Heft September 2017

Flächenmaßstab bei der Sex-Steuer

Der Maßstab der „für das Publikum bestimmten Flächen“ ist verfassungsrechtlich zulässig.

Der Begriff „für das Publikum bestimmte Flächen“ des Flächenmaßstabs beim einrichtungsbezogenen Steuertatbestand der Sexsteuer stellt auf die Widmung dieser Flächen ab. (Amtl. Leitsätze - Auszug)

OVG NRW, Beschluss vom 08.06.2017
- Az.: 14 B 404/17 -

Der Antragsteller betreibt einen bordellähnlichen Saunaclub. Die antragsgegnerische Gemeinde veranlagte ihn zur Sexsteuer, ab 2015 anhand des Maßstabs aller „für das Publikum bestimmten Flächen mit Ausnahme der Toiletten- und Garderobenräume“. Zwischen den Beteiligten war streitig, ob bestimmte Flächen in die Steuerberechnung einzubeziehen waren. Im Beschwerdeverfahren wurde der insoweit gestellte Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Steuerbescheid abgelehnt.

Nach Wertung des Gerichts waren die hier in Rede stehenden Räume im 3. Obergeschoss und im Dachgeschoss in die der Besteuerung zugrunde zu legende Veranstaltungsfläche einzubeziehen. Es sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sie im Besteuerungszeitraum bis zum Ortstermin am 15.09.2016 nicht zu den „für das Publikum bestimmten Flächen“ zählten. Dieser Begriff grenze sich - im Gegensatz zum früher in der Satzung verwendeten Begriff der „zugänglichen“ Flächen - nach der einmal erfolgten Widmung der Räumlichkeit, also dem vom Verfügungsberechtigten für ihre Nutzung durch Willenserklärung festgesetzten Zweck. Diese Erklärung könne auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden.

Die Gemeinde als Steuergläubigerin trage nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für das Vorliegen des Besteuerungsmerkmals „für das Publikum bestimmte Fläche“ als steuerbegründende und -erhöhende Tatsache. Der Nachweis, dass die Räumlichkeiten im 3. Obergeschoss und im Dachgeschoss für das Publikum im vorbenannten Sinne bestimmt waren, sei vor dem Hintergrund der objektiven Ausgestaltung der Räumlichkeiten mit Whirlpools und Betten in einem bordellartigen Betrieb geführt. Die Einlassung des Antragstellers, die Räume seien 2015 und 2016 nicht mehr zu diesen Zwecken genutzt worden, sei irrelevant, da es allein auf die Nutzungsbestimmung, nicht auf die Nutzung ankomme.

Auch der Charakter der Sexsteuer als örtlicher Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG stehe dem nicht entgegen, da der Flächenmaßstab einen zumindest lockeren Bezug zum Aufwand behalte. Denn bei pauschalierender und typisierender Betrachtung könne davon ausgegangen werden, dass der Umfang des Vergnügungsaufwands mit der Größe eines Betriebes wächst. Speziell für Bordelle und ähnliche Einrichtungen habe der Senat daher den von der tatsächlichen Nutzung durch Kunden losgelösten Flächenmaßstab für rechtmäßig und das früher maßgebliche Merkmal der Zugänglichkeit der Fläche, das im Gegensatz zur Zweckbestimmung täglich wechseln kann, als wenig praktikabel erachtet.

Relevant sei somit alleine, ob und wann die Räumlichkeiten hinsichtlich des bisherigen Zwecks entwidmet worden seien. Für diesen steuermindernden Umstand trage der Antragsteller schon nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast, im Hauptsacheverfahren müsse daher zur vollen Überzeugung des Gerichts, also ohne vernünftigen Zweifel, feststehen, dass und wann die Räumlichkeiten entwidmet worden seien. Verbleibende Zweifel gingen zulasten des Antragstellers.

 

Auswahlentscheidung für einen Kirmes-Standplatz

Eine Auswahl unter mehreren Bewerbern für einen Standplatz auf einer Kirmes nach § 70 Abs. 3 GewO muss nach transparenten und nachvollziehbaren Kriterien erfolgen. (Amtl. Leitsätze - Auszug)

OVG NRW, Beschluss vom 15.05.2017
- Az.: 4 A 1504/15 -

Die Klägerin begehrte ihre Zulassung zur Cranger Kirmes 2015 neben zwei weiteren Anbietern, die mit einem Riesenrad vertreten sein wollten. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.

