Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
1. An der Zulässigkeit von kalkulatorischen Abschreibungen auf der Basis von Wiederbeschaffungszeitwerten in der Kombination mit einer kalkulatorischen Nominalverzinsung wird festgehalten (nochmalige Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung und gegen VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.1998 – 13 K 8767/96 -, GemH 1999, 18 ff.)
2. Auch bei einer Ersatzanlage unterliegt das gesamte in der Anlage gebundene Kapital der Verzinsung. Einer Reduzierung um die für die Erstanlage zurückgeflossenen Abschreibungsbeträge bedarf es auch dann nicht, wenn die Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwerten vorgenommen worden sind (gegen VG Köln, Urteil vom 20.10.1998 – 14 K 765/96 – u. a., NWVBl. 1999, 228). (amtliche Leitsätze)
§ 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 KAG
OVG NRW, Urteil vom 1.9.1999 – 9 A 3342/98 -;
I. Instanz: VG Gelsenkirchen - 13 K 2454/95 -.
Der Kläger wandte sich mit seiner Klage gegen die Erhebung von Abwasserbeseiti-gungsgebühren für das Jahr 1995, weil diese überhöht seien. Das VG gab der Klage unter anderem mit der Begründung statt, dass die zur Anwendung gelangte Kalkulationsmethode der Kombination von Abschreibungen auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten i. V. m. einem Nominalzinssatz bei der Verzinsung nach den landesrechtlichen Vorschriften zur Ermittlung des Gebührensatzes und den danach maßgebenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen unzulässig sei. Die Berufung des Beklagten führte zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Aus den Gründen:
Die Veranschlagung der kalkulatorischen Kosten (Abschreibungen und Zinsen) hat im Ergebnis Bestand.
Die Methode der Ermittlung der kalkulatorischen Kosten ist nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung des VG ist der Ansatz kalkulatorischer Zinsen auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten in Verbindung mit einem Nominalzins auch dann nach § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz i. V. m. § 6 Abs. 1 KAG a. F. in der Gebührenkalkulation zulässig, wenn die kalkulatorischen Abschreibungen, wie hier teilweise, auf der Grundlage von Wiederbeschaffungszeitwerten berechnet werden.
Dies entspricht nach wie vor betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i. S. d. § 6 Abs. 2 Sätze 1 u. 2 KAG a. F. und der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994 – 9 A 1248/92 –, GemH 1994, 233 m. w. N., zuletzt bestätigt unter Bezugnahme auf das mittlerweile in der 19. Auflage erschienene betriebswirtschaftliche Standardwerk des anerkannten Betriebswirtschaftlers Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Wöhe, "Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre", S. 1263, 1266: OVG NRW, Urteil vom 19.5.1998 – 9 A 5709/97 –, StuGR 1998, 310.
So weit das VG zu der Auffassung gelangt ist, dass die Ausführungen in dem vorge-nannten betriebswirtschaftlichen Lehrbuch zu den einzelnen kalkulatorischen Kosten, insbesondere Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwert und Nominalzinsen vom Anschaffungsrestwert, nur jeweils für sich zu betrachten seien, ohne eine Aussage über eine Kombination beider Rechenweisen zu treffen, fehlt es für eine derartige einschränkende Interpretation an konkreten Anhaltspunkten. Vielmehr enthält das entsprechende Kapitel – bezeichnenderweise unter der Überschrift "II. Die Betriebsabrechnung, 1. Die Kostenartenrechnung, b) Die Erfassung der wichtigsten Kostenarten, dd) Die kalkulatorischen Kostenarten" - unter den Gliederungspunkt "(1) Begriff und Aufgaben" eine Auflistung der wichtigsten in der Betriebswirtschaft anerkannten kalkulatorischen Kostenansätze (Die kalkulatorischen Abschreibungen, die kalkulatorischen Zinsen, der kalkulatorische Unternehmerlohn, die kalkulatorischen Wagniszuschläge und die kalkulatorische Miete), die in den folgenden Gliederungspunkten (2) - (6) näher erläutert werden und in ihrer Gesamtheit gerade ohne jede wechselseitige Einschränkung dem Zweck dienen sollen, die Genauigkeit der Kostenrechnung zu erhöhen.
