Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Heft September 2015
Weisung zur Erhöhung der Kreisumlage
Kommt ein Kreis seiner Verpflichtung, einen ausgeglichenen Haushalt zu erstellen, beharrlich nicht nach, dann darf er kommunalaufsichtlich zu Maßnahmen angewiesen werden, die gegenüber den kreisangehörigen Gemeinden rechtlich zulässig sind. Dazu kann auch eine Erhöhung der Kreisumlage gehören (nichtamtliche Leitsätze).
BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2015
- Az.: 10 C 13.14 -
Der Kläger, ein seit Jahren finanziell notleidender hessischer Landkreis, hatte trotz Aufforderung durch den Beklagten weder eine Anhebung des Kreisumlagesatzes für das Haushaltsjahr 2010 noch Einsparmaßnahmen in entsprechender Höhe beschlossen. Die Kommunalaufsicht des Landes wies ihn daraufhin an, den Hebesatz für die Kreisumlage um 3 Prozent zu erhöhen. Die Klage des Kreises hiergegen war vor dem Verwaltungsgericht zunächst erfolgreich, wurde jedoch in der Berufungsinstanz durch den Verwaltungsgerichtshof abgewiesen.
Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger seiner im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung zu beachtenden Pflicht zum Haushaltsausgleich nicht nachgekommen war. Der Kläger konnte sich dieser Pflicht nicht mit dem Argument entziehen, er werde vom Land finanziell unzureichend ausgestattet. Die Kommunalaufsicht durfte danach mit einer Anweisung zur Erhöhung des Kreisumlagesatzes auf eine Verringerung des Haushaltsdefizits des Kreises hinwirken. Dabei sind nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs die Belange der kreisangehörigen Gemeinden, denen eine finanzielle Mindestausstattung zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben verbleiben muss, gewahrt worden.
Mitnahme von E-Scootern in Linienbussen
Verkehrsunternehmen sind nicht verpflichtet, Elektromobile (E-Scooter) in Linienbussen zu befördern (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG NRW, Beschluss vom 15. Juni 2015
- Az.: 13 B 159/15 -
Das OVG hat in seiner Entscheidung darauf verwiesen, dass aufgrund eines Gefährdungspotenzials bei der Mitnahme von Elektromobilen (E-Scootern) keine Beförderungspflicht des Verkehrsunternehmens besteht. Dabei beruft sich das Gericht im Wesentlichen auf ein Gutachten, wonach zwar für drei der untersuchten Elektromobile ein Kippen bei einer gewöhnlichen Betriebsbremsung unwahrscheinlich sei, wenn keine Zuladung besteht (insb. keine Person auf dem Elektromobil sitzt), jedoch sei spätestens bei einer Gefahrbremsung ein Kippen des Elektromobils nicht auszuschließen. Diese Gefahren ließen sich - anders als bei den Hand- und Elektro-Rollstühlen - nicht durch Sicherungsmaßnahmen beseitigen oder auf ein vertretbares Maß mindern.
Die für die Beförderung von behinderten Menschen zugelassenen (Hilfsmittel-)Fahrzeuge bzw. Krankenfahrstühle könnten demgegenüber in den Linienfahrzeugen sicher abgestellt werden, indem sie nach der Einfahrt im mittleren Bereich des Wagens (gegebenenfalls über eine dafür vorgesehene ausklappbare Rampe) über die sog. „große Sondernutzfläche“ zu dem für diese Rollstühle vorgesehenen Platz mit einer diese in Fahrtrichtung begrenzenden „Prallfläche“ bzw. einem Prallbrett fahren.
Dies verhindere Kippen oder Rutschen des unmittelbar daran herangefahrenen Krankenfahrstuhls. Wegen der größeren Maße und der geringeren Wendigkeit von Elektromobilen („Wendekreis“, kein Wenden auf der Stelle) im Vergleich mit Hand- oder Elektro-Rollstühlen könnten Elektromobile regelmäßig die Fläche vor dem Prallbrett nicht erreichen; sie könnten deshalb nur quer zur Fahrtrichtung auf der großen Sondernutzfläche im Bereich des mittleren Eingangs abgestellt werden.
Auch für die Sicherung von Elektromobilen an diesem Platz auf andere Weise gebe es derzeit keine praktikablen und technisch realisierbaren Möglichkeiten. Rückhaltesysteme hierfür seien in den bestehenden Linienfahrzeugen weder vorhanden noch technisch nachrüstbar. Man müsste die Elektromobile - worauf auch die verfügbaren Informationen, insbesondere die Bedienungsanleitungen der Hersteller hinweisen - mit Gurten verzurren oder anderweitig befestigen. Dafür seien jedoch entsprechende Einrichtungen, an denen diese Sicherung im Fahrzeug durchgeführt werden könnte, erforderlich.