Im Einklang mit ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung sei die Vorinstanz davon ausgegangen, dass das Auswahlkriterium der größeren Attraktivität einen sachgerechten Gesichtspunkt für die Vergabe von Standplätzen auf einer Kirmes darstellt, und dem Veranstalter bei der durch § 70 Abs. 3 GewO eröffneten Ausschlussbefugnis ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Einschätzungs- und Entscheidungsspielraum eingeräumt ist. Jeder Bewerber um einen Standplatz müsse nach den in den städtischen Zulassungsrichtlinien niedergelegten Grundsätzen damit rechnen, dass sich Auswahlentscheidungen in Orientierung am Veranstaltungszweck an verschiedenen sachgerechten Attraktivitätskriterien (Neuheiten, optische Gestaltung, Fahrweise, Pflegezustand, Warenangebot) orientieren, wobei eine branchenspezifische Spezifizierung der Attraktivitätskriterien ausdrücklich vorgesehen ist.

Sofern ein Bewerber gleichwohl in der fehlerhaften Annahme vermeintlich allgemeingültiger anderweitiger Maßstäbe seine Investitionsentscheidungen vordringlich oder gar ausschließlich an einzelnen, wenn auch branchentypisch üblichen Kriterien ausrichte, trage er das wirtschaftliche Risiko, das hieraus folgt. Eine hinreichende Investitionssicherheit und Vorhersehbarkeit werde durch das aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz folgende Erfordernis gewahrt, dass Auswahlkriterien nach § 70 Abs. 3 GewO transparent und nachvollziehbar sein müssen, um allen Bewerbern eine hinreichende Chancengleichheit zu gewährleisten. Entscheidend sei, dass durch die Verfahrensgestaltung eine sachwidrige Verengung des Bewerberkreises vermieden und gewährleistet werde, dass die Auswahl tatsächlich unter allen potenziellen Bewerbern erfolgen kann.

Damit der behördlichen Ermessensausübung zum Schutz vor willkürlichen Entscheidungen hinreichende Grenzen gesetzt werden, müsse ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung zudem auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen. Dies gelte grundsätzlich, insbesondere wenn das Erfordernis des Ausschlusses einzelner Bewerber im Voraus absehbar ist, auch für Auswahlentscheidungen nach § 70 Abs. 3 GewO von grenzüberschreitendem Interesse. Die Zulassungsrichtlinien der Beklagten sowie die konkretisierenden Bewertungskriterien genügten diesen Transparenzerfordernissen. Aus den Zulassungsrichtlinien ergebe sich für jeden Bewerber, dass Attraktivitätskriterien branchenbezogen näher spezifiziert werden können, so dass entsprechende Erkundigungen hierüber angestellt werden können.

Angesichts des Hinweises der Zulassungsrichtlinien auf branchenbezogene Spezifizierungen der Attraktivitätskriterien, der den Bewerbern Erkundigungen hierüber ermöglicht hat, bedurfte es zur Gewährleistung der erforderlichen Transparenz und zum Ausschluss willkürlicher Entscheidungen auch keiner Ausschreibung, die selbst schon alle Einzelheiten zu den Bewertungskriterien enthielt. Es sei höchstrichterlich geklärt, dass sich ein entsprechendes Erfordernis nicht in jedem Fall aus dem Transparenzgebot ergibt.