Die isolierte, traditionelle Kostenbetrachtung im Rahmen betriebswirtschaftlicher Grundsätze, wie sie im Ergebnis in der Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Ausdruck kommt, ist auch nach neuesten Erkenntnissen (weiterhin) zulässig, weil die damit verbundenen Kostenanschauungen in der Betriebswirtschaftslehre unverändert mit beachtlichem wissenschaftlichen Gewicht vertreten werden "und in der Praxis sogar überragende Bedeutung haben".
Vgl. Gawel, Zur Interdependenz kalkulatorischer Kostenarten in der Gebührenbedarfsberechnung, KStZ 1999, 61 (91); im Übrigen auch: Tettinger, Entgelte in der Entsorgungswirtschaft, NWVBl. 1996, 81 (84), sowie die in der Fachhochschul- und Universitätsausbildung verwendeten aktuellen Werke, wie
z. B.: Schmidt, Kostenrechnung, 1996, S. 61 ff. und 75 ff; Mayer/Liessmann/Mertens, Kostenrechnung, 6. Aufl. 1996, S. 123 ff. und 130 ff.; Steger, Kosten- und Leistungsrechnung, 1996, S. 189 ff. und 219 ff.; Hoitsch, Kosten- und Erlösrechnung, 2. Aufl. 1997, S. 233 ff.; Freidank, Kostenrechnung, 6. Aufl. 1997, S. 111 ff. und 125 ff.; Kicherer, Kosten- und Leistungsrechnung, 1998, S. 97 ff. und 106 ff.; Schweitzer/Küpper, Systeme der Kosten- und Erlösrechnung, 7. Aufl. 1998, S. 114 ff.
Auf Grund der durch die ständige Befassung mit der Materie vorhandenen und durch die vorzitierten betriebswirtschaftlichen Werke dem erkennenden Senat zusätzlich vermittelten Sachkunde war die Einholung eines Sachverständigengutachtens nach dem Amtsermittlungsgrundsatz nicht geboten.
Vgl. zur Entbehrlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens bei eigener Sachkunde des Gerichts etwa: BVerwG, Urteil vom 10.11.1983 – 3 C 56.82 –, BVerwG 68, 177 (182), Beschlüsse vom 19.11.1998 – 8 B 148.98 – und vom 11.2.1999 – 9 B 381.98 –, Inf-AuslR 1999, 365.
Ein allgemeiner Wandel in den betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen dahingehend, dass es im Veranlagungszeitraum (1995) allgemein bei Wirtschaftsbetrieben (und nicht nur bei Wirtschaftsbetrieben der öffentlichen Hand) nur noch zulässig gewesen sein soll, eine kalkulatorische Nominalverzinsung auf der Grundlage von Anschaffungs(rest)werten ausschließlich i. V. m. Abschreibungen auf Anschaffungswertbasis zu berechnen, ist damit entgegen der Meinung des VG nicht eingetreten.
Vgl. Gawel, a. a. O., S. 94 f..
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des VG, die Definition des Begriffs der betriebswirtschaftlichen Grundsätze seitens des erkennenden Senats verstoße gegen juristische Auslegungsgrundsätze und sei mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren, weil eine gesetzliche Zielbestimmung bei der Auswahl der betriebswirtschaftlichen Grundsätze außer Acht gelassen werde.
Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.1998 – 13 K 8767/96 –, GemH 1999, S. 18 ff. (19).
Abgesehen davon, dass der innere Zusammenhang der hier zu entscheidenden materiellrechtlichen Fragen mit der vom VG angeführten prozessualen Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar ist, trifft die Kritik auch in der Sache nicht zu. Die Definition der betriebswirtschaftlichen Grundsätze i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a. F. als beachtliche Lehrmeinungen, die für allgemeine Wirtschaftsbetriebe und nicht für Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand gelten, entspricht dem insoweit eindeutigen Willen des Gesetzgebers.