Ferienwohnungen in allgemeinen Wohngebieten
Die Vermietung von Wohnraum als Ferienwohnung in einem Gebiet, das in einem Bebauungsplan als allgemeines Wohngebiet festgesetzt worden ist, ist rechtswidrig (nichtamtlicher Leitsatz).
OVG MV, Beschluss vom 14. April 2015
- Az.: 3 M 86/14 -
Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern bestätigte die angeordnete sofortige Vollziehung von Nutzungsuntersagungen, die die Vermietung von Wohnungen an der Ostseeküste an Feriengäste betrafen.
Eine Nutzung als Ferienwohnung sei in einem allgemeinen Wohngebiet weder allgemein noch ausnahmsweise zugelassen, so das OVG. Ob die Gemeinde bei der Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes die Vorstellung hatte, rechtlich sei eine Ferienwohnungsnutzung in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig, sei unerheblich. Rechtlich spiele es auch keine Rolle, wenn die Eigentümer einer rechtswidrig genutzten Ferienwohnung eine Kurabgabe an die Gemeinde zahlten oder die Gemeinde oder der Landkreis Kenntnis von dieser Art der Nutzung habe.
Eine vom Landkreis ausgesprochene Erklärung, die rechtswidrige Nutzung zu dulden, lag in den vom OVG entschiedenen Fällen nicht vor. Stelle aber die zuständige Bauaufsichtsbehörde (hier: der Landkreis) die rechtswidrige Nutzung fest, sei bei Fehlen einer die Ferienwohnnutzung legitimierenden Baugenehmigung in der Regel die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung rechtmäßig. Nur in besonders gelagerten Einzelfällen sei die Bauaufsichtsbehörde veranlasst, besondere Ermessenerwägungen anzustellen, um festzustellen, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung überwiegt.
In einem eine Ferienwohnung in Rerik betreffenden Fall hat das OVG die sofortige Vollziehung der Nutzungsuntersagung befristet bis zum 31.10.2015 aufgehoben, weil davon auszugehen war, dass die Gemeinde bis zu diesem Zeitpunkt den Bebauungsplan zugunsten der Ferienwohnnutzung geändert haben wird. In den anderen Verfahren hat es die Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung bestätigt.
Verfassungsbeschwerde gegen Mietpreisbremse
Die Miete in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt darf bei neu abgeschlossenen Wohnraummietverträgen um höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen (nichtamtlicher Leitsatz).
BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 2015
- Az.: 1 BvR 1360/15 -
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die Mietpreisbremse und die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung wegen Unzulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen. Aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes muss der Beschwerdeführer zunächst den Zivilrechtsweg beschreiten. Mit der Entscheidung erledigt sich zugleich der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des Gesetzes.
Zum 01.06.2015 ist das Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21.04.2015 in Kraft getreten. Hierdurch wird unter anderem die Mietpreisbremse eingeführt. Nach § 556 d Abs. 1 BGB darf die Miete in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt bei neu abgeschlossenen Wohnraummietverträgen um höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
Die Landesregierungen sind unter den Voraussetzungen des § 556d Abs. 2 BGB ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung zu bestimmen. In Berlin ist zum 01.06.2015 eine Rechtsverordnung in Kraft getreten, die das gesamte Stadtgebiet als solches Gebiet ausweist. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Wohnung in Berlin. Er sieht sich durch die genannten Regelungen daran gehindert, die Wohnung ab dem 01.08.2015 zu angemessenen Konditionen weiterzuvermieten.
Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht dem Subsidiaritätsgrundsatz entgegen. Bei einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde ist besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Beschwerdeführer alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergriffen hat, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung im sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen.
Demnach ist der Beschwerdeführer zunächst auf die Beschreitung des Zivilrechtswegs zu verweisen. Sollte er bei der Neuvermietung der Wohnung gegen die Mietpreisbremse verstoßen, ändert dies nichts an der Wirksamkeit des Mietvertrags. Unwirksam ist lediglich die Abrede über die Höhe der Miete und auch dies nur insoweit, als die zulässige Höchstgrenze überschritten wird (vgl. § 556 g Abs. 1 Satz 2 BGB).
Hält der Beschwerdeführer diese Begrenzung für nichtig, so ist er nicht gehindert, die gesamte vertraglich vorgesehene Miete vor den Zivilgerichten einzuklagen. Diese haben dann zu prüfen, ob die Entgeltabrede teilweise unwirksam ist. Hierzu kann auch die Prüfung gehören, ob die Berliner Mietenbegrenzungsverordnung mit höherrangigem Recht im Einklang steht.