der Bezüge verbundene Ungleichbehandlung von Angehörigen der Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 einerseits und Angehörigen der übrigen Besoldungsgruppen andererseits verstoße evident gegen das Alimentationsprinzip. Da der Gesetzgeber für die Besoldungsgruppen A 2 bis A 10 eine Erhöhung der Besoldung um 5,6 % für sachgerecht gehalten habe, hätte er die Erhöhung der Grundgehaltssätze für die Besoldungsgruppen A 11 und A 12 nicht auf 2 % beschränken und jedenfalls nicht schon ab Besoldungsgruppe A 13 auf jede Erhöhung verzichten dürfen.
Grundsätzlich sei der Gesetzgeber verpflichtet, die Bezüge der Beamten und Richter an eine positive Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen. Aufgrund seines weiten Gestaltungsspielraums sei er aber nicht gehalten, die Tarifabschlüsse für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst spiegelbildlich auf die Bezüge der Beamten und Richter zu übertragen; auch müsse er nicht die Bezüge für alle Beamten und Richter in gleichem Umfang erhöhen. Allerdings sei er nicht befugt, eine zeitlich unbefristete gestaffelte Anpassung mit Sprüngen zwischen den Besoldungsgruppen in dem vorliegenden Ausmaß vorzunehmen.
Ein sachlicher Grund für diese Sprünge liege nicht vor. Er sei nicht etwa darin zu finden, dass der Gesetzgeber eine Überalimentation habe abbauen wollen. Zu diesem Zweck dürfe er die Bezüge zwar kürzen oder mit einer Anpassung hinter der Entwicklung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse zurückbleiben. Der Gesetzesbegründung lasse sich jedoch nicht entnehmen, dass eine Überalimentation der Beamten ab Besoldungsgruppe A 11 sowie der Richter angenommen worden sei.
Auch könne der Gesetzgeber die deutlich geringere oder gar vollständig ausgebliebene Anpassung der Bezüge nicht mit den unterschiedlichen Auswirkungen einer allgemeinen Teuerung rechtfertigen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Sprünge zwischen den Besoldungsgruppen dem Ausmaß der jeweiligen Belastung entsprächen. Zwar sei der Gesetzgeber auch befugt, die Haushaltslage und die Vorwirkungen der "Schuldenbremse" bei der Festsetzung der Bezüge zu berücksichtigen. Dies entbinde ihn jedoch nicht von der Beachtung des Alimentationsprinzips.
Eilantrag gegen Bestellung eines Finanzbeauftragten
Die Stadt Altena kann gegen die Bestellung eines Beauftragten für die Haushaltssanierung keinen vorläufigen Rechtsschutz beanspruchen (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Beschluss vom 4. Juli 2014
– Az.: 15 B 571/14 –
Das nordrhein-westfälische Stärkungspaktgesetz verlangt von den in einer Haushaltsnotlage befindlichen Kommunen - darunter die Stadt Altena - die Vorlage eines Haushaltssanierungsplans, auf dessen Grundlage spätestens ab dem Jahr 2016 ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden kann. Im Gegenzug erhalten die betroffenen Gemeinden finanzielle Unterstützung seitens des Landes. Allerdings gilt die Verpflichtung zum Haushaltsausgleich spätestens ab 2016 nur in der Regel. In Ausnahmefällen kann die zuständige Bezirksregierung einen längeren Sanierungszeitraum genehmigen.
Nachdem der Rat der Stadt Altena einen Haushaltsausgleich frühestens ab 2018 für möglich gehalten und die Bezirksregierung Arnsberg das damit verbundene Abweichen von der gesetzlichen Regelfrist nicht genehmigt hatte, hat das Kommunalministerium einen Beauftragten eingesetzt. Aufgabe des Beauftragten ist es, anstelle des Rates einen genehmigungsfähigen Haushaltssanierungsplan mit dem Ziel eines Haushaltsausgleichs bereits in 2016 zu beschließen. Dies ist inzwischen geschehen. Die Bestellung eines Beauftragten ist im Stärkungspaktgesetz für den Fall, dass eine Gemeinde ihren dort geregelten Pflichten zur Haushaltssanierung nicht nachkommt, verbindlich vorgeschrieben.