Der Landesgesetzgeber hat über § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a. F. gerade in Anerkennung der Regelungsdefizite der öffentlichen Haushaltswirtschaft in Bezug auf die nach § 4 Abs. 2 KAG a. F. erforderliche periodengerechte Kostenverteilung den in der Privat-wirtschaft maßgebenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bewusst den Vorrang eingeräumt, im Übrigen aber sogar ausdrücklich auf eine erschöpfende Regelung des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffs auf Grund der in der Betriebswirtschaftslehre herrschenden Meinungsverschiedenheiten verzichtet.
Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 34, 35.
Die damit intendierte Übernahme betriebswirtschaftlicher Grundsätze der Privatwirtschaft unter bewusstem Verzicht auf eine umfassende normative Entscheidung zwi-schen divergierenden betriebswirtschaftlichen Auffassungen schließt eine Verengung des zu berücksichtigenden Kreises der beachtlichen betriebswirtschaftlichen Lehrmeinungen durch die Rechtsprechung grundsätzlich aus, es sei denn, dem Gesetz selbst sind – sei es durch Auslegung, sei es durch ausdrückliche Regelungen – bestimmte Festlegungen zu den ansatzfähigen Kosten zu entnehmen.
Vgl. zum Vorrang gesetzlicher Vorgaben etwa: OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994, a.a.O., S. 233.
Soweit es an solchen Vorgaben fehlt, beanspruchen sämtliche in der Betriebswirt-schaft mit beachtlichem Gewicht vertretenen Lehrmeinungen über § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG a. F. Rechtsgeltung und eröffnen der Gemeinde ein diesbezügliches Wahlrecht.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994, a.a.O., S. 233 m. w. N..
Es ist nicht Aufgabe der VGe zu entscheiden, welche insoweit zu berücksichtigende betriebswirtschaftlich begründete Auffassung "richtig" ist.
Vgl. schon: OVG NRW, Urteil vom 26.2.1982, a. a. O., S. 117.
In Bezug auf die Ansatzfähigkeit der kalkulatorischen Kosten sind finanzwirtschaftli-che Festlegungen des Landesgesetzgebers, die eine Beschränkung der zulässigen Kalkulationsmethoden allein auf das vom VG alternativ für zulässig erachtete Anschaffungswert- oder Wiederbeschaffungswertmodell geböten, nicht festzustellen. Im Gegenteil, eine derartige Zielbestimmung widerspricht eindeutig der Intention des Landesgesetzgebers, wie sie sich in Bezug auf die kalkulatorischen Kosten aus dem Gesetz selbst und den zur Auslegung heranzuziehenden Gesetzesmaterialien ergibt.
Wie das VG zutreffend ausgeführt hat, hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 5.8.1994, a. a. O., den Sinn und Zweck des Gesetzes dahingehend interpretiert, dass die Gemeinden in die Lage versetzt werden sollen, die dem gemeindlichen Betrieb oblie-gende Aufgabenerfüllung ohne Belastung des allgemeinen Verwaltungshaushaltes auf Dauer dadurch sicherzustellen, dass kostendeckende Gebühren erhoben werden. "Aus dieser Zielsetzung folgt, dass nicht nur die mit dem Betrieb der Anlage verbundenen pagatorischen Ausgaben über Gebühreneinnahmen erwirtschaftet werden müssen, sondern auch ausreichende finanzielle Mittel für die Ersatzbeschaffung der Anlage anzusammeln sind."
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994, a. a. O., S. 236.
Hieraus allerdings den Schluss zu ziehen, dass danach die Gemeinde durch die Gebüh-reneinnahmen am Ende der Nutzungszeit wirtschaftlich so gestellt werden solle wie zu deren Beginn,
vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 5.11.1998, a. a. O., S. 20,
bzw. dass der Gemeinde durch die in einen eigenen Betrieb getätigten Investitionen auf Dauer weder Nutzen entstehen noch ein solcher entzogen werden dürfe,
vgl. das hier angefochtene Urteil des VG Gelsenkirchen, S. 11 UA sowie VG Gelsenkirchen, Urteil vom 9.10.1997 – 13 K 3766/95 –, NVWBl. 1998, 32 (33),
erweist sich als unzutreffend. Denn eine derartige Zielbestimmung widerspricht ein-deutig der Intention des Landesgesetzgebers.