 

Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens

Zur Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens „Döpps105“ zur Neugestaltung des Döppersberg in der Wuppertaler Innenstadt. (Orientierungssatz)

OVG NRW, Urteil vom 13.06.2017
- Az.: 15 A 1561/15 -

Die Kläger vertraten das Bürgerbegehren „Döpps105“. Dieses hatte sich mit der Frage „Sind Sie dafür, dass die gesteigerten Bau- und Folgekosten der Neugestaltung Döppersberg wie ursprünglich durch den Rat beschlossen ausschließlich durch Umschichtungen im Projekt ohne Belastung des städtischen Haushalts (Drittfinanzierung, Anpassung der Bauplanung, Änderung von Aufträgen) ausgeglichen werden sollen und der neue Ratsbeschluss vom 18. November 2013 aufgehoben wird?“ an die beklagte Stadt gewandt. Erreicht werden sollte die Einhaltung des im Jahr 2010 von der beklagten Stadt beschlossenen Kostenrahmens für das Gesamtprojekt. Nachdem der Rat die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt hatte, haben die Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Düsseldorf erhoben. Dieses hat die Klage aus prozessualen Gründen abgewiesen, weil sie nicht von allen seinerzeitigen Vertretern des Bürgerbegehrens erhoben worden war. Die dagegen gerichtete Berufung zum OVG NRW hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Die Klage scheiterte zunächst aus prozessualen Gründen: Das Gericht monierte, den Klägern habe innerhalb der maßgeblichen einmonatigen Klagefrist die Prozessführungsbefugnis gefehlt. Die Vertreter des Bürgerbegehrens hätten nur gemeinschaftlich Klage erheben können. Daran fehle es deshalb, weil sich nur zwei der ursprünglich benannten drei Vertreter des Bürgerbegehrens bis zum Ablauf der Klagefrist für eine Klageerhebung entschieden hätten. Eine nachträgliche Heilung habe es nicht gegeben.

Zugleich habe die Klage aber auch in der Sache keinen Erfolg. Das Bürgerbegehren beziehe sich zum einen nicht auf eine Entscheidung über eine Angelegenheit der Gemeinde i. S. v. § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW. Aus § 26 Abs. 1 Satz 1 GO NRW ergebe sich, dass ein Bürgerbegehren nicht lediglich darauf gerichtet sein darf, dem Rat generelle Vorgaben für eine von ihm noch zu treffende Entscheidung zu machen. Vielmehr müsse der angestrebte Bürgerentscheid die abschließende Entscheidung über eine Angelegenheit der Gemeinde anstelle des Rats im Sinne einer konkreten Sachentscheidung selbst treffen. Das Bürgerbegehren dürfe auch nicht bloß auf das Verfahren zielen, in dem diese Entscheidung getroffen werden soll. Unzulässig seien zudem resolutionsartige Meinungskundgaben.

Vorliegend beziehe sich das Bürgerbegehren zwar auf die Beschlusslage im Rat und eine beschlossene finanzielle Umschichtung, gebe jedoch nicht vor, wie genau diese Umschichtung angesichts der zwischenzeitlich gestiegenen Bau- und Folgekosten noch bewerkstelligt werden soll. Das Bürgerbegehren nennt lediglich in Betracht kommende Umschichtungsalternativen wie die Drittfinanzierung, die Anpassung der Bauplanung oder die Änderung von Aufträgen. Es stellt aber nicht klar, welche dieser Alternativen konkret zu einer Kosteneinsparung in einem Umfang führt bzw. führen kann, die die Einhaltung des im Ausgangspunkt veranschlagten Kostenrahmens ohne den zusätzlichen Einsatz städtischer Haushaltsmittel zur Folge hätte.

Zum anderen genüge das Begehren nicht den Bestimmtheitsanforderungen des § 26 Abs. 2 Satz 1, Abs. 7 Satz 1 GO NRW. Ein Bürgerbegehren müsse sich dazu im Anschluss an das gerade Gesagte auf eine konkrete, durch die Bürgerschaft zu treffende Sachentscheidung richten, wobei sich der Gegenstand dieser Entscheidung unzweideutig aus dem Text des Bürgerbegehrens in Verbindung mit der Begründung selbst ergeben müsse. Der Gegenstand der in einem Ja/Nein-Schema zu treffenden (konkreten und abschließenden) Sachentscheidung ergebe sich hier weder aus dem Text des Bürgerbegehrens noch aus seiner Begründung.

Mit Blick darauf könne der Senat offen lassen, ob auch der Gegenstand des Bürgerbegehrens nach § 26 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 GO NRW unzulässig und das Bürgerbegehren zudem auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet ist.

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