Hiergegen hat die Stadt Altena Klage erhoben und zugleich die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, die Vorschriften zur zwingenden Bestellung eines Beauftragten seien verfassungswidrig. Zudem hat sie sich auf das Vorliegen eines Ausnahmefalls berufen. Da weitere Einsparmöglichkeiten nicht mehr gegeben seien, könne ein Haushaltsausgleich im Jahr 2016 nur durch eine massive Erhöhung vor allem der Grundsteuer B erreicht werden. Das sei nicht zumutbar.
Dieser Argumentation ist nach dem VG Arnsberg auch das OVG nicht gefolgt. Nach Ansicht des OVG verstoßen die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen voraussichtlich nicht gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht. Auch werde insbesondere durch die von dem Beauftragten zwischenzeitlich beschlossene Heraufsetzung des Grundsteuerhebesatzes auf 910 Punkte ab dem Haushaltsjahr 2016 die Grenze zur Unzumutbarkeit noch nicht überschritten. Ein solcher Hebesatz sei zwar überdurchschnittlich hoch, bewege sich aber nicht außerhalb des Planungsbereichs anderer Stärkungspaktkommunen. Eine Sondersituation Altenas, die ausnahmsweise einen späteren Haushaltsausgleich rechtfertigen könnte, sei nicht erkennbar.
Informationspflicht von Bahnhofsbetreibern
Bahnhofsbetreiber müssen die Fahrgäste an allen Bahnhöfen und Stationen über Zugausfälle und Verspätungen „aktiv“ informieren. Es ist nicht ausreichend, wenn Aushänge auf die Telefonnummer einer Service-Hotline hinweisen (nichtamtliche Leitsätze).
OVG NRW, Urteil vom 16. Mai 2014
– Az.: 16 A 494/13 –
Eine entsprechende Anordnung hatte das Eisenbahnbundesamt gegenüber der Klägerin, die ungefähr 5.500 Bahnhöfe und Stationen betreibt, erlassen. Die dagegen gerichtete Klage blieb in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Köln ohne Erfolg. Das OVG hat nunmehr die Berufung gegen dieses Urteil zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass die Pflicht zur Information an Bahnhöfen aus Art. 18 Abs. 1 der Fahrgastrechte-Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 folge. Danach seien die Fahrgäste über Verspätungen "zu unterrichten" und nicht lediglich darüber zu informieren, wo die Informationen für sie bereitgestellt würden. Die Informationspflicht bestehe nicht nur im Rahmen vorhandener Ressourcen. Gegebenenfalls habe die Klägerin Investitionen zu tätigen, um ihrer Informationspflicht nachzukommen. Das OVG hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Elternbeiträge für Geschwisterkinder in Kindertagesstätten
Das Verwaltungsgericht Minden hat eine Klage von Eltern gegen die Heranziehung zu Elternbeiträgen für Kindertagespflegeleistungen abgewiesen, welche die Stadt Bielefeld als Jugendhilfeträger für deren Sohn erbracht hatte. Die Kläger hatten geltend gemacht, mit Blick auf die gleichzeitige Betreuung ihrer Tochter in einer Kindertagesstätte einer anderen Kommune von der Beitragspflicht befreit zu sein (nichtamtliche Leitsätze).
VG Minden, Urteil vom 3. Juli 2014
– Az.: 5 K 3647/13 – (nicht rechtskräftig)
Nach Auffassung der 5. Kammer greift die in der Elternbeitragssatzung der Stadt Bielefeld geregelte Befreiung von der Elternbeitragspflicht für Geschwisterkinder nur, wenn wenigstens zwei Kinder einer Familie gleichzeitig elternbeitragspflichtige Einrichtungen oder Angebote der Stadt Bielefeld wahrnehmen. Dem kommunalen Satzungsgeber stehe im Rahmen der jugendhilferechtlichen Leistungsgewährung ein weiter Gestaltungsspielraum zu, von dem die Stadt Bielefeld bei der Einführung und Ausgestaltung der Beitragsbefreiung für Geschwisterkinder in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht habe.
Die Anknüpfung der Befreiungsregelung an die eigene Leistungserbringung für wenigstens zwei Kinder verstoße nach Auffassung der Kammer schon deshalb nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil der Umstand, dass dem Jugendhilfeträger in diesem Fall wenigstens der Beitrag für ein Kind bleibe, ein hinreichender sachlicher Grund für die vorgenommene Differenzierung sei.