Hiernach sind entgegen der vom VG vertretenen Interdependenz der kalkulatorischen Kostenarten (Abschreibungen und Zinsen) die kalkulatorischen Zinsen einerseits und die kalkulatorischen Abschreibungen andererseits in ihrer jeweiligen finanzwirtschaftlichen Funktion zu trennen.
Den kalkulatorischen Zinsen ist dabei gerade nicht eine unmittelbar auf die Substanzerhaltung der jeweiligen zur Leistungserbringung eingesetzten Anlage gerichtete Funktion zuzumessen; Zweck und innere Rechtfertigung der über die Gebühren umzulegenden Kosten der kalkulatorischen Verzinsung ist vielmehr (und allein) die Gewährleistung eines Ausgleichs für die durch die Aufbringung des in der Anlage gebundenen Kapitals seitens der Gemeinde zu tragenden finanziellen Belastungen.
Der Begründung der Landesregierung zum (zweiten) Entwurf eines Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 9.7.1968 ist zu entnehmen, dass die Gebühren relevante Kapitalverzinsung sowohl das Fremdkapital als auch das Eigenkapital umfasst. Sie sei zusammengefasst worden, um einen einheitlichen Satz für das gesamte Kapital (so weit es nicht nach dem letzten Halbsatz von der Verzinsung ausgeschlossen sei) zuzulassen. Dies ermögliche einen gleichmäßigen Gebührensatz auch bei schwankender oder – wie bei Annuitätendarlehen – jährlich abnehmender Höhe der Fremdkapitalzinsen. Es bleibe den Gemeinden aber freigestellt, den Fremdkapitalzins in voller Höhe (Hervorhebung durch den Senat) und im Übrigen einen angemessenen Eigenkapitalzins
anzusetzen.
Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35, 36.
Der danach zugelassene Ansatz der Fremdkapitalzinsen in voller Höhe kennzeichnet eindeutig die Zielsetzung, über die kalkulatorische Verzinsung des für die jeweiligen Investitionen aufgenommenen Fremdkapitals einen Ausgleich der tatsächlichen finanziellen Zinsbelastung (Effektivzinsen, Nominalzinsen) der Gemeinde zu bewirken, ihr im Rahmen der Bestimmung des "angemessenen" Zinssatzes aber darüber hinaus die Möglichkeit zu eröffnen, von einer zeit- und kostenintensiven Erfassung schwankender tatsächlicher Zinsbelastungen abzusehen und insoweit für die Leistungsperiode einen an der tatsächlichen Zinsbelastung ausgerichteten einheitlichen Zinssatz der Gebührenkalkulation zu Grunde zu legen.
Entsprechendes galt nach der Vorstellung des Landesgesetzgebers auch für die eben-falls über die Gebühren umzulegenden Kosten der Eigenkapitalverzinsung. Der Eigenkapitalzins – wie der Fremdkapitalzins Wertverzehr der Leistungserstellung - rechtfer-tige sich aus der Erwägung heraus, dass der Benutzer einer kommunalen Einrichtung dem allgemeinen Steuerzahler, der die Einrichtung ganz oder teilweise finanziert habe, dafür einen Zins zu entrichten habe.
Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 36; im Übrigen auch: Protokoll Nr. 1246/69 des Kommunalpolitischen Ausschusses über die 57. Sitzung vom 23.5.1969, S. 2 (Ausführungen zum Änderungsvorschlag Nr. 29 der Vorlage 903).
Dies beruht letztlich auf dem Gedanken, dass das in der Anlage gebundene Eigenkapital der Gemeinde nicht zur Erfüllung anderweitiger öffentlicher Aufgaben eingesetzt werden und daher an anderer Stelle zu Lasten des allgemeinen Haushalts keine Zinserträge erwirtschafteten bzw. Zinsleistungen für Fremdkapital ersparen kann.
Vgl. BVerwG., Beschluss vom 19.9.1983 – 8 B 117.82 –, KStZ 1984m 11; OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994, a. a. O., S. 238.
Die somit nach dem Willen des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung des Eigenkapitals zukommende Ausgleichsfunktion zielt ihrer Natur nach ebenfalls auf die am Kapitalmarkt zu erlangenden tatsächlichen Zinsen (Effektiv- bzw. Nominalzinsen) ab. Dass während des Gesetzgebungsverfahrens, insbesondere in Bezug auf die Verzinsung des Eigenkapitals, ausschließlich die tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen in den Blick genommen wurden, verdeutlicht etwa die Beratung des Kommunalpolitischen Ausschusses vom 23.5.1969. Im Lauf der Beratung kam der Änderungsvorschlag Nr. 31 der Vorlage 903 zur Sprache. Hierbei handelt es sich um die Anregung des Verbandes der Deutschen Gas- und Wasserwerke, wonach in dem Gesetz bestimmt werden solle, dass das Eigenkapital zu einem Satz verzinst werde, der dem Kapitalmarktzins für langfristige Anlagen entspreche. Dieser Anregung wurde mit der Begründung nicht entsprochen, dass es nicht "den" Zins für langfristige Anlagen gebe, "sondern es gebe unterschiedliche Zinssätze für die verschiedenen Teilmärkte des Kapitalmarkts."
Vgl. Ausschussprot. Nr. 1246/69, S. 3.
Die damit seitens des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung zugedachte finanzwirtschaftliche Funktion eines Belastungsausgleichs für das in der Anlage gebundene Kapital zu Gunsten der Fremdkapitalgläubiger und des allgemeinen Haushalts bietet keinen Anhaltspunkt, im Wege der Auslegung zu einer anderweitigen Zweckbestimmung der aus der kalkulatorischen Verzinsung erwirtschafteten Gebührenbeträge zu gelangen.
Darüber hinaus hindert die Orientierung der kalkulatorischen Verzinsung an den tat-sächlichen Zinskonditionen des Kapitalmarkts die Annahme, der Landesgesetzgeber habe die Gemeinden verpflichten wollen, nunmehr zu ihren Lasten den Kapitalmarktzins auf einen sog. "Realzins" zu reduzieren und den insoweit noch offenen Belastungsausgleich anderweitig zu finanzieren.
Erschöpft sich damit die finanzwirtschaftliche Funktion der kalkulatorischen Verzinsung in der Gewährleistung des Belastungsausgleichs, kommt allein der kalkulatorischen Abschreibung die Funktion zu, diejenigen finanziellen Mittel zu erwirtschaften, die es der Gemeinde ermöglichen, eine Ersatzbeschaffung/Wiederbeschaffung der Anlage zu finanzieren. Dementsprechend hat auch der erkennende Senat im Verfahren 9 A 1248/92 bei der Korrektur der Grundlage der kalkulatorischen Verzinsung in Übereinstimmung mit den Ausführungen des seinerzeit beauftragten Sachverständigen nicht der kalkulatorischen Verzinsung die Funktion der Substanzerhaltung (der Anlage) beigemessen. "Dem Substanzerhaltungserfordernis werde schon durch die Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert – und damit innerhalb der zutreffenden Kostenart – Rechnung getragen".
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994, a. a. O., S. 238.
Die isolierte Betrachtung der beiden kalkulatorischen Kostenarten Abschreibung und Verzinsung gilt nach dem Willen des Landesgesetzgebers auch dann, wenn die Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorgenommen werden. Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass – worauf das Berufungsgericht in ständiger Rechtsprechung hingewiesen hat – der Landesgesetzgeber zu Gunsten der Gemeinden ausdrücklich die Wahlmöglichkeit eröffnen wollte, Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorzunehmen,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.6.1979 –II A 1628/77 –, MittNWStGB 1979, 334, Urteil vom 26.2.1982, a. a. O., Urteil vom 27.10.1992 – 9 A 835/91 –, StuGR 1993, 313, Urteil vom 5.8.1994, a. a. O., S. 235,
ohne insoweit mit Blick auf die Funktion der kalkulatorischen Verzinsung und deren Orientierung an den tatsächlichen Kapitalmarktkonditionen wechselseitige Einschrän-kungen – etwa aus dem Verständnis der betriebswirtschaftlichen Grundsätze als einem übergreifenden Ordnungssystem – auch nur ansatzweise in Betracht zu ziehen.
Angesichts der divergierenden Funktionsbestimmungen der kalkulatorischen Verzin-sung einerseits und der kalkulatorischen Abschreibung andererseits bestand hierfür auch kein Anlass. Denn, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 5.8.1994 ausgeführt hat, ergibt sich die Summe der Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwerten nicht den Wiederbeschaffungswert für eine Anlage gleicher Art und Güte,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994, a. a. O., S. 236; im Übrigen auch: Wöhe, a. a. O., S. 1263 für den Regelfall eintretender Preissteigerungen,
sodass sich angesichts dieser strukturellen Deckungslücke die Frage einer Überdeckung und hieran anknüpfender Korrekturmechanismen für den Landesgesetzgeber von vornherein nicht stellte.
Das gilt auch in Ansehung etwaiger Zinsgewinne, die mit den je nach Fremdkapitalanteil mehr oder weniger verbleibenden Abschreibungserlösen erwirtschaftet werden können. Denn mit dem Rückfluss des Investivkapitals über die Abschreibungen gehen die nach der Schuldtilgung übrigen Abschreibungsbeträge in das Eigenkapital der Gemeinde über und stehen rechtlich dem allgemeinen Haushalt zur (freien) Verfügung.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.8.1994, a. a. O., S. 236.
Hiervon abweichende rechtliche Bindungen sollten durch das Gebührenrecht nicht begründet werden; insbesondere war nicht beabsichtigt, auf der Grundlage des § 6 KAG a. F. die zurückfließenden Abschreibungsbeträge (und die hiermit etwa erwirtschafteten Zinsgewinne) allein dem Gebührenhaushalt zuzuordnen, sodass diese einer rentierlichen Nutzung zu Gunsten des allgemeinen Haushalts entzogen waren. Denn die betriebswirtschaftliche Aufgabe der Abschreibungen erschöpfte sich in der periodengerechten Verteilung der durch die Leistungserbringung und dem damit verbundenen Wertverzehr entstehenden gegenwärtigen Kosten der Gemeinde.
Vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 34, 35 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Nds. OVG, Urteil vom 16.11.1967 - III OVG A 111/65 -, KStZ 1968, 77, wonach selbst die Rücklagenbildung nicht zur Vorfinanzierung künftiger Aufwendungen erfolgt, sondern bereits einen gegenwärtigen, nämlich den auf Abnutzung beruhenden Wertverzehr berücksichtigt.
Die Beschränkung auf die Funktion der Kostenverteilung folgt schon aus dem Umstand, dass die Ansatzmöglichkeit kalkulatorischer Kosten in der Kostenrechnung lediglich ein innerbetriebliches Instrument ist, um die durch den Betrieb bedingte Kostenbelastung möglichst zutreffend zu erfassen. Dabei mögen betriebswirtschaftliche Zielbestimmungen zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Art und Weise der Er-mittlung der einzelnen kalkulatorischen Kosten führen. Hierauf kommt es indes nicht an. Denn die verschiedenen innerbetrieblichen Zielbestimmungen begründen keine rechtliche Verpflichtungen der hiernach kalkulierenden Wirtschaftsbetriebe im Außenverhältnis gegenüber ihren Abnehmern, die über die Preise vereinnahmten Gelder nur der kalkulatorischen Zielbestimmung entsprechend zu verwenden. So weit mit der jeweiligen Kostenkalkulation bestimmte Zielbestimmungen verbunden sind, schaffen die Betriebe, wenn sie ihre Preise entsprechend gestalten und auf dem Markt erzielen können, lediglich die finanziellen Möglichkeiten, der kalkulatorischen Zielbestimmung entsprechend zu verfahren. Nichts anderes gilt nach der Definition der betriebswirtschaftlichen Grundsätze, wie sie in der Rechtsprechung des Senats in Übereinstimmung mit dem Willen des Landesgesetzgebers getroffen worden ist, auch für die gebührenkalkulierenden Betriebe der öffentlichen Hand.
Die weitere Verwendung der eingenommenen Gebührenbeträge, etwa die schon im Gesetzgebungsverfahren diskutierte – fakultative – Zuführung der Abschreibungsbeträge zu einer Erneuerungsrücklage nach der seinerzeit geltenden Rücklagenverordnung,
vgl. LT-Drucks. 6/810, S. 35,
war daher von vornherein nicht Regelungsgegenstand der gemeindlichen Kostenrechnung und vollzieht sich danach außerhalb gebührenrechtlicher Bindungen.
A. A. VG Köln, Urteil vom 20.10.1998 - 14 K 765 u. a. –, NWVBl. 1999, 228 (229 f.), unter Hinweis darauf, dass die Ab-schreibungserlöse mit dem Ziel vereinnahmt würden, eine notwendige Erneuerung der Anlage zu finanzieren und daher nicht als Fremdmittel oder zu verzinsendes Eigenkapital behandelt werden könnten.
Die beschränkte Kostenverteilungsfunktion war und ist bei Abschreibungen nach dem Anschaffungs- bzw. nach dem Herstellungswert auch offenkundig, denn insoweit fließt über die Abschreibungen – verteilt über die mutmaßliche Nutzungsdauer – lediglich von der Gemeinde vorverauslagtes Kapital zum Nennwert an den Investor zurück, nachdem der Gebührenpflichtige durch die Leistungserbringung in den Genuss seines Vorteils,
vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 19.9.1983, a. a. O., S. 12,
gelangt und damit die Bilanz von Leistung und Gegenleistung innerhalb der Gebührenperiode ausgeglichen ist. Ein unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG zwingender sachgerechter Grund, den schon aus der Leistungserbringung an sich resultierenden Vorteil des Gebührenschuldners noch dadurch zu erweitern, dass das Eigenkapital, das vor der jeweiligen Investition dem allgemeinen Haushalt der Gemeinde (frei) zur Verfügung gestanden hat, nach dem Durchlauf durch den Gebührenhaushalt nunmehr für alle Zukunft allein diesem zugeordnet und zu Lasten der Gemeinde dem allgemeinen Haushalt entzogen wird, ist nicht erkennbar.
Auf die reine Kostenverteilungsfunktion sind die Abschreibungen in ihrer gebühren-rechtlichen Wirkung auch dann begrenzt, wenn nach Wiederbeschaffungszeitwerten abgeschrieben wird. Denn hinsichtlich des Anteils, über den der Anschaffungs- bzw. Herstellungswert erfasst wird, gilt das vorstehende Ausgeführte. So weit über den In-flationsindex der Anlagenwert eine Aufwertung zum "Tageswert" erfährt, die über die Abschreibungsbeträge zeitanteilig der Gemeinde zufließt, handelt es sich der Sache nach um einen Bemessungsfaktor zur Bestimmung des Anteils der gegenwärtigen Nutzer an der Substanzerhaltung der im Veranlagungszeitraum zur Leistungserbringung aktuell eingesetzten Anlage.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.3.1985 – 8 B 11.84 –, KStZ 1985, 129.
Die Einbeziehung der aktuellen Nutzer in die Kostenverteilung auf der Basis des Tageswertes ist schon deshalb gerechtfertigt, weil der Wertverzehr an der aktuell einge-setzten Anlage im Rahmen der von der Gemeinde auf Dauer – über die mutmaßliche Nutzungsdauer der einzelnen Anlage hinaus – zu Gewähr leistenden Leistungserbringung die Notwendigkeit der inflationsbedingt teuren Ersatzinvestition zum Zweck der Substanzerhaltung (mit)begündet.
Vgl. Stellungnahme des Städtetages vom 7.10.1968, Zuschrift Nr. 801, S. 9, die als Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände Eingang in die Beratungsvorlage Nr. 903 (Änderungsvorschlag Nr. 26 – fakultative Zulassung der Abschreibung von Wiederbeschaffungszeitwerten) gefunden hat; diesem Änderungsvorschlag wurde letztlich zugestimmt (vgl. u.a. die Ausschussprotokolle 1126/69, S. 28, 1246/69, S. 2, und den Bericht des Kommunalpolitischen Ausschusses zur 2. Lesung LT-Drucks. 6/1493) und führte zur Änderung des § 6 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz des Regierungsentwurfs "Dazu gehören auch ... Abschreibungen, die nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer und dem Anschaffungs- oder Herstellungsaufwand gleichmäßig zu bemessen sind, ..." in die schließlich Gesetz gewordene Fassung "Dazu gehören auch ... Abschreibungen, die nach der mutmaßlichen Nutzungsdauer ... gleichmäßig zu bemessen sind, ..."
Damit erlangt der in dieser Weise ermittelte Betrag des anteiligen Wertverzehrs bereits in deraktuellen Gebührenperiode den Charakter eines gegenwärtigen Kostenbetrages,
vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 25.3.1985, a. a. O., S. 130,
das Eigenkapital der Gemeinde im Übrigen unabhängig von der Herkunft der einzel-nen Einnahmen generell der Verzinsung unterliegt. Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, dass der Landesgesetzgeber etwa die kalkulatorische Verzinsung als Instrument der Stärkung der Einnahmesituation der Gemeinden – nicht des Gebührenhaushalts – ansah. Dies "habe den Sinn, der Finanzkraft der Gemeinde eine Expansion aus sich heraus zu ermöglichen.
Vgl. Ausschussprot. Nr. 1246/69, S. 2.
Dem finanzwirtschaftlichen Ziel der Gewährleistung oder sogar der Steigerung der Eigenkapitalausstattung der Gemeinden diente darüber hinaus auch und gerade die Zulassung der Abschreibung vom Wiederbeschaffungszeitwert.
Vgl. Ausschussprot. Nr. 1126/69, S. 28.
Diese nicht zuletzt in den Materialien zum Ausdruck kommende Zielsetzung kann da-her bei der Frage nach dem Sinn und Zweck der gemeindlichen Gebührenkalkulation und damit zusammenhängend bei der Frage nach einer hieraus zu bestimmenden Kostenobergrenze nicht unberücksichtigt bleiben. Sie lässt die vom VG abgeleitete Zielvorgabe – die Gemeinde dürfe sich nach Ablauf der Nutzungsdauer wirtschaftlich nicht besser stehen als vor der Investition – schon als im Ansatz unzutreffend erkennen.
Der Einsatz von Abschreibungserlösen für eine Wiederbeschaffung führt zwar im Ergebnis dazu, dass mit der Aufwendung dieses Kapitals und seiner Bindung in einer neuen Anlage dessen kalkulatorische Verzinsung zu Lasten des Gebührenpflichtigen eröffnet wird. Die Erwirtschaftung von Abschreibungserlösen (nach Abzug etwaiger Tilgungsleistungen) ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass diese, wie oben dargelegt, lediglich dem Ausgleich der in den vergangenen Leistungsperioden durch die Leistungserbringung verursachten Kosten dienen. Die über die Abschreibungen zurückgeflossenen
Finanzmittel sind daher wie die vorher für die jeweilige Investition bereitgestellten Mittel Kapital der Gemeinde. Insbesondere handelt es sich nicht um Kapital des Gebührenschuldners. Im Falle der Aufwendung dieses Kapitals für die Wiederbeschaffung steht es anderen rentierlichen Zwecken zu Lasten des allgemeinen Haushalts nicht mehr zur Verfügung. Damit greift die seitens des Landesgesetzgebers der kalkulatorischen Verzinsung beigemessen finanzwirtschaftliche Funktion des Belastungsausgleichs ein. (noch nicht rechtskräftig)
Kalkulatorische Kosten
Aus der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts